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Corona-Pandemie: Die Japaner begehren gegen die Corona-Regeln auf

Corona-Pandemie

Die Japaner begehren gegen die Corona-Regeln auf

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    Besonnene Japaner? Ja, aber nicht mehr um jeden Preis. Der Missmut nimmt zu. Zwei Frauen in Yokohama mit Kimono und Gesichtsmaske.
    Besonnene Japaner? Ja, aber nicht mehr um jeden Preis. Der Missmut nimmt zu. Zwei Frauen in Yokohama mit Kimono und Gesichtsmaske. Foto: Koji Sasahara, dpa (Symbolbild)

    „Ohayou gozaimaaasu!“, rufen die vier jungen Frauen in ihren rosafarbenen Mänteln und hüpfen auf der Stelle. „Guten Mooorgen!“, heißt das. Plötzlich reißen sie sich die wärmenden Kleidungsstücke vom Leib. Auf den Oberteilen ihrer Kostüme prangt in Blau auf Rot: „Cheers!“ Zu poppiger Musik, die aus einem mitgebrachten Lautsprecher hallt, tanzen sie, wedeln mit Pompons und lächeln. „Ganbatte kudasai!“, ruft eine der Tänzerinnen den Passanten hinterher. „Halten Sie durch!“ Ein Mann im Anzug lächelt verlegen zurück, verbeugt sich und geht ein bisschen zufriedener als zuvor weiter zum Eingang der Bahnhofsstation Shimbashi.

    Es ist einer der wenigen Lichtblicke, die Tokio in diesen Tagen zu bieten hat. Seit vergangenen Donnerstag, als die Regierung zum zweiten Mal in der Pandemie den Ausnahmezustand erklärte, wird das Leben in der Region um Tokio wieder heruntergefahren – auch wenn von einem Lockdown wie beispielsweise in Deutschland nicht die Rede sein kann.

    Die Infektionszahlen in Japan steigen rasant

    Angesichts der zuletzt rasant gestiegenen Infektionszahlen fordert die Politik nun von Betrieben, ihre Belegschaft zum Arbeiten im Homeoffice zu ermutigen. Die Gastronomie soll ab sieben Uhr abends keinen Alkohol mehr ausschenken und ab acht ganz schließen. Alle Menschen sollen abends ihr Haus möglichst nicht mehr verlassen.

    Ministerpräsident Yoshihide Suga hat mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen.
    Ministerpräsident Yoshihide Suga hat mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen. Foto: kyodo, dpa

    Es sind Forderungen, auf die wohl kaum eine Gesellschaft so besonnen reagieren würde wie die japanische. Seit Beginn der Pandemie hat das ostasiatische Land viele Menschen in der Welt damit beeindruckt, neue Verhaltensregeln ohne großen Widerspruch weitgehend mitzutragen. Auch weil man sich der Kooperation der Menschen sicher ist, droht die Regierung erst gar nicht mit Sanktionen bei Regelbrüchen. Wer nicht mitmacht, werde nur öffentlich beim Namen genannt, kündigte Premierminister Yoshihide Suga an.

    Ärzte in Japan entdecken Corona-Mutation

    Nachdem Ärzte in Japan am Wochenende eine weitere, bisher nicht bekannte Mutation des Virus entdeckt haben, wird die Marschroute nun noch mal bekräftigt. Damit sollte sich wirklich jeder dran halten.

    Doch wie lange funktioniert das noch? In dem Land, in dem in einem halben Jahr trotz allem die Olympischen Spiele starten sollen, ist es so schwierig wie noch nie in dieser Pandemie. Der auf Achtsamkeit, Zurückhaltung und Geduld basierende soziale Zusammenhalt scheint gefährdet. Mitte Dezember sorgte ausgerechnet Premierminister Suga für Unmut, weil er an einer größeren Party mit Politikern, Sportklubchefs und anderen Prominenten teilgenommen hatte.

    Olympische Spiele: Das Wichtigste in Kürze

    Die Olympischen Spiele finden vom 23. Juli bis zum 8. August 2021 in Japans Hauptstadt Tokio statt. In der Metropolregion leben fast 37,5 Millionen Menschen.

    Für die Sommerspiele waren bei der Bewerbung noch 6,6 Milliarden US-Dollar veranschlagt worden; derzeit werden Kosten von um die 20 Milliarden US-Dollar (knapp 18 Milliarden Euro) erwartet. Einschließlich des Stadions werden acht Wettkampfstätten gebaut, 25 gab es bereits. Zehn weitere werden nur für die Spiele genutzt.

    Neu im Programm sind die Sportarten Karate, Sportklettern, Skateboard und Surfen. Wieder olympisch ist Base- und Softball.

    Von den Landsleuten hatte er gleichzeitig gefordert, sie mögen Zusammentreffen von mehr als vier Personen vermeiden. Die Zustimmungswerte von Suga sind zuletzt auf rund 40 Prozent gefallen. Wäre nicht gerade eine Pandemie, flüstert man in Tokios Regierungsbezirk, hätte er womöglich schon Neuwahlen ausrufen müssen. Und dann berichtete die Tageszeitung Mainichi Shimbun, dass sich 18 wohlhabende und einflussreiche Personen im Land schon heimlich haben impfen lassen. Offiziell werden die anderswo bereits zugelassenen Impfstoffe von japanischen Behörden noch geprüft, erst ab Februar soll die Impfkampagne hier beginnen. Doch offenbar sind CEOs großer Unternehmen und Politiker von Personen aus dem Zirkel der Kommunistischen Partei Chinas kontaktiert und bereits behandelt worden.

    Ein CEO sagte demnach: „Würde ich infiziert werden, entstünde der Eindruck, ich könne mich nicht kontrollieren. Das wäre schlecht für das Ansehen des Unternehmens.“ Und auf die abendlichen Meetings mit anderen Managern könne er nicht verzichten. Er wisse, dass er damit vermutlich in ein illegales Geschäft verwickelt sei. „Ich dachte mir, ich musste es trotzdem tun.“ Außerdem könne es sein, dass durch die Bereitstellung der Impfdosen auch gute Kontakte ins sonst rivalisierende China entstehen würden.

    Japanische Eliten nehmen sich Sonderrechte heraus

    Nehmen sich im Japan dieser Tage nicht nur Eliten Sonderrechte heraus, sondern profitiert davon auch noch die politische Elite Chinas, deren anfängliche Vertuschung des Virus zur Verbreitung der Pandemie beitrug? Es sind Fragen, die den sozialen Frieden erheblich stören können.

    „Ich kann es nicht glauben“, sagt eine junge Frau am frühen Abend in einer Bar in Tokio, kurz bevor diese wegen des gerade verkündeten Lockdowns schließen muss. „Normale Leute müssen Opfer bringen und halten sich daran. Wir warten seit einem Jahr, dass diese Situation endet, und jetzt warten diejenigen, die sich impfen lassen wollen, auch auf ihre Dosis.“ Und dann tanzen einige, die es sich offenbar leisten und erlauben können, einfach aus der Reihe? Es sind ungewohnt deutliche Beschwerden, die immer häufiger zu hören sind.

    Eine Quarantänebeamtin macht am Flughafen Tokio-Narita einen Corona-Antigentest bei einem Passagier .
    Eine Quarantänebeamtin macht am Flughafen Tokio-Narita einen Corona-Antigentest bei einem Passagier . Foto: kyodo, dpa

    Neben dem Verhalten, das mehrere einflussreiche Personen zuletzt gezeigt haben, wird auch die Politik der Regierung zusehends kritisiert. Zwar ist Japan mit bislang knapp 300.000 Infektionen auf den ersten Blick nicht ganz so stark vom Virus betroffen. Zum Vergleich: Deutschland, das etwa 45 Millionen Einwohner weniger hat, nähert sich der Zwei-Millionen-Marke. Die Zahl der Toten in Zusammenhang mit Covid-19 liegt in Japan bei etwa 4200 (Deutschland 42.000). Doch Experten haben schon länger die Erklärung des Ausnahmezustands und damit einen Lockdown gefordert. Und dies nicht nur für Tokio, sondern für das ganze Land.

    Der Notstand in Japan wird ausgeweitet

    Am Mittwoch reagiert Premier Suga. Der Notstand wird auf sieben weitere Präfekturen ausgeweitet. Er gilt zunächst bis 7. Februar für nun elf Präfekturen, darunter Kyoto, Osaka und Fukuoka. Diese Präfekturen machen mehr als die Hälfte der Bewohner Japans und rund 60 Prozent der Wirtschaftleistung aus.

    Ein besonders lauter Befürworter ist Toshio Nakagawa, der Präsident der nationalen Ärztevereinigung. Noch bevor Premierminister Suga letzten Donnerstag den Beschluss für die Region um Tokio traf, hatte Nakagawa aus Perspektive seines Berufsstands gesagt: „Die Situation ist sehr ernst, und ich denke, jeder ist der Meinung, die Maßnahmen sollten nicht auf die Hauptstadtregion beschränkt sein.“

    Chronologie der Corona-Pandemie 2020 in Eilmeldungen

    Mehr als 600 Eilmeldungen hat die Deutsche Presse-Agentur bis Dezember 2020 allein zum Corona-Virus gesendet. Die Überschriften dokumentieren die Zeitspanne von den ersten Hinweisen auf eine Ausbreitung der Viruserkrankung bis zu den jüngsten Erfolgen bei der Impfstoffentwicklung. Ein Überblick:

    Januar

    22.1. WHO ruft wegen Virus in China vorerst keine "internationale Notlage" aus

    24.1. Zwei Fälle der neuen Lungenkrankheit in Frankreich nachgewiesen

    28.1. Erster Coronavirus-Fall in Deutschland bestätigt

    30.1. Coronavirus in China: WHO erklärt internationale Notlage

    Februar

    15.2. Frankreich meldet ersten Coronavirus-Todesfall in Europa

    22.2. Italien will mit Coronavirus betroffene Städte abriegeln

    29.2. Erster Coronavirus-Todesfall in den USA

    März

    9.3. Coronavirus: Landrat meldet ersten Todesfall in Deutschland

    11.3. WHO bezeichnet Verbreitung des neuen Coronavirus als Pandemie

    12.3. USA erlassen wegen Coronavirus 30-tägigen Einreisestopp aus Europa

    12.3. CDU verschiebt Parteitag wegen Corona-Krise

    12.3. Merkel: Wegen Coronavirus auf Sozialkontakte weitgehend verzichten

    12.3. Bund und Länder: Ab Montag alle planbaren Operationen verschieben

    13.3. UEFA stoppt vorerst Spielbetrieb im Fußball-Europapokal

    13.3. NRW schließt nächste Woche alle Schulen

    (plus 14 weitere Eilmeldungen zu Schulschließungen in anderen Bundesländern)

    13.3. DFL: Fußball-Bundesliga stellt Spielbetrieb vorerst ein

    13.3. Trump ruft wegen Coronavirus nationalen Notstand aus 

    16.3. Regierung schlägt Schließung von Läden vor - Supermärkte aber offen

    17.3. Maas startet Rückholaktion für im Ausland festsitzende Deutsche

    17.3. Bundesregierung spricht weltweite Reisewarnung aus 

    17.3. Fußball-EM wegen Coronavirus um ein Jahr verschoben

    17.3. Nur noch EU-Bürger sollen nach Deutschland reisen dürfen

    18.3. Österreich kontrolliert ab Mitternacht Grenze zu Deutschland

    19.3. Coronavirus-Pandemie: Italien meldet mehr Tote als China

    21.3. Mietern soll in Krise nicht gekündigt werden dürfen

    22.3. Bund und Länder wollen Restaurants unverzüglich schließen

    24.3. IOC bestätigt: Olympia in Tokio wird verschoben

    25.3. Historisches Hilfspaket in Corona-Krise beschlossen

    27.3. Corona-Pandemie: Italien meldet fast 1000 Tote an einem Tag

    April

    2.4. Weltweit mehr als eine Million nachgewiesene Coronavirus-Infektionen

    6.4. Kreise: Zwei Wochen Quarantäne bei Rückkehr nach Deutschland

    6.4. Corona-Infektion: Britischer Premierminister auf Intensivstation

    15.4. Bund will Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter ermöglichen

    15.4. Schulstart in Deutschland schrittweise ab 4. Mai geplant

    17.4. Spahn: Ausbruch ist beherrschbar geworden

    21.4. Saison in Handball-Bundesliga abgebrochen

    22.4. Erste klinische Studie zu Corona-Impfstoff in Deutschland zugelassen

    23.4. Merkel: Länder in Corona-Krise teils zu forsch

    28.4. Nun bundesweite Maskenpflicht auch im Einzelhandel

    30.4. Betriebe melden für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit an

    Mai

    5.5. Wirtschaftsminister der Länder wollen Gastronomieöffnung ab 9. Mai

    6.5. Bund will Öffnung aller Geschäfte in Corona-Krise erlauben

    6.5. Politik erlaubt Geisterspiele der Fußball-Bundesliga ab Mitte Mai

    13.5. Bundesregierung beschließt Lockerung der Grenzkontrollen

    15.5. Deutsche Wirtschaft bricht in der Corona-Krise ein

    26.5. Bund und Länder einig: Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni

    Juni

    9.6. Deutscher Export bricht im April um mehr als 30 Prozent ein

    16.6. Offizielle Corona-Warn-App steht zum Download bereit

    17.6. Großveranstaltungen werden mit Ausnahmen bis Ende Oktober verboten

    17.6. Schulen sollen nach Sommerferien wieder komplett öffnen können

    23.6. Zahlreiche Einschränkungen nach Corona-Ausbruch bei Tönnies

    25.6. EU-Kommission genehmigt Rettungspaket für Lufthansa

    29.6. Bundestag beschließt Mehrwertsteuersenkung und Familienbonus

    Juli

    3.7. Arznei Remdesivir erhält europäische Zulassung für Covid-19

    7.7. Brasiliens Präsident Bolsonaro mit Coronavirus infiziert

    22.7. Corona-Tests bei Einreise aus Risikogebieten sollen Pflicht werden

    30.7. Deutsche Konjunktur bricht dramatisch ein

    30.7. Historischer Konjunktureinbruch in den USA wegen Corona-Krise

    August

    11.8. Putin: Russland lässt Impfstoff gegen Coronavirus zu

    14.8. Reisewarnung des Auswärtigen Amts für fast ganz Spanien samt Mallorca

    27.8. Bund und Länder: Großveranstaltungen bis Ende des Jahres verboten

    September

    29.9. Feiern in öffentlichen Räumen auf 50 Teilnehmer beschränkt

    30.9. Neue Corona-Risikogebiete in elf europäischen Ländern

    Oktober

    2.10. US-Präsident Trump und First Lady positiv auf Coronavirus getestet

    7.10. Länder: Beherbergungsverbot für Reisende aus Risikogebieten

    8.10. Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigen sprunghaft auf über 4000

    14.10. Beschluss: Sperrstunde um 23 Uhr für Gastronomie in Corona-Hotspots

    14.10. Bund und Länder wollen striktere Kontaktbeschränkungen in Hotspots 

    14.10. Frankreich führt Gesundheitsnotstand wieder ein 

    15.10. RKI meldet Rekordwert bei Corona-Neuinfektionen in Deutschland

    21.10. Gesundheitsminister Spahn positiv auf Corona getestet

    26.10. CDU-Spitze verschiebt Parteitag zur Vorsitzendenwahl ins nächste Jahr

    28.10. Bund und Länder: Beginn von Kontaktbeschränkungen am 2. November

    28.10. Bund und Länder wollen Gastronomiebetriebe vorübergehend schließen

    November

    2.11. Teil-Lockdown startet: Öffentliches Leben wird heruntergefahren

    9.11. Biontech veröffentlicht vielversprechende Daten zu Corona-Impfstoff

    16.11. Auch US-Konzern Moderna legt positive Daten zu Corona-Impfstoff vor

    16.11. Bund und Länder appellieren: Keine privaten Feiern mehr

    18.11. Bundestag beschließt Änderungen beim Infektionsschutzgesetz

    25.11. Private Zusammenkünfte werden auf fünf Personen begrenzt

    25.11. Bund und Länder lockern Kontaktbeschränkungen für Weihnachten

    30.11. Moderna will Zulassung für Corona-Impfstoff in EU beantragen

    Dezember

    1.12. Biontech und Pfizer beantragen EU-Zulassung für Corona-Impfstoff

    2.12. Biontech und Pfizer: Großbritannien lässt Corona-Impfstoff zu

    2.12. Bund und Länder: Teil-Lockdown wird bis in den Januar verlängert

    9.12. Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet "Querdenken"-Bewegung

    12.12. Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer erhält US-Notfallzulassung

    13.12. Bund und Länder beschließen harten Lockdown ab dem 16. Dezember 

    13.12. Bund und Länder beschließen Versammlungsverbot an Silvester

    13.12. Möglichst keine Schul- und Kita-Besuche ab Mittwoch bis 10. Januar

    13.12. Bund erhöht Corona-Finanzhilfen für Unternehmen

    19.12. Corona-Impfstoff von Moderna erhält Notfallzulassung in den USA

    21.12. EMA empfiehlt erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs in der EU

    21.12. EU-Kommission genehmigt Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer

    22.12. Bayern führt Corona-Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten ein

    (dpa)

    Nach Nakagawas Urteil ist das Gesundheitssystem in Japan mit seiner hohen Zahl an gebrechlichen Senioren schon jetzt „im Prinzip kollabiert“. Eine Erhebung der Nachrichtenagentur Kyodo von Anfang Dezember unter 87 Krankenhäusern bestätigt dies. Unter den Kliniken, die auf die Anfrage reagierten, gab die Mehrheit an, es fehle ihnen schon jetzt Personal, das Covid-19-Patienten behandeln kann. In knapp der Hälfte der Krankenhäuser mangelt es außerdem an Kapazitäten für Nicht-Corona-Patienten.

    Zu wenig Personal für japanische Krankenhäuser

    „Es wird sogar zusehends schwierig, Notfallpatienten aufzunehmen“, sagte Michinori Shirano, Chefarzt im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Osaka, Ende vergangener Woche japanischen Medien. Eine Aufstockung des Krankenhauspersonals plant dennoch mehr als die Hälfte der Krankenhäuser nicht. Denn man weiß nicht, woher die Leute für die neuen Stellen kommen sollen. „Es gibt nicht genügend Ärzte und Pfleger“, sagt Toshio Nakagawa. „Selbst wenn wir die Zahl der Betten erhöhen sollen: Was nicht geht, geht nicht.“

    Über Jahre hat Japans Politik eine restriktive Einwanderungspolitik verfolgt, die es trotz klaffenden Arbeitskräftemangels vermieden hat, dass auch mehr Pflegekräfte und Ärzte ins Land kommen können. Als dann 2019 nach viel politischem Tauziehen ein neues Arbeitsmigrationsgesetz in Kraft trat, hieß es, es würden 60.000 Pflegekräfte für befristete Verträge angeworben. Doch mit diesen Ausmaßen wird sich das Problem nicht annähernd lösen. Schon ein Jahr später ergab eine Schätzung, dass es dem Land bis 2025 an 270.000 Pflegerinnen und Pflegern fehlen wird.

    Einer von denen, die Japans Gesundheitssystem hätte haben können, ist Ezekiel Ramat. Der 32-Jährige zog vor zehn Jahren von den Philippinen nach Japan, um im südwestjapanischen Tokushima als Pfleger zu arbeiten. Per Chat schreibt er heute aus seiner Heimat: „Im Krankenhaus haben sie mich gut behandelt. Aber ich hab nur zwei Drittel des Lohns meiner japanischen Kollegen bekommen.“ Und als sein befristeter Vertrag auslief, hätte er zwar verlängern können. „Aber ich wollte meine Freundin heiraten und ich konnte sie nicht nach Tokushima bringen.“ So verließ er das Land wieder. Ezekiel Ramat weiß: „Japan braucht dringend Pflegekräfte. Aber Arbeit und Entlohnung passen ehrlich gesagt nicht zusammen.“

    Die Grenzen sind wegen Corona dicht in Japan

    Es ist dieses Japan mit seinem akuten Arbeitskräftemangel, das auch zu Anfang der Pandemie nicht etwa versucht hat, verfügbares Personal anzuwerben. Stattdessen schloss man die Grenzen. Selbst Ausländer, die einen Aufenthaltsstatus in Japan haben, konnten während der Pandemie monatelang nicht mehr ins Land reisen, sofern sie es einmal verlassen hatten. Auch in der aktuellen Infektionswelle sind die Grenzen wieder dicht.

    Die Olympischen Spiele in Tokio wurden von 2020 auf 2021 verschoben.
    Die Olympischen Spiele in Tokio wurden von 2020 auf 2021 verschoben. Foto: Eugene Hoshiko/AP, dpa

    In internationalen Kreisen im Land hat sich Unzufriedenheit aufgestaut. Barbara Holthus, Vizedirektorin des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio, sagte schon im Sommer: „Man fragt sich mittlerweile schon: Wie erwünscht ist man hier eigentlich?“

    Argwohn ist in den letzten Monaten ein weit verbreitetes Gefühl geworden. Dabei soll Japans Hauptstadt ab 23. Juli, also in einem halben Jahr, die Olympischen Spiele veranstalten. Die größte Sportveranstaltung der Welt soll ein Fest des internationalen Austauschs werden. Offizielles Motto: „United by Emotion“, vereint in Emotion.

    80 Prozent der Japaner wollen kein Olympia

    Derzeit könnte kaum etwas ferner der Realität sein. Eine Umfrage ergab zuletzt, dass 80 Prozent der Menschen in Japan gegen die Veranstaltung in diesem Sommer ist. Vor allem die gesundheitliche Lage bereitet Sorgen. Und wie schnell sich diese unter Kontrolle bringen lässt, ist noch ungewisser geworden.

    Abrupt aufstocken und verstärken konnte man zuletzt offenbar nur die Zahl der Cheerleaderinnen in der Hauptstadt. Davon gibt es mittlerweile gut 1000, die täglich an den Bahnhofseingängen Tokios diejenigen anfeuern, die weiterhin jeden Morgen zur Arbeit pendeln müssen.

    An einem dieser Morgen hüpfen sie auch vor dem Bahnhof Ikebukuro umher. Eine von ihnen grinst über jeden Missmut hinaus und ruft den Menschen zu: „Ganbatte kudasai!“ Halten Sie durch!

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