„Wir befinden uns im Kriegszustand“ – so drastisch formuliert es US-Präsident und Demokrat Joe Biden martialisch. „Heute gibt es erschreckende Zahlen“ – mit diesen klaren Worten beschreibt Asa Hutchinson, der republikanische Gouverneur von Arkansas, die aktuelle Corona-Lage: Gerade noch acht Intensivbetten sind in seinem Bundesstaat frei. Im benachbarten Mississippi können schon 35 Krankenhäuser gar keine neuen Covid-Schwerkranken mehr behandeln. Und der Gouverneur von Texas, der Republikaner Greg Abott, ruft die Kliniken auf, alle nicht lebensnotwendigen Operationen zu verschieben.
Anderthalb Jahre nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie drohen sich die USA wieder den dramatischen Zuständen vom Januar dieses Jahres zu nähern. Damals wurde eine Rekordzahl von 250.000 Infektionen am Tag gemeldet. In den vergangenen sechs Wochen nun ist die tägliche Infektionszahl von rund 10.000 bis auf 125.000 hochgeschossen. Etwa 60.000 Menschen liegen inzwischen wegen Corona im Krankenhaus. Jeden Tag sind mehr als 500 Tote zu beklagen.
Corona-Pandemie: Die US-Regierung ergreift Gegenmaßnahmen
Unter dem Eindruck der rasanten Ausbreitung der Delta-Variante greift die amerikanische Regierung zu entschlossenen Gegenmaßnahmen: Spätestens zum 15. September führt das Verteidigungsministerium für alle Soldatinnen und Soldaten der US-Streitkräfte eine Impfpflicht ein. „Um diese Nation zu verteidigen, brauchen wir eine gesunde und einsatzbereite Truppe“, erklärte Verteidigungsminister Lloyd Austin. Präsident Biden unterstützt dessen Anordnung: „Diese Impfungen werden Leben retten. Punkt. Sie sind sicher. Sie sind wirksam.“
Betroffen von der Regelung sind rund 1,3 Millionen Angehörige des amerikanischen Militärs . Rund 65 Prozent von ihnen sind bereits voll gegen Covid-19 immunisiert. Grundsätzlich sind Zwangsimpfungen bei den US-Streitkräften nichts Ungewöhnliches. Schon jetzt sind 17 Impfungen unter anderem gegen Polio, Mumps und Masern vorgeschrieben. Doch in diesen Fällen sind die Vakzine von der Arzneimittelbehörde FDA längst zugelassen. Für den Covid-Impfstoff gibt es bislang in den USA nur eine Notfallgenehmigung. Nach amerikanischen Medienberichten wird in den nächsten Wochen mit der endgültigen Zulassung für das Vakzin von Biontech/Pfizer gerechnet. Von diesem Zeitpunkt an soll die Impfpflicht dann gelten.
Donald Trumps Zitate über Corona-Krise und Masken
"Wir haben es völlig unter Kontrolle. Es ist eine Person, die aus China kommt, und wir haben es unter Kontrolle. Es wird alles gut werden."
(Am 22. Januar im CNBC-Interview aus dem schweizerischen Davos; am Vortag war der erste Corona-Fall in den USA bekannt geworden.)
"Sie wissen, dass es im April angeblich mit dem heißeren Wetter stirbt. Und das ist ein wunderbares Datum, auf das man sich freuen kann."
(Am 10. Februar über das Virus im Fox-Business-Interview.)
"Bei uns geht es ganz erheblich nach unten, nicht nach oben."
(Am 26. Februar in einer Pressekonferenz über die Zahl der US-Corona-Fälle.)
"Die Fake-News-Medien und ihre Partner, die Demokratische Partei, tun alles in ihrer halbwegs beachtlichen Macht (früher war sie größer!), um die Corona-Lage stärker anzuheizen, als die Fakten es hergeben."
(Am 9. März auf Twitter.)
"Es ist ein hochansteckendes Virus. Unglaublich. Aber wir haben eine ungeheure Kontrolle darüber."
(Am 15. März in einem Pressebriefing.)
"Ich habe immer gewusst, dass das eine Pandemie ist. Ich hatte das Gefühl, dass es eine Pandemie ist, lange bevor es als Pandemie bezeichnet wurde."
(Am 17. März in einem Pressebriefing.)
"Wenn wir es so eindämmen können (...), dass wir zwischen 100 000 und 200 000 haben, dann haben wir alle zusammen einen guten Job gemacht."
(Am 29. März über Todesfälle und bevorstehende Maßnahmen.)
"Das ist freiwillig. (...) Ich habe mich entschieden, es nicht zu tun."
(Am 3. April über die Empfehlung an die US-Bevölkerung, Stoffmasken zum Schutz gegen das Virus zu tragen.)
"Die Coronavirus-Zahlen sehen VIEL besser aus, sie gehen fast überall runter. Wir machen große Fortschritte."
(Am 11. Mai in einem Tweet.)
"Es verschwindet. Es wird verschwinden."
(Am 17. Juni in einem Interview mit Fox News.)
"Im Vergleich zu den meisten anderen Ländern, die schrecklich leiden, schlagen wir uns sehr gut - und wir haben Dinge geschafft, die nur wenige andere Länder schaffen könnten."
(Am 21. Juli in einem Tweet.)
"Wir haben mehr Fälle, weil wir viel mehr als jedes andere Land getestet haben. 60 000 000. Wenn wir weniger testen würden, hätten wir weniger Fälle."
(Am 1. August in einem Tweet.)
"Haben Sie jemals einen Mann gesehen, der so gerne eine Maske trägt wie er? Und wenn er spricht, lässt er sie häufig am Ohr runterhängen. Weil, wisst Ihr was? Das lässt ihn sich sicherer fühlen. Wenn ich ein Psychiater wäre, würde ich sagen, der Junge hat eine Menge Probleme."
(Am 3. September bei einem Wahlkampfauftritt in Latrobe im Bundesstaat Pennsylvania über seinen demokratischen Herausforderer Joe Biden.)
"Ich denke, wir haben in der Pandemie vermutlich einen besseren Job als jedes andere Land gemacht, auf jeden Fall unter den großen Ländern der Welt."
(Am 10. September bei einem Wahlkampfauftritt in Freeland im Bundesstaat Michigan.)
"Habt Ihr seine Kreise gesehen, die Kreise? Wisst Ihr, warum die sie einzeichnen? Angeblich, um bei Covid korrekt zu sein, aber in echt ist es, weil sie nicht genug Leute finden, um den Raum zu füllen."
(Am 12. September bei einem Wahlkampfauftritt in Minden im Bundesstaat Nevada zu Veranstaltungen von Joe Biden, bei denen die Teilnehmer mit Hilfe auf dem Boden markierter Kreise Abstand halten.)
"Ich bin auf einer Bühne, das ist sehr weit weg, deswegen mache ich mir überhaupt keine Sorgen."
(Am 14. September am Rande eines Wahlkampfauftritts in einer Halle in Henderson im Bundesstaat Nevada auf die Frage einer Journalistin, ob er sich Sorgen mache, sich anzustecken.)
"Ich trage sie, wenn ich muss. Ich trage sie in Krankenhäusern und an anderen Orten. Eine Menge Leute wollen keine Masken tragen. Eine Menge Leute denken, dass Masken nicht gut sind. (...) Ich kann Ihnen sagen, wer das ist: Kellner. Sie kommen rüber und bedienen einen und sie fassen ihre Maske an und dann den Teller. Das kann nicht gut sein."
(Am 16. September in einer Fragestunde mit Wählern beim Sender ABC.)
"Ich trage die Maske nicht wie er. Jedes Mal, wenn man ihn sieht, trägt er eine Maske. Er könnte 200 Fuß entfernt von mir sprechen, er würde mit der größten Maske aufkreuzen, die man je gesehen hat."
(Am 29. September über Joe Biden in der ersten gemeinsamen TV-Debatte.)
Schon in der vergangenen Woche hatte das amerikanische Veteranenministerium eine Impfpflicht für sein Personal erlassen. Ähnliche Vorschriften gibt es in vielen demokratisch regierten Bundesstaaten. Am Montag führte der Bundesstaat Washington eine Impfpflicht für sämtliche Beschäftigten im Landesdienst und für Mitarbeiter des Gesundheitswesens ein. Nach Angaben der American Hospital Association schreibt inzwischen ein Viertel aller Kliniken in den USA seinem Personal die Spritze vor. Am Montag sprach sich die größte Lehrergewerkschaft der USA für eine Impfpflicht für Pädagogen aus.
Immer mehr US-Konzerne verlangen einen Impfnachweis von Kunden
Auch die Wirtschaft erhöht den Druck. So haben unter anderem der Fleischkonzern Tyson, der Inter-netriese Google und die Fluggesellschaft United Airlines eine Impfpflicht eingeführt. In New York können Restaurants, Fitnessstudios und Konzertsäle wie auch die Metropolitan Opera nur noch mit Impfnachweis besucht werden.
Doch der Kampf gegen die neue Corona-Welle wird weiter von maßgeblichen Republikanern sabotiert. So hindert der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, alle Schulen in seinem Bundesstaat daran, das Maskentragen vorzuschreiben. Mit täglich 27.000 Neuinfektionen und mehr als 120 Toten ist Florida einer der maßgeblichen Treiber der Pandemie in den USA. Auch der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, der nun wegen der täglich mehr als 12.000 Infektionen in seinem Bundesstaat alle nicht lebensnotwendigen Operationen verschieben lässt, hat im Mai per Verordnung den lokalen Behörden das Verhängen von Maskengeboten untersagt.