Die SPD-Fraktion will die Gesetzesgrundlage für die Anti-Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern überarbeiten. "Der Bundestag kann und muss diese Leitplanken im Infektionsschutzgesetz differenzierter, als das bisher der Fall ist, vorgeben", heißt es in einem Positionspapier. Es soll am Dienstag von der Fraktion verabschiedet werden. Die Neuregelung sei nötig, um einen "Regelungsflickenteppich der Länder" zu verhindern und eine effektive Bekämpfung der Pandemie zu ermöglichen.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, sagte der Deutschen Presse-Agentur, über eine Reform der vagen Regelungen im Infektionsschutzgesetz, auf die sich viele Auflagen derzeit stützen, dürfe nicht erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 beraten werden. "Die Zeit haben wir nicht. Es eilt." Fechner warnte: "Sonst gehen wir das ganz große Risiko ein, dass der Super-GAU eintritt und alle sinnvollen Corona-Maßnahmen von den Gerichten wegen mangelnder Rechtsgrundlagen gekippt werden."
Fechner verwies auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom Donnerstag. Das Gericht lehnte es in einem Eilbeschluss zwar ab, Bayerns Sperrstunden-Regelungen vorläufig außer Vollzug zu setzen. Zugleich zweifelten die Richter aber, ob das Infektionsschutzgesetz in seiner aktuellen Form so weitreichende und lang andauernde Eingriffe in Grundrechte rechtfertigt. Die Richter betonten in ihrem Urteil, dass sie davon ausgingen, dass die gesetzlichen Grundlagen demnächst überarbeitet würden.
SPD fordert in Corona-Krise klare Kriterien für Maßnahmen
Fechner sagte, er hoffe auf eine Verabschiedung im Bundestag noch im November. Kommende Woche soll es dazu Gespräche mit der Unionsfraktion geben. Die SPD will Bund und Ländern konkretere Vorgaben machen, "welche Schutzmaßnahmen unter welchen Voraussetzungen ergriffen werden können und wo Grenzen erreicht sind". Für Eingriffe in Grundrechte wie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Versammlungsverbote, Kontakt- und Abstandsgebote, Erfassung von Kontaktdaten oder Tragen von Schutzkleidung müsse es klare Kriterien geben.
Länderübergreifende Vorgaben etwa zu Einreisen oder innerdeutschen Reisen will die SPD-Fraktion durch bundesweit gültige Rechtsverordnungen des Bundes regeln, die der Zustimmung des Bundestags bedürften. "Bundesregierung und Landesregierung sollten Rechtsverordnungen mit einer Begründung versehen müssen, damit örtliche Behörden, Gerichte und vor allem die Bevölkerung einfach Sinn und Zweck der Verordnung erkennen können", heißt es in dem Papier. Zudem dürften Corona-Schutzmaßnahmen von Bund und Ländern nur befristet getroffen werden. Bei wesentlichen Eingriffen des Bundes in Grundrechte der Bürger müsste der Bundestag zustimmen.
Die Bundesregierung müsste auch regelmäßig über "Wirksamkeit und Notwendigkeit" solcher Verordnungen berichten, heißt es in dem Entwurf. Schließlich soll der Bundestag prüfen, wie er sich "organisatorisch so aufstellen kann, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie kontinuierlich bewertet und die weiteren Schritte mit Bundesregierung und Bundesrat koordiniert werden können". Das müsse auch außerhalb von Sitzungswochen möglich werden.
Zuletzt hatten sich die Rufe nach einer stärkeren Beteiligung von Bundestag und Länderparlamenten an den Beschlüssen zur Bekämpfung der Pandemie gemehrt. Während der Bund über die Ausweisung von ausländischen Risikogebieten oder Reiseregelungen entscheidet, beruht ein Großteil der Auflagen, die den Alltag bestimmen, auf Verabredungen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Regierungschefs der Länder. (dpa)
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