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Foto: Christophe Gateau, dpa (Symbolbild)
Foto: Christophe Gateau, dpa (Symbolbild)

Die Bundesländer erhalten im Verhältnis zu ihrer Bevölkerungszahl eigentlich ziemlich genau gleich viel Impfstoff. Trotzdem geht es unterschiedlich schnell voran.

Corona-Impfquote
10.07.2021

So unterschiedlich schnell impfen die Bundesländer gegen Corona

Von Jakob Stadler

Eigentlich erhalten die Bundesländer pro Kopf gleich viel Impfstoff - die Impfquoten unterscheiden sich trotzdem. Schlusslicht Sachsen versucht, die Impfbereitschaft wieder zu steigern.

Die Corona-Impfdosen werden in Deutschland vom Bund an die Bundesländer verteilt, gemäß der Bevölkerungszahlen. Pro Kopf sollte also gleich viel Impfstoff vorhanden sein, egal ob man in Bayern, in Sachsen oder in Bremen lebt. Dementsprechend sollte auch der Impffortschritt in den jeweiligen Bundesländern in etwa gleich sein.

Das ist er aber nicht. Ein Blick auf die landesspezifischen Impfquote zeigt, wie unterschiedlich schnell es vorangeht. Bremen etwa hat 67 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft, Bayern nur 56 Prozent und Sachsen lediglich etwas mehr als 49 Prozent.

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Warum das so ist, lässt sich nicht so leicht klären, wie SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Gespräch mit unserer Redaktion einräumt. "Die schnelle Antwort ist: Das weiß ich nicht", sagt Lauterbach. Es gebe bisher keine ihm bekannte Studie dazu. "Ich weiß nicht, ob es an der Bevölkerung liegt oder an der Art und Weise, wie der Impfstoff über die Hausärzte verteilt wird." In Sachsen könne es beispielsweise sein, dass die relativ geringe Arztdichte eine Rolle spielt, sagt er.

Niedrige Impfquote: Gibt es in Sachsen mehr Impfskeptiker als im Rest Deutschlands?

Oder ist es doch die Impfbereitschaft? Hinweise liefert eine Studie der TU Dresden: Demnach ist Anteil der Impfskeptiker in Sachsen höher als im Bundesdurchschnitt. Der Erhebung zufolge wollen sich dort 12 Prozent der Befragten "auf keinen Fall" impfen lassen, 9 Prozent gaben "eher nein" an. Das RKI erhebt die Impfbereitschaft im ganzen Land regelmäßig mit der COVIMO-Studie. Der aktuellsten Version zufolge wollen sich bundesweit nur 3,7 Prozent "auf keinen Fall impfen" und 2,6 Prozent "eher nicht impfen" lassen, ein deutlich kleinerer Teil als in Sachsen.

Das sächsische Sozialministerium erklärt, dass die Impf-Nachfrage tatsächlich spürbar abgenommen hat. Es gebe aktuell "tausende, auch kurzfristig freie Termine in den sächsischen Impfzentren", heißt es auf die Anfrage unserer Redaktion. Um die Bereitschaft wieder zu erhöhen, intensiviere das Ministerium verschiedene Aufklärungskampagnen und schaffe niedrigschwellige Angebote. "Dazu zählt zum Beispiel das Impfen im Fußballstadion des FC Erzgebirge in Aue am Sonntag, das gut angenommen wurde", teilt das Ministerium mit. Man könne sich zudem jetzt ohne Termin im Impfzentrum impfen lassen. Außerdem will man mehr Arztpraxen für die Impfkampagne gewinnen - bisher würden von den rund 4000 Arztpraxen im Freistaat nur 2300 gegen Corona impfen. Das Rote Kreuz, das in Sachsen die Impfzentren betreut, prüfe außerdem, "welche möglichen Prämien einen zusätzlichen Anreiz geben könnten, um die Impfbereitschaft wieder zu erhöhen".

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Doch auch bei der Lieferung sei nicht alles nach Plan verlaufen, heißt es vom Ministerium. In der Vergangenheit seien mehrfach weniger Dosen als dem Freistaat zugestanden hätten, geliefert worden. Das würde nun aber durch Ausgleichlieferungen nachgeholt, insgesamt gehe es um rund 84.000 Dosen.

Bayern liegt bei der Quote der Erstimpfungen auf dem 12. Platz der Bundesländer. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek erklärt auf Anfrage, man müsse berücksichtigen, dass sich die Impfquoten in einer Art Pendelbewegung entwickelten. "So gab es im Zeitraum der 21. bis 23. Kalenderwoche in Bayern vermehrt Zweitimpfungen. Derzeit gibt es wieder vermehrt Erstimpfungen und später wird es voraussichtlich wieder mehr Zweitimpfungen geben", so der Gesundheitsminister. Bei der Quote der Zweitimpfungen liegt Bayern aktuell auf dem 8. Rang.

Während der Pfingstferien hätten außerdem 240.000 Impfungen weniger stattgefunden als vor oder nach den Ferien, auch das habe einen Einfluss. Bei den Impfstoff-Lieferungen des Bundes liege Bayern auf dem sechsten Platz, so Holetschek. Deshalb habe die Staatsregierung den Bund gebeten, aufzuklären, warum es bei den Lieferungen nach Bevölkerungsschlüssel Unterschiede gibt.

Der Gesundheitsminister verweist aber auch darauf, dass die Impfstofflieferungen des Bundes an die Länder für die Impfzentren vorgesehen sind. Doch viele Menschen werden inzwischen in Arztpraxen und bei Betriebsärzten geimpft. "Die Ärzte bestellen den Impfstoff eigenständig bei den Apotheken. Auf die Verteilung – und damit die Impfgeschwindigkeit – hat die Staatsregierung daher keinen direkten Einfluss", so Holetschek. Es sei inzwischen zu beobachten, dass die Ärzte ihre Wartelisten zu einem großen Teil abgearbeitet haben. Die Staatsregierung ruft alle, die sich noch nicht um eine Impfung gekümmert haben, daher auf, sich registrieren zu lassen. "Eine Corona-Impfung ist der Weg für jeden aus der Pandemie“, betont Holetschek

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Karl Lauterbach: Lieferunterschiede können unterschiedliche Impfquoten nicht erklären

Für Karl Lauterbach jedenfalls ist klar: "Die Lieferungsunterschiede erklären die unterschiedlichen Impfquoten auf keinen Fall." Dafür sei die Impfstoffmenge auf die Bevölkerung bezogen zu ähnlich. Auch unterschiedliche Taktiken, wie etwa das Zurückstellen von Impfdosen für die Zweitimpfung könnten die Zahlen nicht erklären: "Das wird nicht mehr gemacht, weil in der jetzigen Situation so viel Impfstoff da ist, dass das nicht mehr nötig ist", sagt der SPD-Gesundheitsexperte.

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Foto: Michael Kappeler, dpa
Foto: Michael Kappeler, dpa

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: Die Lieferunterschiede können nicht der Grund für die unterschiedliche Impfgeschwindigkeit sein.

Besonders extreme Unterschiede sind zu erkennen, wenn man sich die Impfquoten nach Altersgruppen ansieht. Die Bundesländer liefern diese Daten für die drei Gruppen "Unter 18", "18 bis 59" und "60+". Wenig überraschend ist die Impfquote bei der ältesten Altersgruppe am höchsten. Zwar zeigen die Zahlen zum Teil beeindruckende Werte - in Bremen etwa haben bereits 91 Prozent der über 60-Jährigen eine Erstimpfung erhalten. Es gibt auch in den Altersgruppen große Unterschiede je nach Bundesland. Wieder ist Sachsen ganz hinten, dort haben erst 73 Prozent der Ü-60-Jährigen mindestens eine Erstimpfung. Bayern liegt mit einem Wert von knapp 82 Prozent im unteren Mittelfeld.

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Lauterbach warnt: "Selbst in dieser Altersgruppe haben wir das Impfziel noch nicht erreicht." Vollständig geimpft sind in ganz Deutschland bisher zwei Drittel der über 60-Jährigen. "Wir sind also auf dem richtigen Weg, aber das reicht noch nicht", sagt der Gesundheitsexperte.

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Die Daten zeigen auch, wie weit die jüngeren Altersgruppen noch von einer Herdenimmunität entfernt sind. Dabei müsse man auch bei den 30 bis 60-Jährigen mit schweren Verläufen rechnen, "vor allem bei denjenigen, die Risikofaktoren haben", so Lauterbach, "insbesondere bei der Delta-Variante“.

Bisher sind kaum Menschen unter 18 gegen das Coronavirus geimpft

Die Ausbreitung der Delta-Variante, die offenbar deutlich ansteckender als die bisher verbreiteten Corona-Varianten ist, werde wieder zu einem Anstieg der Neuinfektionen führen. In den Schulen könnte sich das Virus möglicherweise schnell verbreiten - denn die Impfquote der unter 18-Jährigen liegt erst im niedrigen einstelligen Bereich. Für unter 12-Jährige gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff. Für 12- bis 17-Jährige gibt es den zwar, doch die Ständige Impfkommission (Stiko) hat keine generelle Empfehlung für eine Impfung der Jugendlichen ausgesprochen.

Lauterbach hofft, dass sich das noch ändert. "Ich bin der Meinung, dass diese Gruppe besser geimpft wird, als dass wir eine Durchseuchung in Kauf nehmen – und darauf würde es hinauslaufen, wenn die Gruppe nicht geimpft wird." Für die Herdenimmunität sei eine Impfung der unter 18-Jährigen nicht nötig, da von ihnen nur ein geringes Risiko ausgeht, dass sie Erwachsene infizieren, so Lauterbach "Trotzdem wäre es zum Schutz der unter 18-Jährigen selbst sinnvoll, wenn sie geimpft werden würden.“

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Ob Jüngere nun gegen Corona geimpft werden sollen, sei eine Diskussion, die breit geführt wird, "und wo die Stiko ihre Impfempfehlung regelmäßig überprüft“, so Lauterbach. Denn die allermeisten Jüngeren, die sich Infizieren, haben einen leichten Covid-19-Verlauf. Trotzdem müsste man sich im Herbst darauf einstellen, dass auch viele Kinder wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus landen könnten. "Statistisch gesprochen muss etwa eines von 200 Kindern, die sich infizieren, auf die Intensivstation", erklärt Lauterbach. "Das ist ein Restrisiko, das nicht unerheblich ist."

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