Die UN-Klimakonferenz in Glasgow brachte schon einige Enttäuschungen, doch die am stärksten debattierte war das Fernbleiben von Xi Jinping. Der Staatschef des mit Abstand größten Klimasünders der Welt ließ nur eine schriftliche Stellungnahme per Brief verlesen. Die Begründung aus dem Außenministerium wirkt unfreiwillig komisch: „Die Gastgeber der Konferenz haben nicht die Möglichkeit bereitgestellt, per Videokonferenz teilzunehmen“, heißt es von Sprecher Wang Wenbin. Als ob es am fehlenden Zoom-Link gescheitert wäre.
Die Angelegenheit hat sich zur Fehde zwischen zwei Weltmächten entwickelt. US-Präsident Joe Biden nannte die Abstinenz seines chinesischen Amtskollegen einen „großen Fehler“. Pekings UN-Botschafter Zhang Jun holte auf Twitter zum Gegenschlag aus: „Was wir brauchen, sind Verpflichtungen und kontinuierliche Handlungen - und keine luxuriösen Autokolonnen, oder dass wir Menschen einem unnötigen Infektionsrisiko aussetzen.“
Xi Jinping hat das Land seit zwei Jahren nicht mehr verlassen
Dass Xi Jinping die Reise nach Glasgow nicht antrat, hat zwar vorrangig mit der Corona-Pandemie zu tun. Seit zwei Jahren hat das Oberhaupt der Kommunistischen Partei die Landesgrenzen nicht mehr verlassen. Doch natürlich sendet der 68-jährige Xi damit auch ein politisches Signal nach außen - nämlich, dass das Reich der Mitte dem internationalen Politparkett immer weniger Bedeutung beimisst.
Doch ohne China, so viel steht fest, kann die Staatengemeinschaft die globale Klimakrise nicht meistern. Seit einem Jahrzehnt konsumiert die Volksrepublik so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen. Und die Entwicklung ist alarmierend: Chinas Anteil am weltweiten Treibhausgasausstoß ist 2020 nochmals gestiegen – auf 31 Prozent, wie der Forschungsverbund „Global Carbon Projects“ berichtet. 2019 waren es noch 27 Prozent.
Fakt ist: Chinas Regierung hat ambitionierte Ziele vorgelegt. Bis 2030 will Peking seinen Höchststand an CO2-Emissionen erreicht haben, bis 2060 vollkommen schadstoffneutral sein. Das bedeutet: Jede Emission, die ab diesem Zeitpunkt in China ausgestoßen wird, muss anderswo kompensiert werden.
Wie schwierig dies wird, lässt sich in der Provinz Shanxi beobachten. In 900 Kohleminen sind hunderttausende Bergleute beschäftigt, sechs Prozent der Bevölkerung hängen von der Industrie ab. Mittelfristig stehen die Kumpel zwar vor einer ungewissen Zukunft, doch vorerst müssen sie sich nicht sorgen: Denn ob der Energiekrise hat Vize-Premier Han Zheng angeordnet, die Kohleproduktion vorübergehend bis zum Anschlag anzukurbeln.
China braucht die Kohle, bis die Alternativen greifen
„Erneuerbare Energien sind zwar zweifelsohne ein großes Thema in China, aber noch machen die nicht mehr als neun oder zehn Prozent des gesamten Energie-Mix aus. Kohle dominiert nach wie vor“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking. 60 Prozent des Energiebedarfs werden mit Kohle gedeckt. Dies wird sich erst ändern, wenn die Kapazitäten für erneuerbare Energien den Kohleausstieg abfedern können. Tatsächlich investiert China massiv in Solarzellen, Windturbinen und Wasserkraftanlagen. Die Summen, die die Staatsführung bereitstellt, stellen auch die Beiträge der EU in den Schatten. Und doch ist das Tempo deutlich zu langsam, denn der Stromverbrauch wächst gleichzeitig mit an.
Es wird immer klarer: Dieses Wachstum ist Raubbau an der Natur
Mittelfristig wird es China auf seinem Pfad zur Nachhaltigkeit schwer haben, wenn es nicht sein Wirtschaftsmodell ändert. Fast 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden im Bausektor oder in Industriebranchen generiert. Dies hat China im Corona-Jahr eine schnelle Erholung beschert: Die Fabriken produzierten für den Export, die Arbeiter wurden mit dem Bau von Infrastruktur und Häusern beschäftigt. Doch es wird immer deutlicher, dass jene Art von Wachstum Raubbau an der Natur ist.