Selbst wenn im Laufe des Jahres mit Massenimpfungen das Coronavirus eingedämmt werden sollte, wird die Pandemie Spuren im Gesundheitssystem hinterlassen. Der SPD-Experte Karl Lauterbach fordert deshalb langfristige Lehren aus der Corona-Pandemie auch für andere Bereiche. Die Gesundheitspolitik müsse sich viel stärker auf Vorbeugung ausrichten, damit es auch bei anderen Krankheiten weniger gefährdete Risikopatienten gibt.
„Wir müssen vor allem den Bereich der öffentlichen Gesundheitsfürsorge wieder neu aufbauen“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. „Die Tatsache, dass wir in Deutschland bei Corona eine relativ hohe Sterblichkeit pro Infizierten haben, liegt nicht nur an unserer Altersstruktur, sondern an einer weiten Verbreitung von Risikofaktoren“, betont der Epidemiologe. „Da müssen wir viel mehr für Prävention tun.“ Lauterbach sieht dies als klare Staatsaufgabe: „Wir brauchen als zentrale Institution wieder ein Bundesgesundheitsamt, das sich für die öffentliche Gesundheit starkmacht“, betont der SPD-Politiker. „Und wir müssen flächendeckend den öffentlichen Gesundheitsdienst massiv aufbauen, auch um mehr Vorbeugemedizin zu betreiben“, fordert Lauterbach.
Altes Bundesgesundheitsamt wurde nach Skandal aufgelöst
Ein Bundesgesundheitsamt gab es über 40 Jahre lang in Deutschland, doch im Juni 1994 wurde es wegen eines Skandals aufgelöst. Als Bundesgesundheitsminister entließ der CSU-Politiker Horst Seehofer den damaligen BGA-Präsident Dieter Großklaus und empfahl dem Bundestag die Abschaffung der Behörde. Auslöser waren Enthüllungen, dass das Amt jahrelang vertuscht hatte, das tausende deutsche Bluterkranke mit HIV-verseuchten Plasmaspenden infiziert wurden. Das Amt wurde aufgespalten, das untergeordnete Bundesinstitut für Arzneimittel, das Robert-Koch-Institut und andere Einrichtungen wurden eigenständige Bundesbehörden.
Für Lauterbach soll sich ein neues Bundesgesundheitsamt ganz dem Bereich „Public Health“ verschreiben, wie man das Fachgebiet der Vorbeugung von Krankheiten, Förderung der Gesundheit und Verlängerung des Lebens nennt.
Pandemie ein Ausblick auf Pflegenotstand?
Als weitere zentrale Corona-Lehre aus der Pandemie fordert der SPD-Politiker die Stärkung der Pflege: „Wir sehen in der Pandemie, was an Pflegenotstand auf uns zukommen könnte, wenn wir den Beruf nicht endlich attraktiver machen“, sagt er. Bei der Krankenhausfinanzierung sei deshalb als Wichtigstes eine massive Aufwertung der Pflege notwendig. „Wir müssen die Pflege deutlich besser bezahlen“, betont Lauterbach. „Der Abstand des Gehalts zwischen Pflege- und ärztlichem Personal muss verkleinert werden“, fordert der Gesundheitsexperte. „Die Pflege sollte auch im Vergleich zu anderen Berufen höhergestellt werden, denn diese Arbeit ist ganz entscheidend für die Qualität unseres Gesundheitssystems.“
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