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Corona-Pandemie: Corona ohne Ende? Wie wir jetzt unseren Sommer retten können

Corona-Pandemie

Corona ohne Ende? Wie wir jetzt unseren Sommer retten können

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    Die Deutschen wünschen sich einen unbeschwerten Sommer. Wie ist dieser trotz Corona möglich?
    Die Deutschen wünschen sich einen unbeschwerten Sommer. Wie ist dieser trotz Corona möglich? Foto: Kirsten Neumann, dpa

    Es kommt nicht oft vor in diesen Tagen, dass der Blick in die Zukunft so etwas wie vorsichtigen Optimismus zulässt. Je länger die Corona-Pandemie anhält, umso verzagter werden Politiker wie Bevölkerung. Streit überlagert die Suche nach einem Weg aus der Krise. Doch die Forschung liefert nun einen Lichtblick: Im Sommer könnte wieder ein halbwegs normales Leben möglich sein – zwar mit Hygieneregeln und womöglich auch unter dem Verzicht auf Großveranstaltungen.

    Doch immerhin: Ein Ende des Lockdowns ist in Sicht. Voraussetzung für einen unbeschwerten Sommer sei allerdings, die Infektionszahlen jetzt so niedrig wie möglich zu halten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Viola Priesemann, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Die Forschenden haben für eine Studie berechnet, wie stark die sozialen Kontakte mit fortschreitenden Impfungen zunehmen können, ohne dass die Zahl der Covid-19-Fälle steigt und Lockerungen wieder zurückgenommen werden müssen.

    Expertin rät: Vor Öffnungen sollte zuerst die Inzidenz sinken

    Die Erkenntnisse passen in die politische Diskussion der vergangenen Tage. Immer lauter rufen einzelne Ministerpräsidenten nach Öffnungen, gehen teils sogar eigene Wege und riskieren damit den Konflikt mit dem Kanzleramt. Die Berechnungen von Priesemann geben der Gruppe der Vorsichtigen recht. Denn sie machen deutlich: Mit hohen Inzidenzen wird der Weg aus der Krise zumindest beschwerlicher – und auch länger. "Wir stehen am Scheideweg, ob wir bei niedriger Inzidenz öffnen oder bei hoher", sagt die Physikerin.

    Viola Priesemann ist Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation.
    Viola Priesemann ist Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Foto: Jürgen Heinrich, imago

    Sie hat für beide Szenarien die Folgen berechnet. "Die Öffnungsschritte sind in beiden Fällen so gut wie gleich, aber die Anzahl der Menschen mit Langzeitfolgen und der Todesfälle ist bei hoher Inzidenz viel größer, wobei zunehmend Jüngere betroffen sind", sagt die Wissenschaftlerin. Ihr Rat: "Um niedrige Inzidenzen zu halten oder zu erreichen, müssen wir uns noch ein wenig gedulden, können dann aber sogar etwas schneller öffnen als bei hohen Fallzahlen." Denn auch die Kontrolle des Virus gelingt leichter mit niedrigen Inzidenzen: Bei hohen Fallzahlen funktioniert die Kontaktverfolgung durch die Gesundheitsämter nicht mehr ausreichend, dadurch lassen sich Infektionsketten kaum mehr unterbinden, das Infektionsgeschehen kann wieder in ein exponentielles Wachstum rutschen. "Das hat zur Folge, dass wir erst zum Spätsommer an dem Punkt sind, an dem nur noch moderate Beschränkungen notwendig sind", sagt Viola Priesemann. Die Erfahrung aus der zweiten Welle hat gezeigt, dass für eine Kontrolle der Infektionen eine Inzidenz von deutlich unter 50 erforderlich ist.

    Der Impffortschritt ist entscheidend um die Inzidenz dauerhaft niedrig zu halten

    Die 38-Jährige gehört zu den führenden Corona-Experten in Deutschland, ist wichtige Beraterin der Bundesregierung. Mit ihren Modellierungen, also statistischen Vorhersagen, prägt sie die Krisen-Politik. "Wenn wir die Freiheiten jetzt steigen lassen, klingt das erst mal gut. Aber sobald man eine Grenze überschreitet, füllen sich die Intensivstationen und wir müssen die Freiheiten wieder zurücknehmen", sagt sie. Die Lockerungen wären also nur von kurzer Dauer. "Wenn man sich entschließt, erst mal die Fallzahlen runterzubringen, muss man sich jetzt noch gedulden, aber etwa ab Mai oder Juni können wir dafür schneller öffnen."

    Die Einhaltung der AHA+LA Regeln, vermehrte Tests sowie der Verzicht auf große Veranstaltungen dürften dann schon reichen, um die Inzidenz niedrig zu halten. Der Fortschritt in dieser Krise hänge nämlich ganz wesentlich auch mit dem Impffortschritt zusammen – und der wird sich Monat für Monat steigern. Bis Anfang Mai sollen nach Angaben von Ministerpräsident Markus Söder 20 Prozent der bayerischen Bevölkerung eine Erstimpfung gegen das Coronavirus erhalten haben. Im April soll mit etwa zehn Modellprojekten das Impfen bei größeren Arbeitgebern durch deren Betriebsärzte beginnen.

    Verschwunden sein wird Covid aber auch dann noch nicht. "Es ist leider nicht so, dass das Impfen der über 60-Jährigen ausreicht, um die Intensivstationen leer zu bekommen", sagt die Modelliererin und Physikerin Priesemann. Dort liegen zunehmend jüngere Patienten. "Die Impfung bringt uns zudem einen sehr guten, aber keinen 100-prozentigen Schutz vor einer Ansteckung oder vor einem schweren Verlauf." Hinzu komme, dass Kinder und Jugendliche bislang nicht geimpft werden können und es zudem einen gewissen Prozentsatz in der Bevölkerung geben wird, der sich nicht impfen lassen will. "Die könnten dann eine Art Reservoir bilden für das Virus", sagt die Wissenschaftlerin. Außerdem: Der Impfschutz hält nicht auf ewig an, er braucht gegen Ende des Jahres wahrscheinlich eine Auffrischung. Wann, das wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

    Fluchtmutanten können Erfolge zunichtemachen

    Doch ein anderer Faktor bereitet ihr weit größere Sorgen. Je stärker sich das Virus jetzt ausbreiten kann, desto größer ist die Gefahr, dass sich sogenannte Fluchtmutanten bilden. Das sind Virus-Mutationen, die dem Impfschutz zumindest teilweise entgehen und damit Erfolge zunichtemachen. Auch deshalb sei es immens wichtig, die Grenzen weiterhin zu kontrollieren und Einreisende zu testen.

    In Brasilien habe sich eine Fluchtvariante bereits ausgebreitet, das Land hat enge Beziehungen zu Portugal und damit zu Europa. "Wir brauchen Tests an den europäischen und am besten auch an den nationalen Grenzen –und das auch für geimpfte Personen, denn auch die können das Virus weitertragen", sagt Viola Priesemann. "Ich sehe deshalb auch überhaupt keinen Grund für große Erleichterungen für Geimpfte bei Reisen." Die Fluchtvariante dürfe sich nicht verbreiten, sonst wären alle optimistischen Vorhersagen hinfällig. Im schlimmsten Fall muss wegen einer Fluchtmutante mit dem Impfen wieder ganz oder teilweise von vorne begonnen werden. Eine generelle Untersagung touristischer Auslandsreisen, wie sie Kanzlerin Angela Merkel ins Spiel gebracht hatte, ist derzeit politisch allerdings nicht durchsetzbar.

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