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Hintergrund: Christian Lindner - ein Parteichef auf Bewährung

Hintergrund

Christian Lindner - ein Parteichef auf Bewährung

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    Einst gefeiert als Retter in der Not, aktuell konfrontiert mit schwachen Umfragewerten: FDP-Chef Christian Lindner muss jetzt Zeichen setzen.
    Einst gefeiert als Retter in der Not, aktuell konfrontiert mit schwachen Umfragewerten: FDP-Chef Christian Lindner muss jetzt Zeichen setzen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    "Die beiden verbindet höchstens ihr Drei-Tage-Bart", sagt ein langgedienter FDP-Abgeordneter auf die Frage, ob er sich nach der Bundestagswahl eine Liaison von Grünen und Liberalen und damit ihrer Chefs Robert Habeck und Christian Lindner vorstellen könne. Vor ein paar Wochen noch wäre solch eine Nachfrage gar nicht gestellt worden. Zu absurd schien da die Annahme, der Tempolimit-Befürworter Habeck könne mit dem Porsche-Fahrer Lindner irgendwann einmal an einem Kabinettstisch sitzen. Mittlerweile ist eine solche Polit-Ehe aber Teil der Strategie. Und zwar die der Liberalen, denn denen schwimmen gerade viele Felle weg.

    Die FDP hätte momentan Probleme, in den Bundestag gewählt zu werden

    Angesichts aktueller Umfragen geht bei der FDP das Zittern um. Wenn am Wochenende ein neuer Bundestag gewählt werden würde, müsste die Partei um den Wiedereinzug ins Parlament bangen. Mehr als fünf oder sechs Prozent sind derzeit nicht drin. Die psychologische Wirkung ist groß, in der Partei erinnern sich alle noch zu gut an 2013, als die FDP den Einzug ins Parlament verpasste und politisch wie finanziell in eine tiefe Krise stürzte. Damals löste Christian Lindner den blassen Philipp Rösler als Parteichef ab – mit ihm gelang 2017 die Rückkehr in den Bundestag. Doch Lindner agiert seitdem glücklos, sein Thron wackelt.

    Die schlechten Umfragewerte, sagt Lindner, hätten eben damit zu tun, dass die "Grundüberzeugung" der FDP derzeit "keine große Konjunktur" habe. In der Corona-Pandemie wünschten sich die Menschen einen starken Staat, der in der Krise ja auch nötig sei. Doch die FDP müsse weiter für ihr Ideal der Eigenverantwortung werben, meint der 41-Jährige. Dabei könnte Lindner aus der Corona-Pandemie sehr wohl politischen Profit ziehen, wie aktuelle Daten des Meinungsforschungsinstituts Forsa zeigen. Demnach sind 57 Prozent der FDP-Anhänger der Meinung, dass sich "die Dinge in Deutschland" in die falsche Richtung entwickeln. Nur bei der AfD ist der Chor der Unzufriedenen noch größer. Lindner könnte hier ansetzen und sich profilieren.

    FDP-Chef Christian Lindner lässt die Zügel schleifen

    Stattdessen lässt er die Zügel schleifen. "Jung, Jäger, jutaussehend reicht eben nicht", berlinert ein Parteikollege, der andeutet, dass Lindner mehr Arbeit in Partei- und Fraktionsvorsitz stecken könnte. Ein Punkt, der in der FDP eine gewisse Tradition hat: Lindners Vorgänger, der selbst ernannte "Witzekanzler" Rösler – eine Verballhornung seiner Funktion als Vizekanzler –, galt nicht eben als Aktenfresser. Dessen Vorgänger Guido Westerwelle hatte am "Big-Brother-Container" mindestens ebenso viel Spaß wie an der Schreibtischarbeit.

    Handwerklich ungeschickt wirkte Lindners Vorgehen jüngst bei der Ablösung von Linda Teuteberg als Generalsekretärin. Die hatte er sich selbst ausgesucht und beim FDP-Parteitag 2019 noch mit vielen Vorschusslorbeeren ins Rennen geschickt. Teuteberg ist inzwischen abserviert, der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing soll ihr nachfolgen.

    Christian Lindner widerspricht klar der Frauenquote 

    Möglich, dass Lindner auf Wissings Erfahrung mit einer Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP geschielt hat. Ein Bündnis, das bei der Bundestagswahl 2021 eine Machtoption jenseits der Kombination Union und Grüne sein könnte. Lindner hat aber die Frauen aus dem Blick verloren. Es gibt kein Gesetz, dass auf Beer und Teuteberg erneut eine Frau hätte folgen müssen bei der FDP, in deren 16-köpfigem Präsidium mit Katja Suding, Nicola Beer und Linda Teuteberg nur drei Frauen sitzen. Die Einführung einer Frauenquote ist selbst bei jungen Liberalen umstritten. Dass Lindner von einer Frauenquote aber gar nichts hält und den Standpunkt vertritt, Liberalismus habe kein Geschlecht und es gebe ja so etwas wie einen liberalen Feminismus, wirkt in heutigen Zeiten wie ein Anachronismus. Einer, der die FDP durchaus Zustimmung kosten könnte.

    Längst ist klar, dass die FDP auch sozialliberale Koalitionen in den Blick nehmen muss. Beim angestammten Regierungspartner Union ist das Misstrauen groß, nachdem Lindner 2017 die Koalitionsgespräche mit CDU, CSU und Grünen über ein Jamaika-Regierungsbündnis platzen ließ. Den Grünen geht es ähnlich, wenn sie auf die Freien Demokraten blicken.

    Lindner muss kämpfen. Der FDP-Parteitag am 19. September wird zum Lackmustest. Der Parteivorsitzende steht zwar nicht zur Wahl, wohl aber der Generalsekretär. Sollte Lindner keine überzeugende Vorstellung bieten, könnten die Delegierten mit einem schlechten Ergebnis für Wissing ihr Missfallen kundtun. Geht es nach Titel und Inhalt des Leitantrags für den Parteitag, besteht wenig Hoffnung auf eine mitreißende Vorstellung. "Die Vierfach-Krise erfordert eine neue Prioritätensetzung: Arbeitsplätze, Bildung, Chancen", heißt es. Mut zu Innovation und Aufbruch klingen anders.

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