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Corona-Impfstoff: Warum hat die Europäische Union nicht mehr Impfdosen bestellt?

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    Europäische Flaggen wehen vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Hauptsitz der Europäischen Kommission in Brüssel.
    Europäische Flaggen wehen vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Hauptsitz der Europäischen Kommission in Brüssel. Foto: Aaron Chown/PA Wire, dpa (Symbolbild)

    Gut eine Woche ist es her, dass Deutschland mit seiner Impfaktion gegen das Coronavirus begonnen hat. Große Hoffnungen liegen in dem Impfstoff und seiner Verteilung. Doch kaum dass die ersten Spritzen gesetzt wurden, hagelte es auch schon Kritik. Zu wenig Impfstoff, zu schleppende Verteilung, in anderen Ländern gehe es schneller voran: Die Bundesregierung und auch die EU-Kommission stehen unter Rechtfertigungsdruck. Immer lauter und massiver werden die Vorwürfe. Inzwischen gerät gar die Kanzlerin persönlich in die politische Schusslinie. Was aber ist dran an der Schelte? Eine Spurensuche.

    Hat die EU Fehler gemacht?

    Den ersten Arbeitstag des neuen Jahres hatte sich die Brüsseler EU-Kommission sicher entspannter vorgestellt. Anstatt eine erfolgreich angelaufene Impfkampagne kommentieren zu können, sah sich die Behörde mit massiven Vorwürfen konfrontiert. Nicht nur in Deutschland verlief die Verteilung des ersten zugelassenen Vakzins aus dem Hause Biontech/Pfizer bestenfalls unbefriedigend: Hatte die Kommission zu wenig bestellt? Kam die Zulassung zu schleppend?

    „Frustration ist kein Wort aus dem Vokabular unseres Hauses“, bemüht sich Stefan De Keersmaecker, Sprecher von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, entsprechende Fragen aus dem Kreis der EU-Korrespondenten abzuwehren. Die Kommission versuche zu helfen und den Mitgliedstaaten zu assistieren. Was er meinte, aber nicht sagen durfte: Die Mitgliedstaaten sind an dem Chaos zumindest mit schuld. Doch das Trommelfeuer Richtung Brüssel war am Montag schwer zu stoppen.

    Die EU war im Frühjahr des vergangenen Jahres nach dem Desaster um fehlende Schutzmasken und Beatmungsgeräte, die sich die Länder gegenseitig weggekauft hatten, schon früh zu dem Entschluss gekommen, bei der Beschaffung von Impfstoffen gemeinsam vorzugehen. Bundeskanzlerin Merkel habe dies sogar gegen den ausdrücklichen Willen ihres Gesundheitsministers Spahn durchgesetzt, heißt es in Brüssel.

    Schon im Herbst hatte die EU zwei Milliarden Impfdosen bestellt

    Nach diesem Beschluss Mitte 2020 (also zu Beginn der deutschen Ratspräsidentschaft) startete die Kommission im Namen der EU Verhandlungen mit allen Herstellern und konnte schon im Herbst zufrieden auf zwei Milliarden georderte Impfdosen bei sechs Unternehmen verweisen. „Wir wollten nicht alles auf eine Karte setzen“, begründet EU-Gesundheitskommissarin Kyriakides ihre Strategie.

    Während SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kurz und bündig feststellt: „Die EU hat falsch eingekauft“, stellt sich das Problem aus EU-Sicht ganz anders da: Als die Verhandlungen über Liefermengen und Preise liefen, wusste noch niemand, welcher Impfstoff mit welcher Wirkung wann verfügbar sein würde. Das sieht auch der deutsche Virologe Christian Drosten so: „Man musste den Impfstoff mit mehreren Monaten Vorlauf bestellen – und wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, ob der betreffende Impfstoff auch funktionieren würde.“

    Angeblich misstraute man in Brüssel auch den mRNA-Impfstoffen – ein Irrtum. Denn ausgerechnet die beiden Unternehmen, die darauf setzten (Biontech/Pfizer und Moderna), sind diejenigen, auf denen gerade alle Hoffnungen ruhen.

    In Brüssel verpasste man die aktuelle Entwicklung. So bestellte die EU-Kommission beispielsweise bei Sanofi mit insgesamt 300 Millionen Dosen mehr als bei Biontech (200 plus eine Option auf 100 Millionen Dosen). Als der französische Konzern früh aus dem Rennen um ein schnell verfügbares Vakzin ausschied, schaltete man nicht um, sondern ließ die Dinge laufen.

    Ebenso wie im November beim britisch-schwedischen Konzern AstraZeneca (geordert wurden 400 Millionen Dosen), der Teil zwei der klinischen Erprobung nach Fehlern neu aufsetzen musste. Die Liste ließe sich fortsetzen. Anstatt bei jenen Herstellern wie Biontech/Pfizer oder Moderna (160 Millionen Dosen) die bestellte Menge auszuweiten, hielt die Kommission still, obwohl immer klarer wurde, dass die bereits angelaufene Produktion nicht für alle Käufer reichen würde.

    Impfstoffbestellung: Auch das Geld spielte wohl eine Rolle

    Auch das Geld spielte wohl eine Rolle. So kostet eine Dosis Impfstoff von Moderna umgerechnet rund 15 Euro, von Biontech/Pfizer 12 Euro, von AstraZeneca (von dem nur eine Impfdosis gebraucht wird) nur 1,78 Euro. Bei 450 Millionen EU-Bürgern ergibt das einen Kostenunterschied von 13,5 Milliarden Euro (Moderna) zu 801 Millionen Euro (AstraZeneca).

    Die Antwort auf die Frage, ob die EU Fehler gemacht hat, lautet also: aus heutiger Sicht wohl schon. Jetzt wird eilig nachgebessert: Am Mittwoch will die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam das Moderna-Vakzin zulassen. Der Hersteller AstraZeneca wurde in den vergangenen Tagen zur Überlassung weiterer Daten aufgefordert, um dessen Produkt ebenfalls freizugeben. Noch am Montag wollte die EMA erlauben, aus den von Biontech gelieferten Dosen nicht fünf, sondern sechs Impfungen zu machen, indem man auch die übrig bleibenden Reste verwendet. Wegen der „Über-Füllung“ der Fläschchen war Impfstoff verschwendet worden.

    Eine Änderung dieses Vorgehens könnte allein in Deutschland bis Ende Januar 800.000 Menschen mehr Schutz bringen. Auch eine spätere Verabreichung der Wiederholungsimpfung wird diskutiert. Medizinische Bedenken, so hieß es gestern in Brüssel, gebe es dagegen nicht. „Wir sollten nicht vergessen“, betonte Eric Mamer, der Chef-Sprecher der EU-Kommission, am Montag, „dass eine solche, noch nie da gewesene Aktion immer Anlaufschwierigkeiten bringt und man viele Steine aus dem Weg räumen muss.“

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