Was Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag nur andeutete, hat ihr Kanzleramtschef deutlich ausgesprochen. Die Deutschen müssen sich darauf einstellen, dass die Beschränkungen des öffentlichen Lebens und der eigenen Freiheit noch bis zum Frühlingsanfang weitergehen werden, sagte Helge Braun. „Diese Zurückhaltung, die wir alle an den Tag legen müssen, das wird uns auch den Januar, Februar und März begleiten“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag in einem Fernsehinterview. Seine Einschätzung hat Gewicht, Braun ist Arzt. Nur wenig später erläuterte seine Chefin im Bundestag die am Vorabend mit den Bundesländern getroffene Pandemie-Politik.
Kanzlerin Angela Merkel über Corona: "Dieses Virus lässt sich nicht betrügen"
Gasthäuser und Kneipen bleiben genau wie Hotels (für Touristen) geschlossen, Fitnessstudios, Museen, Theater und Freizeiteinrichtungen dürfen nicht öffnen. Der November-Wellenbrecher wird zunächst formal bis zum 20. Dezember verlängert. Außerdem dürfen sich ab 1. Dezember nur noch höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten treffen - statt wie bislang zehn. Kinder unter 14 Jahren werden nicht mitgezählt.
Merkel machte aber deutlich, dass die Zumutungen vor Weihnachten nicht enden, sondern mit großer Sicherheit bis Januar anhalten. „Dieses Virus lässt sich nicht betrügen, es lässt sich nicht umgehen“, warnte sie in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Sie ließ sich einige Hintertüren offen, vermied es aber, die Deutschen auf eine längere Durststrecke einzuschwören.
Ausnahmen von den strengen Kontaktbeschränkungen sind nur zwischen Weihnachten und Neujahr erlaubt. Zehn Leute aus mehreren Haushalten dürfen dann zusammen feiern. In ihrer Rede im Bundestag versteckte die Kanzlerin aber nicht ihre Sorge vor Festtagen der Ansteckung – sei es zu Weihnachten oder Silvester. „Ich will ausdrücklich sagen, es muss jeder für sich mit sich ausmachen, ob das Maximum immer ausgeschöpft werden muss.“
FDP-Chef Christian Lindner befürchtet Verödung der Innenstädte durch Teil-Lockdown
Hoffnung macht der CDU-Politikerin die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes gegen den Corona-Erreger. „Das wir das Problem nicht sofort lösen, aber das ist ein Licht am Ende des Tunnels“, meinte sie. Sollte das Serum bereits im Dezember zugelassen sein, will die Regierung zunächst Mediziner, Krankenschwestern und Pfleger impfen lassen.
Die schärfste Kritik an der Pandemie-Politik von Bund und Ländern kam im Bundestag von der AfD. „Was Sie den Bürgern zumuten, ist inkonsistent, widersprüchlich, von zweifelhaftem Nutzen und durchtränkt von obrigkeitsstaatlicher Bevormundung“, beklagte Fraktionschefin Alice Weidel. Es gehe den Staat „schlicht nichts an“, wie Familien Weihnachten feierten. Weidel warf Merkel und den Ministerpräsidenten vor, den Handel durch die nun verordnete geringere Kundenzahl unnötig zu schädigen.
FDP-Chef Christian Lindner sah das genauso. „Wo ist die wissenschaftliche Evidenz dafür, dass das Virus mit zunehmender Verkaufsfläche gefährlicher wird?“, fragte er während der Debatte. Der Beschluss werde zu einer Verödung der Innenstädte führen. „Aus dem November-Wellenbrecher ist ein Dezember-Stillstand geworden“, sagte Lindner.
Das Virus breitet sich unterdessen weiter stark in Deutschland aus. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstagmorgen 22.268 neue Corona-Infektionen in den vergangenen 24 Stunden. Das sind rund 3600 Fälle mehr als am Mittwoch berichtet. Knapp 400 Menschen sind am Vortag an oder unter Beteiligung des Erregers gestorben.
Forschungsministerin Anja Karliczek: Erste Impfungen noch in diesem Jahr
Forschungsministerin Anja Karliczek äußerte derweil die Hoffnung, „dass wir noch vor Ende des Jahres erste Impfungen vornehmen können“. Die CDU-Politikerin verwies zur Begründung unter anderem auf die Beratungen der US-Arzneimittelbehörde FDA über eine Notfallzulassung von Anti-Corona-Seren am 10. Dezember und die öffentliche Videokonferenz der Europäischen Arzneimittel-Agentur einen Tag später. Die Zulassung der Impfstoffe in einem beschleunigten Verfahren bedeute nicht, dass Zugeständnisse an die Qualität gemacht würden, betonte Karliczek. Wenn es auch nur den leisesten Zweifel am Zulassungsverfahren geben würde, wäre das der „Todesstoß“ für das Vertrauen der Bevölkerung.
Die Ministerin betonte, dass es keine Impfpflicht geben werde. Sie sprach sich gleichzeitig dafür aus, einen Impfstoff den im Gesundheitswesen tätigen Menschen anzubieten.
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