Gelungene Premiere für den neuen CDU-Chef Armin Laschet und die ungeliebte große Koalition: In überraschender Harmonie haben die Spitzen von Union und SPD mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Start ins Superwahljahr 2021 geschafft. Zahlreiche strittige Themen wie einen Corona-Bonus für Familien und Menschen in Grundsicherung, die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie und weitere Corona-Hilfen für Unternehmen konnte der Koalitionsausschuss am Mittwochabend in knapp viereinhalb Stunden lösen.
Die gelebte Harmonie unter den Koalitionären war keineswegs zu erwarten. Immer wieder hatten sich beide Seiten in den vergangenen Tagen vorgeworfen, zu früh in den Wahlkampfmodus zu verfallen. Noch am Morgen weist SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz in seiner nordischen Gelassenheit Kritik zurück, wonach die Forderungen seiner Partei "Wahlkampfmusik" seien.
Neuer CDU-Chef Laschet nimmt erstmals an Koalitionsausschuss teil
Doch hinter den Türen, so ist zu hören, ist die Stimmung alles andere als gereizt. Zur guten Laune dürfte auch Laschets Geschenk beigetragen haben. Vor Beginn seines ersten Koalitionsausschusses im Kanzleramt überreicht er allen Anwesenden Bücher mit gesammelten Gedichten des Dichters Heinrich Heine. Ein Lesepräsent mit Zeilen des in Düsseldorf geborenen Schriftstellers Heine aus der Hand des in Düsseldorf regierenden NRW-Ministerpräsidenten ist naheliegend und vieldeutig zugleich. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass Laschet schon in wenigen Monaten nach der Kanzlerschaft greifen könnte.
"Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht, ich kann nicht mehr die Augen schließen, und meine heißen Tränen fließen", heißt es in Heines berühmten Versen. Ob Laschet bei der Auswahl des Geschenks überhaupt an jenes Gedicht "Nachtgedanken" dachte, dürfte wohl sein Geheimnis bleiben. Fest steht aber, besser (und lyrischer) lässt sich die Situation der Anwesenden im Kanzleramt zum Start ins Superwahljahr 2021 kaum beschreiben - sie alle eint in der Corona-Krise die Sehnsucht nach einem schöneren Deutschland.
Verringerter Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie wird verlängert
Dass Laschet bei seiner Premiere im Gegenzug auf politische Geschenke hoffen konnte, durfte getrost bezweifelt werden. Vielmehr wartet auf ihn ein ganz besonderer Spagat. So muss er sowohl dafür sorgen, dass der Berliner Koalitionsmotor möglichst geschmeidig weiterläuft, damit sich Merkel ohne Störfeuer um die Corona-Krise und die - wann auch immer beginnende - Zeit danach kümmern kann. Zugleich muss gerade Laschet klare Kante zeigen, will er sich für die Kanzlerkandidatur in der Union empfehlen. Denn noch sehen die Menschen im Land einen anderen Unionspolitiker mehrheitlich als deutlich besser geeignet dafür an - den von Laschet beschenkten Markus Söder.
Und dann sitzt mit der SPD auch ja noch eine Partei am Tisch, für die es bei der Bundestagswahl am 26. September - und bei den Landtagswahlen zuvor - einmal mehr ums Ganze geht. Mit Umfragewerten von aktuell 15, 16 Prozent stehen die Sozialdemokraten nochmals deutlich schlechter da als mit ihren 20,5 Prozent bei der Wahl 2017.
Um in der Bürgergunst zu klettern, müssen sich die SPD-Chefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz mächtig anstrengen. Auch für sie geht es um einen Spagat: Einerseits müssen sie zeigen, dass sich sozialdemokratisches Mitregieren lohnt - und gleichzeitig müssen sie sich acht Monate vor der Wahl verstärkt von der Union abgrenzen. Keine Frage - die Entlastungen für Geringverdiener und Familien sind da wichtige Erfolge. Bleibt nur die Frage, ob diese am Ende auch auf das Konto der SPD einzahlen werden.
Chronologie der Corona-Pandemie 2020 in Eilmeldungen
Mehr als 600 Eilmeldungen hat die Deutsche Presse-Agentur bis Dezember 2020 allein zum Corona-Virus gesendet. Die Überschriften dokumentieren die Zeitspanne von den ersten Hinweisen auf eine Ausbreitung der Viruserkrankung bis zu den jüngsten Erfolgen bei der Impfstoffentwicklung. Ein Überblick:
Januar
22.1. WHO ruft wegen Virus in China vorerst keine "internationale Notlage" aus
24.1. Zwei Fälle der neuen Lungenkrankheit in Frankreich nachgewiesen
28.1. Erster Coronavirus-Fall in Deutschland bestätigt
30.1. Coronavirus in China: WHO erklärt internationale Notlage
Februar
15.2. Frankreich meldet ersten Coronavirus-Todesfall in Europa
22.2. Italien will mit Coronavirus betroffene Städte abriegeln
29.2. Erster Coronavirus-Todesfall in den USA
März
9.3. Coronavirus: Landrat meldet ersten Todesfall in Deutschland
11.3. WHO bezeichnet Verbreitung des neuen Coronavirus als Pandemie
12.3. USA erlassen wegen Coronavirus 30-tägigen Einreisestopp aus Europa
12.3. CDU verschiebt Parteitag wegen Corona-Krise
12.3. Merkel: Wegen Coronavirus auf Sozialkontakte weitgehend verzichten
12.3. Bund und Länder: Ab Montag alle planbaren Operationen verschieben
13.3. UEFA stoppt vorerst Spielbetrieb im Fußball-Europapokal
13.3. NRW schließt nächste Woche alle Schulen
(plus 14 weitere Eilmeldungen zu Schulschließungen in anderen Bundesländern)
13.3. DFL: Fußball-Bundesliga stellt Spielbetrieb vorerst ein
13.3. Trump ruft wegen Coronavirus nationalen Notstand aus
16.3. Regierung schlägt Schließung von Läden vor - Supermärkte aber offen
17.3. Maas startet Rückholaktion für im Ausland festsitzende Deutsche
17.3. Bundesregierung spricht weltweite Reisewarnung aus
17.3. Fußball-EM wegen Coronavirus um ein Jahr verschoben
17.3. Nur noch EU-Bürger sollen nach Deutschland reisen dürfen
18.3. Österreich kontrolliert ab Mitternacht Grenze zu Deutschland
19.3. Coronavirus-Pandemie: Italien meldet mehr Tote als China
21.3. Mietern soll in Krise nicht gekündigt werden dürfen
22.3. Bund und Länder wollen Restaurants unverzüglich schließen
24.3. IOC bestätigt: Olympia in Tokio wird verschoben
25.3. Historisches Hilfspaket in Corona-Krise beschlossen
27.3. Corona-Pandemie: Italien meldet fast 1000 Tote an einem Tag
April
2.4. Weltweit mehr als eine Million nachgewiesene Coronavirus-Infektionen
6.4. Kreise: Zwei Wochen Quarantäne bei Rückkehr nach Deutschland
6.4. Corona-Infektion: Britischer Premierminister auf Intensivstation
15.4. Bund will Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter ermöglichen
15.4. Schulstart in Deutschland schrittweise ab 4. Mai geplant
17.4. Spahn: Ausbruch ist beherrschbar geworden
21.4. Saison in Handball-Bundesliga abgebrochen
22.4. Erste klinische Studie zu Corona-Impfstoff in Deutschland zugelassen
23.4. Merkel: Länder in Corona-Krise teils zu forsch
28.4. Nun bundesweite Maskenpflicht auch im Einzelhandel
30.4. Betriebe melden für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit an
Mai
5.5. Wirtschaftsminister der Länder wollen Gastronomieöffnung ab 9. Mai
6.5. Bund will Öffnung aller Geschäfte in Corona-Krise erlauben
6.5. Politik erlaubt Geisterspiele der Fußball-Bundesliga ab Mitte Mai
13.5. Bundesregierung beschließt Lockerung der Grenzkontrollen
15.5. Deutsche Wirtschaft bricht in der Corona-Krise ein
26.5. Bund und Länder einig: Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni
Juni
9.6. Deutscher Export bricht im April um mehr als 30 Prozent ein
16.6. Offizielle Corona-Warn-App steht zum Download bereit
17.6. Großveranstaltungen werden mit Ausnahmen bis Ende Oktober verboten
17.6. Schulen sollen nach Sommerferien wieder komplett öffnen können
23.6. Zahlreiche Einschränkungen nach Corona-Ausbruch bei Tönnies
25.6. EU-Kommission genehmigt Rettungspaket für Lufthansa
29.6. Bundestag beschließt Mehrwertsteuersenkung und Familienbonus
Juli
3.7. Arznei Remdesivir erhält europäische Zulassung für Covid-19
7.7. Brasiliens Präsident Bolsonaro mit Coronavirus infiziert
22.7. Corona-Tests bei Einreise aus Risikogebieten sollen Pflicht werden
30.7. Deutsche Konjunktur bricht dramatisch ein
30.7. Historischer Konjunktureinbruch in den USA wegen Corona-Krise
August
11.8. Putin: Russland lässt Impfstoff gegen Coronavirus zu
14.8. Reisewarnung des Auswärtigen Amts für fast ganz Spanien samt Mallorca
27.8. Bund und Länder: Großveranstaltungen bis Ende des Jahres verboten
September
29.9. Feiern in öffentlichen Räumen auf 50 Teilnehmer beschränkt
30.9. Neue Corona-Risikogebiete in elf europäischen Ländern
Oktober
2.10. US-Präsident Trump und First Lady positiv auf Coronavirus getestet
7.10. Länder: Beherbergungsverbot für Reisende aus Risikogebieten
8.10. Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigen sprunghaft auf über 4000
14.10. Beschluss: Sperrstunde um 23 Uhr für Gastronomie in Corona-Hotspots
14.10. Bund und Länder wollen striktere Kontaktbeschränkungen in Hotspots
14.10. Frankreich führt Gesundheitsnotstand wieder ein
15.10. RKI meldet Rekordwert bei Corona-Neuinfektionen in Deutschland
21.10. Gesundheitsminister Spahn positiv auf Corona getestet
26.10. CDU-Spitze verschiebt Parteitag zur Vorsitzendenwahl ins nächste Jahr
28.10. Bund und Länder: Beginn von Kontaktbeschränkungen am 2. November
28.10. Bund und Länder wollen Gastronomiebetriebe vorübergehend schließen
November
2.11. Teil-Lockdown startet: Öffentliches Leben wird heruntergefahren
9.11. Biontech veröffentlicht vielversprechende Daten zu Corona-Impfstoff
16.11. Auch US-Konzern Moderna legt positive Daten zu Corona-Impfstoff vor
16.11. Bund und Länder appellieren: Keine privaten Feiern mehr
18.11. Bundestag beschließt Änderungen beim Infektionsschutzgesetz
25.11. Private Zusammenkünfte werden auf fünf Personen begrenzt
25.11. Bund und Länder lockern Kontaktbeschränkungen für Weihnachten
30.11. Moderna will Zulassung für Corona-Impfstoff in EU beantragen
Dezember
1.12. Biontech und Pfizer beantragen EU-Zulassung für Corona-Impfstoff
2.12. Biontech und Pfizer: Großbritannien lässt Corona-Impfstoff zu
2.12. Bund und Länder: Teil-Lockdown wird bis in den Januar verlängert
9.12. Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet "Querdenken"-Bewegung
12.12. Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer erhält US-Notfallzulassung
13.12. Bund und Länder beschließen harten Lockdown ab dem 16. Dezember
13.12. Bund und Länder beschließen Versammlungsverbot an Silvester
13.12. Möglichst keine Schul- und Kita-Besuche ab Mittwoch bis 10. Januar
13.12. Bund erhöht Corona-Finanzhilfen für Unternehmen
19.12. Corona-Impfstoff von Moderna erhält Notfallzulassung in den USA
21.12. EMA empfiehlt erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs in der EU
21.12. EU-Kommission genehmigt Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer
22.12. Bayern führt Corona-Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten ein
(dpa)
Ungeachtet aller parteitaktischen Fragen zeigt die Koalition zumindest an diesem Abend vielen Beobachtern, dass sie durchaus noch Dinge bewegen kann - und will. Sogar beim konfliktträchtigen Thema Eurodrohne finden beide Seiten eine Kompromissformel, die die Anschaffung des unbemannten Flugobjekts durch die Bundeswehr noch im März unter Dach und Fach bringen will. Dass dabei der eigentliche Streitpunkt, die mögliche Bewaffnung der Drohne elegant ausgeklammert wurde, zeigt, dass an diesem Abend keine Seite an einer Eskalation interessiert war.
Auch das ist Anfang 2021 durchaus eine Nachricht. Ironische Stimmen in der Koalition hatten es vor den Verhandlungen ja schon als Erfolg gesehen, dass die GroKo Anfang 2021 überhaupt noch existiert.
Was kann die GroKo bis zur Wahl im September noch bewegen?
Bei den Beratungen in der neuen Besetzung - unterbrochen von einem deftigen Abendessen mit Rouladen, Kartoffeln und Rosenkohl und dem ein oder anderen Heine-Zitat - dürfte es geholfen haben, dass sich alle Beteiligten schon lange aus verschiedenen Rollen und Ämtern kennen. Söder und Laschet, die beide ein Interesse daran haben dürften, die Union weiter als geschlossen zu präsentieren. Walter-Borjans und Laschet, deren Verhältnis nach vielen gemeinsamen Düsseldorfer Jahren als ungetrübt gilt.
Nach dem konstruktiven Verlauf der Beratungen bleibt die Frage, was die schon so oft für tot erklärten GroKo noch vor der Wahl alles bewegen kann. Eine verlässliche Antwort für die kommenden Monate ist nicht möglich. Und wie fragil die Harmonie ist, zeigten jüngst die Spannungen, nachdem die SPD immer heftiger Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für dessen Corona-Management kritisiert hatte. Manche in der Union erinnerte das Vorgehen an einen Untersuchungsausschuss. Fortsetzung folgt.
Das wurde un Koalitionsausschuss konkret beschlossen:
Kinderbonus: Familien erhalten wie schon im vergangenen Jahr einen Kinderbonus. Der Zuschlag auf das Kindergeld soll einmalig 150 Euro betragen. Er wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet, aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Im vergangenen Jahr betrug die einmalige Zahlung 300 Euro.
Corona-Zuschuss und Grundsicherung: Einen einmaligen Corona-Zuschuss von 150 Euro sollen nun auch erwachsene Grundsicherungsempfänger bekommen. Für plötzlich in Not geratenen Selbstständige und Beschäftigte mit kleinen Einkommen wird der erleichterte Zugang in die Grundsicherung bis Ende 2021 verlängert.
Unternehmen und Verlustrücktrag: Die große Koalition greift Unternehmen mit coronabedingten Verlusten stärker unter die Arme. Durch einen erweiterten Verlustrücktrag können sie diese Einbußen künftig in der Steuererklärung umfangreicher als bisher mit Gewinnen aus den Vorjahren verrechnen. Vorgesehen ist, den Verlustrücktrag zu verdoppeln - auf maximal 10 Millionen Euro beziehungsweise 20 Millionen bei einer Zusammenveranlagung.
Mehrwertsteuer und Gastronomie: Besonders hart vom Lockdown betroffen ist die Gastronomie. Noch bis Ende Juni gilt für Speisen in Cafés und Restaurants ein verringerter Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent. Nur: Da die Gastronomie seit Wochen geschlossen ist, nützt ihr dies nichts. Daher soll nun der verminderte Satz bis Ende 2022 weiter gelten.
Kultur: Das Rettungs- und Zukunftsprogramm "Neustart Kultur" wird verlängert. Dazu wird ein Anschlussprogramm mit einer Ausstattung von einer weiteren Milliarde Euro aufgelegt.
Kosten und Haushalt: Nach SPD-Angaben können die neuen Hilfen ohne einen Nachtragshaushalt im bestehenden Finanzrahmen finanziert werden. Der Corona-Zuschuss für Empfänger von Grundsicherung und der Kinderbonus kosten den Staat demnach etwa 3 Milliarden Euro, das Programm für die Kulturbranche 1 Milliarde. Die geringere Mehrwertsteuer in der Gastronomie schlage mit rund 3,5 Milliarden Euro zu Buche. Die finanziellen Auswirkungen der Steuerentlastungen für Unternehmen ließen sich derzeit noch schwer schätzen. (dpa)
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