Thrombosegefahr: Spahn verhängt Impf-Stopp für AstraZeneca
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat die Verwendung des AstraZeneca-Impfstoffs wegen möglicher Thrombosegefahr vorsorglich ausgesetzt.
Die Nachricht wirbelte das politische Berlin im Kampf gegen die Corona-Pandemie komplett durcheinander: Impfungen mit dem Medikament AstraZeneca sind in Deutschland bis auf weiteres verboten. Als Grund nannte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine möglicherweise erhöhte Thrombosegefahr, also die Bildung eines gefährlichen Blutgerinnsels.
Der CDU-Politiker betonte mehrfach, dass es sich um eine vorsorgliche Maßnahme handele. Es gehe „um ein sehr geringes Risiko“, sagte Spahn. Bereits mit AstraZeneca Geimpften riet er, sich im Zweifel ärztlichen Rat einzuholen.
AstraZeneca-Verbot: Europäische Arzneimittelbehörde entscheidet über Zulassung
Am Vormittag hatte das Paul-Ehrlich-Institut die Bundesregierung darüber in Kenntnis gesetzt, dass es in einem „engen zeitlichen Zusammenhang“ Thrombosebildungen nach Corona-Impfungen mit AstraZeneca gegeben habe. Konkret ging es dabei um Meldungen über Thrombosen der Hirnvenen, wie Spahn erklärte. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA werde jetzt entscheiden, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes auswirken. Betroffen von dem vorläufigen AstraZeneca-Verbot sind demnach alle bereits terminierten Erst- und Zweitimpfungen.
„Die Entscheidung heute ist eine reine Vorsichtsmaßnahme“, betonte Spahn und ergänzte: „Uns allen ist die Tragweite dieser Entscheidung sehr bewusst.“ Er handele sich, sagte Spahn, um eine „fachliche Entscheidung - und keine politische“. Um das Vertrauen in den Impfstoff zu erhalten, müsse man sich jetzt alle nötige Zeit für Untersuchungen nehmen. Wann die Impfungen wieder aufgenommen werden könnten, konnte Spahn nicht sagen. Bereits gelieferte AstraZeneca-Impfstoffe sollen vorerst zwischengelagert werden.
Vorläufiger Impf-Stopp für AstraZeneca kommt überraschend
Das Verbot versetzt der Impfstrategie der Bundesregierung einen heftigen Schlag. Laut Robert Koch Institut betrug der AstraZeneca-Lagerbestand am Sonntag 1,78 Millionen Impfdosen. Von Biontech/Pfizer waren 1,3 Millionen Dosen, von Moderna 365.000 Dosen eingelagert. Bislang wurden demnach von AstraZeneca in Deutschland rund 2,6 Millionen Dosen verimpft – ebenso viele wie von Biontech/Pfizer.
Die Aussetzung kommt auch deshalb überraschend, weil Experten noch am Freitag vor Aktionismus gewarnt hatten. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwabing verwies darauf, „dass sich venöse Thrombosen unabhängig von COVID-19 mit einer jährlichen Inzidenz von etwa 1 pro 1000 Erwachsenen ereignen“. Dieser Faktor sei, Stand Freitag, um den Faktor 100 häufiger als Thrombosen infolge des Impfstoffs. „In Deutschland gibt es jährlich 100.000 Todesfälle aufgrund von thromboembolischen Ereignissen, diese stellen derzeit die dritthäufigste Todesursache dar“, erklärte der Mediziner.
Wendtner riet, den Blick ins Vereinigte Königreich zu richten: bei mehr als 22 Millionen Geimpften, die größtenteils mit AstraZeneca geimpft worden seien, „sind auf der Basis eines sehr guten Berichtwesens bisher keine relevanten Sicherheitsbedenken geäußert worden. Vielmehr wirkt der Impfstoff, so dass Großbritannien dank dieses Impfstoffes inzwischen weniger Neuinfektionen und hospitalisierte Patienten registriert und hoffentlich bald aus der pandemischen Welle herausfinden wird.“
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