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Corona-Impfung: Immunmediziner werfen Bundesländern gefährliche Zeitverschwendung beim Impfen vor

Corona-Impfung

Immunmediziner werfen Bundesländern gefährliche Zeitverschwendung beim Impfen vor

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    Generalsekretär Watzl fordert schnelle weitere Prüfung von Hirnthrombosen nach AstraZeneca-Impfungen. "Wir verimpfen oft nur die Hälfte dessen, was möglich ist."
    Generalsekretär Watzl fordert schnelle weitere Prüfung von Hirnthrombosen nach AstraZeneca-Impfungen. "Wir verimpfen oft nur die Hälfte dessen, was möglich ist." Foto: Nicolas Armer, dpa (Symbolbild)

    Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie wirft der Politik angesichts der dritten Corona-Welle schwere Versäumnisse dabei vor, das Impftempo mit einfachen Mitteln deutlich zu erhöhen. Es würden immer noch massenhaft Impfdosen für Zweitimpfungen zurückgelegt, anstatt möglichst viele Menschen sofort mit einer Erstimpfung zu schützen, sagte Generalsekretär der Immunmediziner, Carsten Watzl im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir verimpfen oft nur die Hälfte dessen, was möglich ist“, kritisierte der Dortmunder Medizinprofessor.

    Einzig bei AstraZeneca werden generell keine Zweitdosen zurückgelegt

    „Impfstoff zurückzulegen ist angesichts der aktuellen Situation nicht mehr tragbar und kostet Menschenleben“, warnte Watzl angesichts der stark steigenden Zahl von Neuinfektionen in Deutschland. „Leider wird immer noch in vielen Bundesländern und Impfzentren die zweite Impfdosis zurückgelegt und im Kühlschrank gelagert“, kritisierte der Mediziner. Dabei sei inzwischen auch die offizielle Empfehlung für den Abstand zur zweiten Dosis wurde von 21 Tagen bei Biontech und 28 bei Moderna auf 42 Tage ausgeweitet worden. „Es würde jetzt viel helfen, alles zu verimpfen, was da ist und die Zweitimpfung dann zu machen, wenn die spätere Lieferung erfolgt“, betonte Watzl. Einzig bei AstraZeneca werden angesichts des zwölfwöchigen Impfabstands generell keine Zweitdosen zurückgelegt.

    „Wir werden die dritte Welle nicht mehr durch Impfungen brechen können“, betonte der Impfexperte. „Deshalb müssen wir jetzt so schnell wie möglich die Risikogruppen impfen, damit möglichst wenige Menschen auf den Intensivstationen landen oder sterben müssen.“ Laut dem Dortmunder Immunmedizin-Professor prüft die Ständige Impfkommission derzeit das französische Modell, nur noch Männer mit AstraZeneca zu impfen und Frauen nur über 55 Jahren. „Wenn man eine derartige Einschränkung wegen eines möglichen Sicherheitsproblems einmal trifft, kann man sie kaum noch zurücknehmen“, sagte Watzl. „Deshalb ist es wichtig, genau zu prüfen, für welche Personengruppe eine solche Einschränkung richtig ist.“

    Watzl zeigte Verständnis für langsames Ansteigen der Impfmittel-Produktionsmengen

    Der Fall sei mit der Entscheidung der europäischen Arzneimittelagentur Ema noch nicht abgeschlossen. „Dieser Eindruck ist falsch. Die Experten schauen sich die Fälle ganz genau an“, betonte Watzl. Man möchte den Mechanismus verstehen, wie es zu dieser Sinusvenenthrombose kommt, um möglicherweise konkrete Warnhinweise zu geben. „Idealerweise sollte der betroffene Personenkreis möglichst rasch von der Impfung ausgenommen werden“, sagte Watzl. „Man könnte diese Personen dann mit den mRNA-Impfstoffen impfen.“

    Watzl zeigte zugleich Verständnis für das langsame Ansteigen der Impfmittel-Produktionsmengen: „Bei den Vektor-Impfstoffen wie von AstraZeneca oder Johnson & Johnson braucht man beispielsweise Viren, die sich selbst nicht vermehren können“, sagte er. Diese müssten in komplizierten Verfahren gezüchtet werden. „In einer Impfdosis sind am Ende nicht weniger als 50 Milliarden Virenpartikel enthalten“, sagte Watzl. „Für einen Maßkrug voll Impfstoff bräuchte man also hundert Billionen Virenpartikel“, erklärte er. „Deshalb ist es leider nicht trivial, hektoliterweise Impfstoff herzustellen. Ich bin bereits recht froh darüber, wie uns das Ganze schon jetzt gelingt.“

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