Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, hat Bundespräsident Christian Wulff erneut der Lüge bezichtigt. "Es wird immer offensichtlicher, dass Wulff nicht nur die halbe Wahrheit gesagt hat, sondern den Landtag nach Strich und Faden hinters Licht geführt hat", sagte Wenzel der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag).
Zuvor hatte tagesschau.de berichtet, dass der Osnabrücker Geschäftsmann Egon Geerkens Mandant und Vermieter einer Rechtsanwaltskanzlei war, für die Wulff über Jahre tätig war.
Die Kanzlei wies allerdings auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa am Montag darauf hin, dass Wulff schon seit 1994 nicht mehr für sie tätig gewesen sei, auch wenn sein Name weiter im Briefkopf auftauchte. Zu einem möglichen Mandatsverhältnis zu Geerkens könne die Kanzlei aber keine Angaben machen.
Wulff hatte als Ministerpräsident eine halbe Million Kredit erhalten
Wütender Wulff: Wegen diesen Fragen rief er bei "Bild" an
Warum haben Sie dem Landtag verschwiegen, dass eine "geschäftliche Beziehung" zwischen Ihnen und der mit Egon Geerkens in Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau Edith durch einen im Oktober 2008 geschlossenen Darlehensvertrag über 500 000 Euro besteht?
Teilen Sie die Auffassung, dass Sie den Landtag in diesem Zusammenhang bewusst getäuscht haben?
Wie haben Sie die 500 000 Euro erhalten? Per Überweisung aus Deutschland, der Schweiz, der USA - oder bar? Oder auf welche andere Weise?
Warum haben Sie den im Oktober 2008 geschlossenen Darlehensvertrag wenige Wochen nach der parlamentarischen Anfrage gekündigt und durch einen Darlehensvertrag mit der BW-Bank abgelöst - obwohl der Darlehensvertrag noch bis November 2013 lief?
Wann und in welcher Form haben Sie das Darlehen zurückgezahlt?
Gab es vor dem Jahr 2000 geschäftliche Beziehungen zwischen Ihnen, dem CDU-Kreisverband Osnabrück, dem CDU-Landesverband Niedersachsen bzw. dem Land Niedersachsen und Herrn Egon Geerkens oder irgendeiner Firma, an der Herr Geerkens und/oder Frau Geerkens als Gesellschafter beteiligt waren?
Das heutige Staatsoberhaupt hatte 2008 - damals noch als niedersächsischer Ministerpräsident - 500 000 Euro Privatkredit von der Unternehmergattin Edith Geerkens erhalten. Im Landtag in Hannover hatte Wulff 2010 dieses Darlehen aber nicht angegeben, als er nach geschäftlichen Beziehungen zu Egon Geerkens gefragt wurde - und solche verneint.
Wulffs Verbindung mit Geerkens über die Rechtsanwaltskanzlei zeige "eine weitere geschäftliche Beziehung, die dem Landtag verschwiegen wurde", kritisierte Grünen-Fraktionschef Wenzel. Er hoffe, dass nun auch CDU-Politiker im Bund erkennen, dass es mit Wulff so nicht weitergehe. "Jeder Beamte, der solche Geschäftsbeziehungen verschweigt, muss mit dem Verlust seines Arbeitsverhältnisses rechnen", sagte Wenzel.
"Wulff ist ein Lügner"
Der Grünen-Politiker hatte Wulff in der Debatte über Beteiligungen der Landesregierung an dem umstrittenen Promi-Treff Nord-Süd-Dialog heftig kritisiert. "Wulff ist ein Lügner, und er sollte seinen Hut nehmen, bevor er Recht und Gesetz und Anstand noch mehr in den Dreck zieht", hatte der Grünen-Fraktionschef gesagt. Der Vorwurf hat jedoch keine juristischen Konsequenzen.
Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim kritisierte die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft im Fall Wulff. "Während sie gegen den früheren Sprecher Olaf Glaeseker ermittelt, wird der Verdacht gegen den Bundespräsidenten in Abrede gestellt. Das ist sehr merkwürdig", sagte von Arnim der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). "Beim Bundespräsidenten liegt nach allem, was man weiß, mindestens der Anfangsverdacht einer strafbaren Vorteilsannahme vor."
Zwei Beschwerden wegen des Kredits von Wulff
Nach Informationen der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag) wird sich die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart mit dem BW-Bank-Kredit von Wulff befassen müssen. Es seien zwei Beschwerden gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingegangen, kein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Bank und den Bundespräsidenten wegen des Verdachts der Untreue oder der Vorteilsannahme einzuleiten, sagte Staatsanwältin Claudia Krauth dem Blatt. Die Generalstaatsanwaltschaft müsse innerhalb von vier Wochen prüfen, ob die Beschwerden begründet seien. AZ, dpa