Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hatte im März empfohlen, den Corona-Impfstoff des US-Herstellers Johnson & Johnson zuzulassen. Kurz darauf hat auch die EU-Kommission offiziell die Zulassung erteilt. Einen Monat später wurde die Verabreichung von "Johnson & Johnson" vorerst ausgesetzt, da in den USA sechs Fälle von Hirnvenenthrombosen bekannt wurden. Auch in der EU verzögerte der Konzern einen Tag nach Beginn der Auslieferung den Marktstart, die EMA leitete Untersuchungen ein. Heute soll das Gutachten vorgestellt werden. Wir beantworten Fragen rund um den neuen Impfstoff.
Was ist die Besonderheit am "Johnson & Johnson"-Impfstoff?
Der "Johnson & Johnson"-Impfstoff hat eine Besonderheit, die ein großer Vorteil gegenüber den bisher zugelassenen Präparaten sind: Er muss nur einmal geimpft werden und entfaltet bereits dann seinen vollständigen Schutz. Das bedeutet, dass im Vergleich zu den anderen drei bisher zugelassenen Präparaten dieselbe Menge Dosen genügt, um die doppelte Menge an Personen zu impfen. Dies ist möglich, weil die Studien zur Zulassung des Impfstoffs unter Gabe einer Dosis durchgeführt wurden. Auch der Astrazeneca-Impfstoff entfaltet bereits nach einer Dosis eine Wirkung, seine Zulassungsstudie wurde jedoch unter Gabe von zwei Dosen durchgeführt - weshalb in der EU beim Astrazeneca-Impfstoff nur diese Vorgehensweise zugelassen ist.
Welche Technologie steckt hinter dem "Johnson & Johnson"-Impfstoff?
Wie bei dem Astrazeneca-Präparat handelt es sich um einen Vektorimpfstoff. Solche Impfstoffe basieren auf einem harmlosen Virus, das mit genetischen Material des Virus ergänzt wird, gegen das es immunisieren soll. Sogenannte mRNA-Impfstoffe wie die von Biontech/Pfizer und Moderna nutzen als Grundlage sogenannte Ribonukleinsäure, mit deren Hilfe in Körperzellen Antikörper gegen das Coronavirus entwickelt werden.
Wie gut wirkt der "Johnson & Johnson"-Impfstoff im Vergleich zu anderen?
Nach Angaben von Johnson & Johnson bietet ihr Impfstoff einen Schutz von 66 Prozent vor mittleren oder schweren Covid-19-Verläufen - gemessen 28 Tage nach Verabreichung. Vor schweren bis lebensbedrohlichen Erkrankungen ist der Geimpfte demzufolge nach dem gleichen Zeitraum mit 85 Prozent geschützt. Beim "Johnson & Johnson"-Impfstoff ist nur eine Dosis vorgesehen, anders als bei den drei anderen bisher in der EU zugelassenen Corona-Impfstoffen.
Das Mittel von Astrazeneca wies laut Hersteller 14 Tage nach der zweiten Dosis eine Wirksamkeit von etwa 70 Prozent auf. In einer neuen Studie erreichte es bei einem deutlich größeren Abstand zwischen den Dosen nach der zweiten Impfung bis zu 82 Prozent. Bei den mRNA-Impfstoffen liegen die Schutzquoten im Falle von Moderna mit einer Wirksamkeit von 94 Prozent und Biontech/Pfizer mit 95 Prozent darüber. Die Wirksamkeit des "Johnson & Johnson"-Impfstoffs liegt auf dem Niveau des anderen Vektorimpfstoffs von Astrazeneca und damit etwas unter der der anderen beiden zugelassenen Impfstoffe.
Schützt der "Johnson & Johnson"-Impfstoff gegen Virusmutanten?
Studien in Brasilien und Südafrika bescheinigten dem "Johnson & Johnson"-Impfstoff eine Wirksamkeit von 68,1 Prozent gegen Mutanten. Die Impfstoffe BioNTech/Pfizer und Moderna sollen ersten Erkenntnissen zufolge ebenfalls gut gegen andere Varianten schützen. Das Astrazeneca-Präparat schützt wohl gut gegen die britische Variante, weniger hingegen gegen die südafrikanische Mutation. Die Impfstoffe sollen weiterentwickelt werden, um gegen neue Virusvarianten zu schützen.
Wie kann der "Johnson & Johnson"-Impfstoff gelagert werden?
Während andere Präparate ein außerordentlich gute Kühlung benötigen, ist der "Johnson & Johnson"-Impfstoff wie das Astrazeneca-Präparat auch längere Zeit bei Kühlschranktemperaturen stabil. Das hat zwei große Vorteile: Erstens kann das Präparat so besser in Hausarztpraxen verimpft werden, zudem verringert es das Risiko, dass Impfstoff-Chargen durch Unterbrechungen der Kühlkette verfallen, wie es Anfang des Jahres in Bayern geschah.
Wann ist der "Johnson & Johnson"-Impfstoff verfügbar?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte im März angekündigt, er rechne "frühestens Mitte, Ende April mit Lieferungen" des "Johnson & Johnson"-Impfstoff. In der vergangenen Woche hätten die Auslieferungen in die EU beginnen sollen, zehn Millionen Dosen hätten bis Mitte Juni nach Deutschland gehen sollen, doch der Marktstart wurde vom Pharmaziekonzern verschoben, bis genauere Daten zu den aufgetretenen Hirnvenenthrombosefällen vorliegen.
Heute will die EMA ihr Gutachten zu den schweren Thrombosefällen nach der Impfung mit "Johnson & Johnson" veröffentlichen.
Welche Nebenwirkungen hat der "Johnson & Johnson"-Impfstoff?
Nebenwirkungen des Johnson & Johnson"-Impfstoffs waren üblicherweise mild bis moderat ausgefallen und wenige Tage nach der Impfung verschwunden. Die häufigsten Nebenwirkungen waren demzufolge Schmerzen auf der Seite des Einstichs, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskelschmerzen und Übelkeit.
In den USA traten bei mehr als 6,8 Millionen Impfungen mit dem "Johnson & Johnson"-Impfstoff allerdings sechs Fälle von Hirnvenenthrombose auf, woraufhin der Impfstoff vorerst zurückgenommen wurde. Betroffen waren ausschließlich Frauen im Alter zwischen 18 und 48 Jahren, die Thrombosen traten sechs bis 13 Tage nach der Impfung auf. Eine der Frauen sei gestorben, eine weitere habe sich noch vergangene Woche in kritischem Zustand befunden, wie FDA und CDC mitteilten. Insgesamt seien die Fälle jedoch "sehr selten".
Können Kinder mit dem "Johnson & Johnson"-Impfstoff geimpft werden?
Der "Johnson & Johnson"-Impfstoff ist nur für Personen ab 18 Jahren zugelassen, weil Daten zu seiner Wirkung bei Kindern fehlen. Zu einem späteren Zeitpunkt will die EMA mit dem Hersteller Studien auch unter Einbezug von Kindern durchführen.
Können Schwangere sich mit dem "Johnson & Johnson"-Impfstoff impfen lassen?
Nach Angaben der EMA ist die Datenlage zur Impfung mit dem "Johnson & Johnson"-Impfstoff während der Schwangerschaft sehr knapp. Eine Impfung von Schwangeren ist demzufolge nicht ausgeschlossen, muss aber in enger Absprache mit einem Arzt und nach Abwägung der Vorteile und Risiken getroffen werden.
Wann und wie viel "Johnson & Johnson"-Impfstoff soll geliefert werden
Das Bundesgesundheitsministerium rechnete mit 36,7 Millionen Dosen des "Johnson & Johnson"-Impfstoffs, die von der EU bereitgestellt werden sollten. Die EU hatte sich 200 Millionen Dosen bei dem Hersteller gesichert. Doch es gab bereits vor Bekanntgabe der Thrombosefälle Zweifel, ob ausreichend geliefert wird.
Nach der Verzögerung der Auslieferung in die EU ist noch nicht klar, wann wie viele Dosen geliefert werden. Heute wird die EMA Stellung zu den aufgetretenen Thrombosefällen nehmen.
Wie wichtig ist der "Johnson & Johnson"-Impfstoff für die deutsche Impfstrategie?
Die erwarteten 36,7 Millionen Dosen in Deutschland sind eine vergleichsweise wichtige Säule der deutschen Impfstrategie, weil sie für 36,7 Millionen Menschen einen vollen Impfschutz bedeuten. Zum Vergleich: Das Gesundheitsministerium rechnet mit 64,1 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer, 50,5 Millionen Dosen von Moderna und 56,3 Millionen Dosen von AstraZeneca. Diese genügen aber nur für jeweils die Hälfte der Patienten, weil pro Person zwei Dosen verimpft werden müssen. (AZ mit dpa)
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