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Corona-Pandemie: Impfmüdigkeit treibt vierte Welle massiv an

Corona-Pandemie

Impfmüdigkeit treibt vierte Welle massiv an

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    Deutlich über 80 Prozent der Menschen müssten sich impfen lassen, um die Krankenhäuser zu entlasten.
    Deutlich über 80 Prozent der Menschen müssten sich impfen lassen, um die Krankenhäuser zu entlasten. Foto: Bernd Weißbrod, dpa (Symbolfoto)

    Die Impfkampagne ist die große Hoffnung auf ein Ende der Pandemie. Doch genau die zeigt auch, wie labil die Situation ist: Weil sich unter den Menschen in Deutschland inzwischen eine Impfmüdigkeit breitmacht, nimmt die vierte Welle zunehmend an Fahrt auf. Der Anteil der vollständig immunisierten Bundesbürger stieg laut Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts mit rund 61 Prozent im Vergleich zur Vorwoche (59 Prozent) erneut nur langsam an. Deutlich schneller wächst die Zahl der Neuinfektionen.

    „Wenn wir bis Oktober nicht die Impfquote deutlich nach oben bringen, bekommen wir im Herbst einen richtig starken Anstieg der Corona-Fälle auf den Intensivstationen“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, im Interview mit unserer Redaktion. Besonders ab Oktober, November, wenn sich das Leben wieder mehr in die Innenräume verlagert, sei mit noch höheren Zahlen zu rechnen. Die Impfung mache dabei einen gewaltigen Unterschied. Bei einer Impfquote von 80 Prozent gibt es doppelt so viele Gefährdete wie bei einer Impfquote von 90 Prozent, bei einer Impfquote von 70 Prozent dreimal so viele.

    Zahl der Intensiv-Patienten steigt

    Für die Kliniken habe schon jetzt eine neue Phase der Pandemie begonnen. Das belegt auch der RKI-Bericht. Mit einer Covid-Infektion ins Krankenhaus kommen nun überwiegend Erwachsene zwischen 35 und 59 Jahren. Die Mehrheit von ihnen ist nicht geimpft. Der zuletzt abnehmende Trend der Klinikeinweisungen setze sich zurzeit nicht fort, heißt es beim RKI. Über 1000 Menschen liegen bereits wieder auf Intensivstationen.

    Vor allem aber die steigenden Inzidenzen von Kindern und Jugendlichen bereiten dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek Sorgen. Gemeinsam mit Ärzteverbänden ruft er dazu auf, sich noch vor Ferienende gegen Corona impfen zu lassen. „Es gibt noch genug Zeit, um erstgeimpft in die erste Schulwoche zu starten“, sagt er. Geimpfte Kinder und Jugendliche müssten nicht mehr zum Corona-Test in der Schule. Derzeit sind in Bayern 29,8 Prozent der 12- bis 17-Jährigen erst-, und 21,9 Prozent zweitgeimpft.

    Marburger Bund ist für Beibehaltung der Maskenpflicht

    Auch bei der Ärztevereinigung Marburger Bund blickt man mit Sorge auf die aktuelle Entwicklung. „Ich fürchte, wir bekommen wieder erhebliche Probleme, wenn die Anzahl der ungeimpften Erwachsenen weiterhin auf dem derzeitigen Niveau verharrt“, sagt deren Vorsitzende Susanne Johna unserer Redaktion – und warnt eindringlich davor, die Situation zu unterschätzen. „Ich kann auch nicht ganz verstehen, wie sich manche so sicher sein können, dass wir im Herbst und Winter deutlich weniger schwere Erkrankungen zu befürchten haben und deshalb gelassener sein sollten“, sagt sie. Auch sie höre aus den Krankenhäusern, dass immer mehr Ungeimpfte intensivmedizinisch versorgt werden müssen.

    Anders als im letzten Jahr, als reguläre Operationen ausgesetzt wurden, finde in den Kliniken wieder eine Regelversorgung in vollem Umfang statt. „Eine Entlastung des Personals ist weit und breit nicht in Sicht“, sagt Johna. „Auch deshalb darf es uns nicht gleichgültig sein, wenn die Anzahl der Neuinfektionen ungebremst steigt.“ Je mehr Menschen sich mit dem Virus anstecken, desto mehr würden auch ernsthaft erkranken.

    Susanne Johna ist erste Vorsitzende des Marburger Bundes.
    Susanne Johna ist erste Vorsitzende des Marburger Bundes. Foto: dpa

    Sie plädiert daher dafür, die Maskenpflicht in Innenräumen weiter beizubehalten und der Impfkampagne einen neuen Schub zu verleihen. „Nur wenn es jetzt gelingt, die Impfquote auf ein Niveau von etwa 85 Prozent zu bringen, wird die Belastung in den Krankenhäusern stark zurückgehen und wieder mehr Normalität möglich sein“, betont sie. Ein „Freedom Day“ nach englischem Vorbild, wie ihn unter anderem die Freien Wähler in Bayern fordern, ist für Johna keine Option. „Die höhere Immunität wurde in England mit sehr hohen Erkrankungszahlen und einer deutlich höheren Todesrate erkauft“, sagt sie. „Gut, dass wir diesem schlechten Beispiel nicht gefolgt sind. Großbritannien hat 40.000 Corona-Tote mehr zu beklagen als wir in Deutschland.“

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