Mit einem beispiellosen Hilfspaket will der Bund Familien, Mieter, Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen in der Corona-Krise unterstützen. Das Kabinett beschloss dafür am Montag gleich mehrere große Schutzschirme und umfangreiche Rechtsänderungen. Damit die Hilfen rasch ankommen, soll im Schnellverfahren bereits am Mittwoch der Bundestag, am Freitag der Bundesrat den Maßnahmen zustimmen.
Finanziert werden sollen das Hilfspaket durch einen Nachtragshaushalt mit einer Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro für 2020. Nach sechs Jahren ohne neue Schulden fällt damit die schwarze Null im Bundeshaushalt. Der Bundestag soll deshalb am Mittwoch eine Notfallregelung in der Schuldenbremse in Kraft setzen.
In einer Pressekonferenz äußerten sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Montagmittag. "Die Corona-Pandemie verändert unser ganzes Leben", mit diesen Worten begann Olaf Scholz die Pressekonferenz. Wenige Tage, nachdem Scholz und Altmaier sich in einer Preseskonferenz dazu geäußert hatten, wie die Liquiditätsversorgung der deutschen Wirtschaft sichergestellt werden soll, verkündeten sie nun umfangreiche Maßnahmenpakete.
"Was wir jetzt machen, ist der Größe dieser Herausforderung absolut entsprechend", erklärte Scholz. Der Nachtragshaushalt von 156 Milliarden, in einer "Größenordnung, die bisher nicht erreicht worden ist in einem Schritt" sei ein "notwendiger und richtiger Schritt". Notwendig, weil die Bundesregierung damit rechne, dass es weniger Steuereinnahmen geben werde, etwa im Umfang von 35 Milliarden Euro. Zudem müsse auch mehr Geld ausgegeben werden, hier rechne man mit 122 Milliarden Euro.
Gesundheitswesen soll in der Corona-Krise mehr Geld bekommen
Geplant ist unter anderem, dass das Gesundheitswesen mehr Geld bekommen soll, teilweise über die Krankenkassen, aber auch unmittelbar aus dem Bundeshaushalt finanziert. Da Krankenhäuser weniger Einnahmen haben werden, wenn sie in den kommenden Wochen ihre Kapazitäten erweitern, wolle die Bundesregierung hier finanziell unterstützen, so Scholz. Einkommensverluste der Bürgerinnen und Bürger sollen über die sozialen Sicherungssysteme kompensiert werden. "Wer jetzt einen Arbeitsplatz verliert, der kann sich auf unser Sicherungssystem verlassen", sagte Scholz. Dazu solle die Grundsicherung für "Selbstständige, Solo-Selbstständige, Künstler, aber auch für die, die Arbeitnehmer sind und jetzt weniger verdienen" geöffnet werden. Ein Instrument dazu sei der Verzicht auf die Vermögensprüfung. "Das macht unbürokratisch möglich, dieses Angebot anzunehmen", sagte Scholz. Mit Kurzarbeit sollen zudem Arbeitsplätze gesichert werden. Auch der Kinderzuschlag für Familien soll leichter zugänglich werden, um das Einkommen von Familien mit Kindern zu sichern. "Wer eben noch mehr verdient hat, und jetzt weniger, kann den in Anspruch nehmen", erklärte Scholz.
Neben den Liquiditätskrediten, die vor rund einer Woche auf den Weg gebracht wurden, sei ein Zuschuss für kleine Unternehmen geplant, der "uns bis zu 50 Milliarden Euro kosten wird", so Scholz, "damit niemandem jetzt die Puste ausgeht". Über einen Stabilisierungsfonds sollen Großunternehmen mit Kapital gestärkt werden können, der Staat soll sich notfalls auch an den Firmen beteiligen können. Instrument hierfür ist ein Programm aus der Finanzkrise, das jetzt wieder stark gemacht werde. "Der Finanzmarktstabilisierungsfonds wird umgewandelt in einen Wirtschaftsstandortstabilisierungsfonds", erklärte Scholz. Ziel sei es, Unternehmen durch Eigenkapitalinstrumente zu unterstützen. Der Fonds solle dafür sorgen, "dass gute Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen durch dieses schwierige Zeit kommen", so Scholz.
Dieses "große Paket mit sehr, sehr vielen Maßnahmen" sei Scholz zufolge in diesem Umfang verabschiedet worden, "damit jeder weiß, wir werden alles tun, was notwendig ist, um Arbeitsplätze, Beschäftigung und Gesundheit zu verteidigen. Weil wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet haben, der Schuldenstand auf 60 Prozent gesunken ist, können wir das auch."
Corona-Krise: Einmalzahlungen für kleine Unternehmen
Wirtschaftsminister Peter Altmaier ging näher auf den Schutzschirm ein, mit dem die Bundesregierung für kleine und mittlere Selbstständige absichern will Dieser sei "beispiellos in der deutschen Nachkriegsgeschichte". Genauer geplant sind hier Einmalzahlungen von 9000 Euro für drei Monate für kleine Unternehmen bis fünf Beschäftigte. Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern erhalten 15.000 Euro als Einmalzahlung für drei Monate. "Damit stellen wir sicher, dass laufende Verpflichtungen bedient werden können, wie Miet- und Pachtverträge, und Unternehmen nicht deshalb schließen müssen", erläuterte Altmaier. Erste Auszahlungen sollen rasch stattfinden können. Umsatzausfälle können Altmaier zufolge jedoch nicht ersetzt werden. Eine Gehaltsgarantie könne nicht gegeben werden, erklärte Altmaier. Stattdessen liege der Fokus darauf, Arbeitsplätze zu sichern.
Außerdem sollen Vermieter ihren Mietern nicht mehr kündigen dürfen, wenn diese wegen der Corona-Krise ihre Miete nicht zahlen können. Hierzu stellte Altmaier klar: "Das sieht nicht vor, dass Mieten nicht mehr bezahlt werden müssen." Stattdessen bedeute diese Maßnahme, dass es keinen Kündigungsgrund darstellt, "wenn jemand aufgrund der Corona-Krise mit Mietzahlungen im Rückstand ist".
"Wir haben mit diesen Maßnahmen gezeigt, dass unser Staat handlungsfähig ist", bilanzierte Peter Altmaier, sagte aber ergänzend: "Die meiste Arbeit liegt noch vor uns."
Hier sehen Sie die Pressekonferenz mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD):
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