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Corona-Krise: Söder gegen Laschet: Was steckt hinter dem Kampf der Krisenmanager?

Corona-Krise

Söder gegen Laschet: Was steckt hinter dem Kampf der Krisenmanager?

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    Hatten einen heftigen Disput: Armin Laschet und Markus Söder.
    Hatten einen heftigen Disput: Armin Laschet und Markus Söder. Foto: Roland Weihrauch/Sven Hoppe, dpa

    In großen Krisen entscheiden sich die Karrieren von Politikern, verschieben sich Machtverhältnisse. 2002 etwa musste ein angeschlagener Kanzler Gerhard Schröder um seine Wiederwahl fürchten, als die Elbe über die Ufer trat. In Gummistiefeln und grüner Regenjacke präsentierte sich Schröder inmitten der Fluthelfer als volksnaher Macher. Und setzte sich an den Urnen gegen seinen Kontrahenten Edmund Stoiber durch. Schröder hatte ein prominentes Vorbild: Sein SPD-Genosse Helmut Schmidt legte einst als Hamburger Innensenator mit entschlossenem Handeln bei der schweren Elbflut 1962 die Grundlage für seine spätere Kanzlerschaft.

    Noch weiß niemand, wie viele Menschenleben die Corona-Pandemie fordern wird und wie hoch die wirtschaftlichen Schäden ausfallen werden. Schon jetzt aber hat die Krise das politische Koordinatensystem im Land verändert. So zeigt das Vorgehen von CDU und CSU beim Wahlvolk bereits Wirkung. Die Umfragewerte sind gestiegen, die Union hat dem Meinungsforschungsinstitut Forsa zufolge auf 32 Prozent zugelegt und ist nur noch knapp einen Prozentpunkt hinter ihrem Wahlergebnis von 2017. Doch ausgerechnet der Mann, der bislang die größten Chancen hatte, neuer CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union zu werden, gerät dabei in die Defensive.

    Markus Söder stiehlt Armin Laschet in der öffentlichen Wahrnehmung die Schau

    Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet muss zusehen, wie ihm der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend die Schau stiehlt. Der Bayer hat deutlich mehr Medienpräsenz, ist viel mehr gefragt als Laschet. Auch, weil der CSU-Chef immer wieder mit Ideen und Maßnahmen vorprescht, auf die der Nordrhein-Westfale nur noch reagieren kann.

    Beide Politiker sind sichtlich bemüht, den Eindruck eines Streits zu vermeiden, und in der Tat muss ihnen zugestanden werden, dass es ihnen zuerst um die Sache, also den Kampf gegen das Virus geht. Aber Politik wird eben nicht nur von Sachthemen geprägt. Es geht um den Eindruck in der Öffentlichkeit, es geht um Beliebtheitswerte, um den Rückhalt in der eigenen Partei.

    Laschet hat da bekanntlich noch viel vor. Er will Nachfolger der glücklosen Annegret Kramp-Karrenbauer als Vorsitzender der CDU werden. Und nimmt damit auch für sich in Anspruch, den Kanzlerkandidaten der Union vorzuschlagen. Mindestens. Denn Beobachter gehen davon aus, dass der CDU-Politiker, so er sich denn gegen seine Kontrahenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen durchsetzen kann, selbst seinen Hut in den Ring werfen wird. Was er aber gemäß den Regeln in der Union wiederum nur tun kann, wenn Söder zustimmt.

    Wird Söder nach der Corona-Krise zum Spitzenkandidaten der Union?

    Dem Bayern wird zwar nachgesagt, dass er die K-Karte, wenn überhaupt, erst später ziehen will. Doch der Kampf gegen das Corona-Virus schafft gerade Fakten, und die könnten am Ende solch eine Macht entwickeln, dass sie auch die K-Frage entscheiden. Sollte sich Söder am Ende als der fähigere Krisen-Politiker entpuppen, dürften viele in CDU und CSU darauf dringen, dass er auch Spitzenkandidat der Union wird.

    Kanzlerin Angela Merkel befindet sich damit in der Zwickmühle. Sie setzt auf Laschet als neuen CDU-Chef und kann sich darüber freuen, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn diesem seine Unterstützung zugesagt hat. Andererseits darf sie es sich mit Söder nicht verderben. Der Bayer hat bereits mehrfach gezeigt, dass er durchaus bereit ist, die Interessen seines Bundeslandes vor die des Bundes zu stellen. Söder zeigte klare Kante, da darf Merkel nicht zaudern oder über Gebühr Rücksichten auf Politiker wie Laschet nehmen. Dies würde ihr sofort als Schwäche ausgelegt, womöglich würde auch erneut die Debatte aufflammen, ob Merkel noch die Richtige an der Spitze der Regierung ist – oder ob Söder es nicht besser machen würde.

    Laschets größter Konkurrent um den CDU-Vorsitz ist derzeit fast völlig außen vor. Friedrich Merz hat sich mit dem Corona-Virus angesteckt. Der Favorit der konservativen und wirtschaftsnahen Teile der Partei befindet sich in Quarantäne und informiert per Twitter täglich über seinen Gesundheitszustand. Seine grippeähnlichen Symptome sind demnach inzwischen zurückgegangen, geblieben ist ein hartnäckiger Schnupfen.

    Wie geht es eigentlich Friedrich Merz?

    Merz, der derzeit weder ein Regierungsamt noch ein Bundestagsmandat hat, hält sich mit wohlfeilen Ratschlägen an die Verantwortlichen zurück, lobt stattdessen Ärzte und Pflegepersonal. Der Mann, der seine Intimfeindin Angela Merkel so oft kritisierte, ruft seine Anhänger jetzt sogar dazu auf, sich die Corona-Rede der Kanzlerin anzusehen. Merz weiß, dass nichts in Krisenzeiten schlechter ankommt, als besserwisserische Zwischenrufe von denen, die faktisch nichts zu bestimmen haben. Dementsprechend hält sich auch Norbert Röttgen, der dritte Kandidat um den CDU-Vorsitz, mit Kritik an den Handelnden in der Corona-Ausnahmesituation zurück.

    Alle drei Bewerber um den CDU-Vorsitz kommen aus Nordrhein-Westfalen. Dort liegt mit dem Landkreis Heinsberg das deutsche Epizentrum der Corona-Epidemie. Offenbar hatte das Virus bei einer gut besuchten Karnevalssitzung beste Bedingungen zur Verbreitung gefunden. Auch Jens Spahn stammt aus dem westlichen Bundesland. Anders als Laschet konnte sich der 39-jährige Bundesgesundheitsminister in der Corona-Epidemie bisher als fähiger, zupackender Krisenmanager profilieren.

    Doch Spahn hat seine eigenen Ambitionen auf den Parteivorsitz zurückgestellt und sich auf Laschets Seite geschlagen. Sollte Laschet zwar CDU-Chef werden, aber angeschlagen aus einer langen Corona-Krise herausgehen, wäre Spahn wohl als Kanzlerkandidat wieder im Spiel. Vor allem dann, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt wären: Spahn müsste sich im Krisenmanagement weiter bewähren. Und er bräuchte die Unterstützung der CSU, bei der er seit Jahren Gastmitglied ist.

    Aufmerksam haben Beobachter registriert, wie harmonisch der gemeinsame Auftritt von Spahn und Söder vor einer Woche in München verlaufen ist. Wie ein Herz und eine Seele hätten die beiden gewirkt, heißt es, sodass umgehend Spekulationen aufkeimten, ob sich da eine neue strategische Allianz manifestierte. Die auf einen Kanzler Spahn von Söders Gnaden zielen könnte.

    Armin Laschet kämpft unterdessen fast verzweifelt gegen den Eindruck an, er lasse es inmitten des Corona-Albtraums an Tatkraft und Entschlossenheit fehlen. Bei der Telefonschalte der 16 Landeschefs am Sonntag griff er nach Darstellung von Teilnehmern Söder massiv an. Laschets Vorwurf an den Bayern, der laut einer Umfrage Deutschlands derzeit beliebtester Politiker ist, habe sinngemäß gelautet: Mit seinen Alleingängen bei Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen habe sich Söder auf Kosten der gesamtstaatlichen Solidarität profilieren wollen.

    In München herrscht Kopfschütteln über Laschets Vorwürfe

    In München sind die Anwürfe, der bayerische Ministerpräsident sei nun schon zweimal ohne Not vorgeprescht und nutze die Corona-Krise für taktische Scharmützel, gelinde gesagt mit Befremden aufgenommen worden. „Umgekehrt wird ein Schuh draus“, heißt es in der Staatskanzlei. Der Ablauf der Ereignisse bis zum Sonntagabend zeige doch ziemlich eindeutig, wer „all sein Tun und Wirken“ auf die Kanzlerkandidatur ausrichte und wer sich um das bestmögliche Krisenmanagement bemühe.

    Söder jedenfalls sei bei der Telefonschaltkonferenz vom Vorstoß Laschets überrascht worden. Dieser, so lautet die Münchner Version der Ereignisse, habe ein Papier vorgelegt, das er nach eigener Aussage im Vorfeld der Konferenz mit den Regierungschefs elf weiterer Bundesländer abgestimmt hatte. Bayern, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Sachsen seien nicht informiert gewesen.

    Auf Söders Einwurf, er kenne das Papier noch gar nicht, habe Laschet geantwortet, das sei doch kein Problem, man könne es ja trotzdem beschließen. Daraufhin habe Söder gesagt, dann brauche man auch keine Telefonkonferenz. Erst eine Intervention von Angela Merkel habe wieder für Ruhe gesorgt. Laschets Papier sei damit vom Tisch gewesen. Und der Bund sei mit seinem Vorschlag, der letztlich angenommen wurde, weitgehend der bayerischen Regelung gefolgt.

    Doch das ist nur eine von mehreren Versionen, die seit Sonntagabend im Umlauf sind. Eine andere besagt, Laschet habe sein Papier eng mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) abgestimmt gehabt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nennt es sogar das „Kretschmann-Laschet-Papier“. Doch das trifft den Kern der Sache offenbar nicht. In der Staatskanzlei in Stuttgart jedenfalls heißt es am Montag, das „Laschet-Papier“ sei in der Telefonkonferenz schnell vom Tisch gewesen. Für Kretschmann sei, ähnlich wie für Söder in Bayern, schon früh klar gewesen, dass nur „harte und rigorose Maßnahmen“ Wirkung zeigen könnten. Als in Frankreich die Läden bereits geschlossen waren, hätten Franzosen aus dem Elsass die Baumärkte und Möbelhäuser in Baden-Württemberg „regelrecht gestürmt“.

    Ohne Söders Segen sinken Laschets Kanzler-Chancen

    Am Ende des telefonischen Corona-Krisengipfels wurde Merkels Neun-Punkte-Plan beschlossen, dessen Kern ein Kontaktverbot bildet. Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind damit verboten. Die Kanzlerin hat so bewiesen, dass sie das Heft des Handelns weiter in der Hand hält, und Bayern wiederum will an seinen strengeren Bestimmungen festhalten, die eine Ausgangssperre vorsehen. Merkel allerdings muss einstweilen aus der Quarantäne heraus regieren. Ein Arzt, der sie vorsorglich gegen Pneumokokken impfte, wurde positiv auf den Corona-Erreger getestet. Ein erster Test bei der Kanzlerin bestätigte eine Infektion nicht.

    Am Sonntag verkündete Angela Merkel noch die neuen Schutzmaßnahmen für Deutschland. Sprach’s – und musste in Quarantäne.
    Am Sonntag verkündete Angela Merkel noch die neuen Schutzmaßnahmen für Deutschland. Sprach’s – und musste in Quarantäne. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Ob sich der Riss zwischen Laschet und Söder so schnell kitten lässt, ist unklar. Vieles erinnert bereits an eine weitere historische Konstante der deutschen Politik: die erbitterte Konkurrenz zwischen Bundeskanzler und dem bayerischen Ministerpräsidenten, wie einst zwischen Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß oder Angela Merkel und Horst Seehofer in der Flüchtlingskrise. Dazu müsste es Laschet freilich erst einmal ins Kanzleramt schaffen. Was ohne Söders Segen schwierig wird.

    Doch angesichts ihrer gnadenlosen Wucht ist noch nicht einmal in Ansätzen absehbar, wie sehr die Corona-Krise die Machtverhältnisse in Deutschland in den kommenden Monaten durcheinanderwirbeln wird.

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