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China: Corona: Alles wieder normal im damaligen Epizentrum Wuhan?

China

Corona: Alles wieder normal im damaligen Epizentrum Wuhan?

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    Gut ein Jahr nach dem Ausbruch gilt das Coronavirus in China als so gut wie besiegt. Selbst in der besonders betroffenen Metropole Wuhan ist von Krise kaum noch etwas zu spüren.
    Gut ein Jahr nach dem Ausbruch gilt das Coronavirus in China als so gut wie besiegt. Selbst in der besonders betroffenen Metropole Wuhan ist von Krise kaum noch etwas zu spüren. Foto: Mark Schiefelbein, AP/dpa

    Wie jeden Morgen grüßt Dong Haokun beiläufig den alten Pförtner am Eingangstor, ehe er in schnellen Schritten den mit Werbung zugepflasterten Fahrstuhl betritt. Im 28. Stockwerk angekommen, sperrt der 37-Jährige die Metalltür seines Tanzstudios auf. Sonnenstrahlen fallen durch die bodentiefen Fenster in den großen Raum. Dong Haokuns Blick reicht von der geschäftigen Jianghan-Straße bis hin zum Ufer des Jangtse-Flusses. „In Wuhan bin ich geboren und aufgewachsen, und hier habe ich auch studiert“, sagt Dong, während er mit kerzengrader Haltung auf die Dächer der Stadt blickt.

    Dass Wuhan vor einem Jahr zum Synonym für die Corona-Pandemie wurde, scheint in diesem Moment ein abstrakter Gedanke zu sein. Eine Erinnerung an eine fast schon ferne Vergangenheit. Während Deutschland Wochen eines sogenannten harten Lockdowns bevorstehen, liegt die letzte registrierte Infektion in Wuhan mehrere Monate zurück. In den Flaniermeilen, Einkaufszentren und Nachtmärkten der Elf-Millionen-Metropole geht wieder alles seinen Gang. Auch das Leben von Tanzlehrer Dong Haokun wird von ganz gewöhnlichen Alltagspflichten bestimmt: In wenigen Minuten strömen die ersten Kundinnen in sein Studio, um sich von ihm in orientalischem Bauchtanz unterrichten lassen.

    Wuhan war ein anderes Wort für Corona-Pandemie

    Angesichts dieser Lage, dieses „Normalzustands“, wirken die Berichte aus der zentralchinesischen Stadt vom Januar geradezu surreal: Bilder von erschöpften Ärzten gingen um den Globus. Bilder offener Leichensäcke in überfüllten Krankenhausgängen. Bilder von Menschenmengen in Panik vor der neuartigen Lungenerkrankung Covid-19. Wuhan fehlt in keiner Rückschau auf dieses Jahr: Am 9. Januar ist dort erstmals ein Mensch am Coronavirus oder dessen Folgen gestorben. Am 23. Januar wurde die Metropole unter Quarantäne gestellt.

    Chronologie der Corona-Pandemie 2020 in Eilmeldungen

    Mehr als 600 Eilmeldungen hat die Deutsche Presse-Agentur bis Dezember 2020 allein zum Corona-Virus gesendet. Die Überschriften dokumentieren die Zeitspanne von den ersten Hinweisen auf eine Ausbreitung der Viruserkrankung bis zu den jüngsten Erfolgen bei der Impfstoffentwicklung. Ein Überblick:

    Januar

    22.1. WHO ruft wegen Virus in China vorerst keine "internationale Notlage" aus

    24.1. Zwei Fälle der neuen Lungenkrankheit in Frankreich nachgewiesen

    28.1. Erster Coronavirus-Fall in Deutschland bestätigt

    30.1. Coronavirus in China: WHO erklärt internationale Notlage

    Februar

    15.2. Frankreich meldet ersten Coronavirus-Todesfall in Europa

    22.2. Italien will mit Coronavirus betroffene Städte abriegeln

    29.2. Erster Coronavirus-Todesfall in den USA

    März

    9.3. Coronavirus: Landrat meldet ersten Todesfall in Deutschland

    11.3. WHO bezeichnet Verbreitung des neuen Coronavirus als Pandemie

    12.3. USA erlassen wegen Coronavirus 30-tägigen Einreisestopp aus Europa

    12.3. CDU verschiebt Parteitag wegen Corona-Krise

    12.3. Merkel: Wegen Coronavirus auf Sozialkontakte weitgehend verzichten

    12.3. Bund und Länder: Ab Montag alle planbaren Operationen verschieben

    13.3. UEFA stoppt vorerst Spielbetrieb im Fußball-Europapokal

    13.3. NRW schließt nächste Woche alle Schulen

    (plus 14 weitere Eilmeldungen zu Schulschließungen in anderen Bundesländern)

    13.3. DFL: Fußball-Bundesliga stellt Spielbetrieb vorerst ein

    13.3. Trump ruft wegen Coronavirus nationalen Notstand aus 

    16.3. Regierung schlägt Schließung von Läden vor - Supermärkte aber offen

    17.3. Maas startet Rückholaktion für im Ausland festsitzende Deutsche

    17.3. Bundesregierung spricht weltweite Reisewarnung aus 

    17.3. Fußball-EM wegen Coronavirus um ein Jahr verschoben

    17.3. Nur noch EU-Bürger sollen nach Deutschland reisen dürfen

    18.3. Österreich kontrolliert ab Mitternacht Grenze zu Deutschland

    19.3. Coronavirus-Pandemie: Italien meldet mehr Tote als China

    21.3. Mietern soll in Krise nicht gekündigt werden dürfen

    22.3. Bund und Länder wollen Restaurants unverzüglich schließen

    24.3. IOC bestätigt: Olympia in Tokio wird verschoben

    25.3. Historisches Hilfspaket in Corona-Krise beschlossen

    27.3. Corona-Pandemie: Italien meldet fast 1000 Tote an einem Tag

    April

    2.4. Weltweit mehr als eine Million nachgewiesene Coronavirus-Infektionen

    6.4. Kreise: Zwei Wochen Quarantäne bei Rückkehr nach Deutschland

    6.4. Corona-Infektion: Britischer Premierminister auf Intensivstation

    15.4. Bund will Öffnung von Geschäften bis 800 Quadratmeter ermöglichen

    15.4. Schulstart in Deutschland schrittweise ab 4. Mai geplant

    17.4. Spahn: Ausbruch ist beherrschbar geworden

    21.4. Saison in Handball-Bundesliga abgebrochen

    22.4. Erste klinische Studie zu Corona-Impfstoff in Deutschland zugelassen

    23.4. Merkel: Länder in Corona-Krise teils zu forsch

    28.4. Nun bundesweite Maskenpflicht auch im Einzelhandel

    30.4. Betriebe melden für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit an

    Mai

    5.5. Wirtschaftsminister der Länder wollen Gastronomieöffnung ab 9. Mai

    6.5. Bund will Öffnung aller Geschäfte in Corona-Krise erlauben

    6.5. Politik erlaubt Geisterspiele der Fußball-Bundesliga ab Mitte Mai

    13.5. Bundesregierung beschließt Lockerung der Grenzkontrollen

    15.5. Deutsche Wirtschaft bricht in der Corona-Krise ein

    26.5. Bund und Länder einig: Kontaktbeschränkungen bis 29. Juni

    Juni

    9.6. Deutscher Export bricht im April um mehr als 30 Prozent ein

    16.6. Offizielle Corona-Warn-App steht zum Download bereit

    17.6. Großveranstaltungen werden mit Ausnahmen bis Ende Oktober verboten

    17.6. Schulen sollen nach Sommerferien wieder komplett öffnen können

    23.6. Zahlreiche Einschränkungen nach Corona-Ausbruch bei Tönnies

    25.6. EU-Kommission genehmigt Rettungspaket für Lufthansa

    29.6. Bundestag beschließt Mehrwertsteuersenkung und Familienbonus

    Juli

    3.7. Arznei Remdesivir erhält europäische Zulassung für Covid-19

    7.7. Brasiliens Präsident Bolsonaro mit Coronavirus infiziert

    22.7. Corona-Tests bei Einreise aus Risikogebieten sollen Pflicht werden

    30.7. Deutsche Konjunktur bricht dramatisch ein

    30.7. Historischer Konjunktureinbruch in den USA wegen Corona-Krise

    August

    11.8. Putin: Russland lässt Impfstoff gegen Coronavirus zu

    14.8. Reisewarnung des Auswärtigen Amts für fast ganz Spanien samt Mallorca

    27.8. Bund und Länder: Großveranstaltungen bis Ende des Jahres verboten

    September

    29.9. Feiern in öffentlichen Räumen auf 50 Teilnehmer beschränkt

    30.9. Neue Corona-Risikogebiete in elf europäischen Ländern

    Oktober

    2.10. US-Präsident Trump und First Lady positiv auf Coronavirus getestet

    7.10. Länder: Beherbergungsverbot für Reisende aus Risikogebieten

    8.10. Corona-Neuinfektionen in Deutschland steigen sprunghaft auf über 4000

    14.10. Beschluss: Sperrstunde um 23 Uhr für Gastronomie in Corona-Hotspots

    14.10. Bund und Länder wollen striktere Kontaktbeschränkungen in Hotspots 

    14.10. Frankreich führt Gesundheitsnotstand wieder ein 

    15.10. RKI meldet Rekordwert bei Corona-Neuinfektionen in Deutschland

    21.10. Gesundheitsminister Spahn positiv auf Corona getestet

    26.10. CDU-Spitze verschiebt Parteitag zur Vorsitzendenwahl ins nächste Jahr

    28.10. Bund und Länder: Beginn von Kontaktbeschränkungen am 2. November

    28.10. Bund und Länder wollen Gastronomiebetriebe vorübergehend schließen

    November

    2.11. Teil-Lockdown startet: Öffentliches Leben wird heruntergefahren

    9.11. Biontech veröffentlicht vielversprechende Daten zu Corona-Impfstoff

    16.11. Auch US-Konzern Moderna legt positive Daten zu Corona-Impfstoff vor

    16.11. Bund und Länder appellieren: Keine privaten Feiern mehr

    18.11. Bundestag beschließt Änderungen beim Infektionsschutzgesetz

    25.11. Private Zusammenkünfte werden auf fünf Personen begrenzt

    25.11. Bund und Länder lockern Kontaktbeschränkungen für Weihnachten

    30.11. Moderna will Zulassung für Corona-Impfstoff in EU beantragen

    Dezember

    1.12. Biontech und Pfizer beantragen EU-Zulassung für Corona-Impfstoff

    2.12. Biontech und Pfizer: Großbritannien lässt Corona-Impfstoff zu

    2.12. Bund und Länder: Teil-Lockdown wird bis in den Januar verlängert

    9.12. Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet "Querdenken"-Bewegung

    12.12. Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer erhält US-Notfallzulassung

    13.12. Bund und Länder beschließen harten Lockdown ab dem 16. Dezember 

    13.12. Bund und Länder beschließen Versammlungsverbot an Silvester

    13.12. Möglichst keine Schul- und Kita-Besuche ab Mittwoch bis 10. Januar

    13.12. Bund erhöht Corona-Finanzhilfen für Unternehmen

    19.12. Corona-Impfstoff von Moderna erhält Notfallzulassung in den USA

    21.12. EMA empfiehlt erste Zulassung eines Corona-Impfstoffs in der EU

    21.12. EU-Kommission genehmigt Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer

    22.12. Bayern führt Corona-Testpflicht für Reisende aus Risikogebieten ein

    (dpa)

    In der darauffolgenden Zeit hat wohl keine Bevölkerung einen derart drastischen Lockdown über sich ergehen lassen müssen wie die von Wuhan: Mehrere Wochen lang waren die damals noch in der Stadt verbliebenen sechs Millionen Einwohner in ihren Wohnungen regelrecht eingesperrt. Weder Busse noch Autos fuhren mehr, sämtliche Autobahnzufahrten wurden abgeriegelt. Das öffentliche Leben kam zum völligen Stillstand. Wuhan, eine Geisterstadt.

    Nach Angaben der Johns Hopkins Universität gab es in China bislang fast 94.500 Infizierte, mehr als 50.000 allein in Wuhan. Deutschland steuert auf die 1,5 Millionen zu.

    Tanzlehrer Dong aus Wuhan. Für ihn war der Lockdown eine dunkle Zeit.
    Tanzlehrer Dong aus Wuhan. Für ihn war der Lockdown eine dunkle Zeit. Foto: Fabian Kretschmer

    Aber wie blicken Wuhaner knapp ein Jahr später auf das Jahr zurück? Dong Haokun atmet einmal tief durch, bevor er mit besonnenen Worten antwortet. „Jeden Morgen war damals das erste, das wir taten: die Anzahl an Neuinfektionen nachschauen. Und wie viele Leute gestorben sind.“ Doch irgendwann sei ihm klar geworden, dass das Leben trotz allem weitergehen müsse. Yoga und Meditationsübungen hätten ihn beruhigt, mit einem zweiten Standbein als Online-Devisenhändler konnte er während des Lockdowns sogar ein wenig dazu verdienen. Das klingt wesentlich leichter und einfacher, als es war. Dong Haokun spricht jetzt von einer dunklen Zeit, die Narben hinterlassen habe. Seine 90-jährige Großmutter erlitt Anfang März einen Herzinfarkt, seither ist sie regungslos ans Bett gefesselt. „Wie eine Pflanze“, sagt er. „Ich bereue es, sie zuvor nicht noch einmal gesehen zu haben. Ich kann mir nicht mal sicher sein, ob sie mich heute überhaupt noch erkennt.“

    Viele Wuhaner glauben staatlicher Propaganda über Kampf gegen Corona

    Schatten und Licht. In Wuhan liegt das dicht beieinander. Einen Steinwurf von Dongs Tanzstudio entfernt, zeigt sich die selbst für China eher unscheinbare Industriestadt von ihrer charmantesten Seite: Im Kolonialviertel werden die begrünten Gassen von Art Deco-Gebäuden und Streetart-Kunstwerken gesäumt, am Flussufer des Jangtse lassen Senioren bunt bemalte Drachen steigen. Und im Geschäftsviertel des Bezirks Hankou ziehen hunderte Baukräne neue Wolkenkratzer in den Dezemberhimmel. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die geschlossenen Ladenzeilen mit Geschäften, die den Lockdown nicht überlebt haben.

    „Letztes Jahr hatten wir noch feste Ziele und Träume im Leben, aber jetzt geht es erst mal ums Überleben“, sagt der 20-jährige Wang Jun, ein schlaksiger junger Mann, der sich vor allem für amerikanischen Basketball, deutsche Sportwagen und ausgefallene Turnschuhe interessiert. Kurz vor dem Lockdown hat Wang seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abgeschlossen, im Sommer hätte er für seinen zweiten Abschluss an die Fachhochschule Stralsund kommen sollen. Die Pandemie hat einen Strich durch seine Rechnung gemacht. Und nicht nur ihm. Viele seiner Freunde, die ebenfalls nach Europa wollten, mussten ihre Pläne aufgeben. „Einige haben sich in der Zwischenzeit von der Armee verpflichten lassen“, sagt er.

    Wang Jun hat mit seiner Freundin im Souterrain eines englischen Jugendstilhauses ein hippes Wohnzimmer-Café eröffnet. Die beiden bieten Latte Macchiato und Franziskaner-Weißbier an. Einige ihrer Gäste kommen vor allem wegen „Mao Mao“, „Xiaodi“ und „Boss“ – drei ehemaligen Straßenkatzen. Während Wang Jun Nürnberger Bratwürste zubereitet und von seinem Lieblings-Basketballteam „Golden State Warriors“ erzählt, sagt er auch beiläufig: „Durch den Lockdown haben wir gesehen, dass das chinesische System sehr gut darin ist, eine Pandemie zu meistern. Viele Ausländer reden zwar von Freiheit, und dass sie jeden Tag raus müssen. Aber das Ergebnis ist, dass man so das Virus eben nicht kontrollieren kann.“

    Er steht bei weitem nicht alleine mit dieser Meinung da. In fast jedem Land der Welt büßte die chinesische Staatsführung im Corona-Jahr an Sympathiepunkten ein, innerhalb der eigenen Landesgrenzen konnte sie ihre Stellung weiter festigen – wegen, nicht trotz der Pandemie.

    Eine Ärztin sagt: Das Denken der Menschen hat sich verändert

    Ein Jahr nach Ausbruch des Coronavirus lässt sich festhalten, dass Chinas Regierung mit drastischen, aber effizienten Maßnahmen das Infektionsrisiko massiv gesenkt hat. Seit Monaten registrieren die Behörden nur vereinzelte Ansteckungen, die sofort durch gezielte Lockdowns und Massentests lokal eingegrenzt werden können. Darauf ist man in China stolz: Man habe schließlich mit Disziplin und Gemeinschaftssinn zum Erfolg erheblich beigetragen. So denken sehr, sehr viele in Wuhan.

    Gleichzeitig jedoch zeigen die Lobeshymnen auf das eigene System, wie gut die staatliche Propaganda und der Zensurapparat funktionieren. Denn den Herrschenden ist es nicht bloß gelungen, die Pandemie zu kontrollieren. Ihnen ist es zudem gelungen, ihre Sicht der Dinge in den Köpfen der Menschen zu verankern: Wuhans Kampf sei eine Erfolgsgeschichte, ohne Wenn und Aber. Erzählt wird diese Geschichte zum Beispiel eine halbe Autostunde nördlich von Wuhans Stadtzentrum in einem überdimensionalem Messezentrum.

    „Bitte sprechen Sie nicht mit den Leuten, Interviews sind verboten“, sagt die Frau am Eingang, nachdem sie das Journalistenvisum des ausländischen Korrespondenten inspiziert hat. Was in den Fußballfeld-großen Ausstellungsräumen folgt, ist eine perfekt choreografierte Inszenierung der Kommunistischen Partei Chinas, die sich als Retter des Volks darstellt. Besucher begrüßt ein überdimensionaler Staatschef Xi Jinpinhaokung, sein Konterfei ist dann alle paar Meter zu sehen. Zwischen Krankenhausbetten, Rettungswagen und dokumentarischen Fotos lugt immer auch die Fahne der Partei hervor. Auf Informationstafeln steht: Die Partei mit Xi an der Spitze habe den „historischen“ Kampf gegen die Epidemie „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ geführt. „Der strategische Erfolg hat die starke Führung der Kommunistischen Partei Chinas und die bedeutsamen Vorteile des sozialistischen Systems weiter gefestigt“, heißt es.

    Eine Art Corona-Museum samt Propaganda-Schau: Westliche Besucher können sich über so etwas nur wundern und fassungslos das Messezentrum wieder verlassen.

    Dass die Regierung zu Beginn der Pandemie Virusproben vernichten ließ und kritische Ärzte mit einem Maulkorb versah, wird in der Ausstellung mit keinem Wort erwähnt. Kein Wort auch über die Bürgerjournalisten, die lediglich aufgrund ihrer Berichterstattung über die Pandemie in Wuhan seit Monaten in Gefängniszellen ausharren müssen.

    „Natürlich hat die Regierung nach dem Lockdown das Virus erfolgreich eingedämmt, aber dennoch ist eine solche Ausstellung nichts weiter als eine vereinfachende Heldengeschichte“, sagt Sozialarbeiterin Guo Jing, die noch nicht lange in Wuhan lebt. Dass der Staat die Geschichtsschreibung über den Kampf gegen Covid-19 vollständig kontrollieren würde, glaubt die 29-Jährige gleichwohl nicht: „Die persönlichen Erfahrungsberichte, die die Menschen in sozialen Medien veröffentlicht haben, werden nicht aus dem Gedächtnis verschwinden. Viele Geschichten haben trotz der Kontrolle und Zensur einen Weg ins Internet gefunden“, sagt sie.

    Guo Jings „Wuhan Tagebuch“ zählte zu den populärsten Berichten von Stadtbewohnern: In 77 Einträgen mit fast 80.000 Wörtern hat sie die Zeit vom 23. Januar bis zum 8. April festgehalten. „Ich wusste nicht, was zu tun ist, als ich aufwachte und vom Lockdown erfuhr“, beginnt der erste Eintrag. „Freunde haben mir dazu geraten, meine Vorräte aufzustocken. Reis und Nudeln sind beinahe ausverkauft.“

    Die Nebenwirkungen des Lockdowns sind groß

    Nahezu ein Jahr später erzählt die Aktivistin von den gesellschaftlichen Nebenwirkungen jener Zeit: „Der Lockdown hat meiner Meinung nach Frauen viel stärker getroffen – angefangen bei den Haushaltspflichten und der Kinderbetreuung, die meist bei den Frauen hängen blieb“, sagt Guo. Auch wenn es keine belastbaren Zahlen zu dem Thema gebe, habe im Frühjahr auch die häusliche Gewalt deutlich zugenommen. Ungezählte Ehefrauen seien während des Lockdowns ihren gewalttätigen Partnern hilflos ausgeliefert gewesen, und ungezählte Nachbarn hätten das Problem schlicht als Privatangelegenheit ignoriert. Mit Online-Veranstaltungen hat Guo Jing versucht, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Gemeinsam mit Bekannten haben sie Handbücher in der Nachbarschaft verteilt, um über Notrufhotlines zu informieren. Ob oder wie erfolgreich sie waren, können sie schwer einschätzen.

    Eines lässt sich dagegen sagen: Das Gefangensein in den eigenen vier Wänden gehört in Wuhan der Vergangenheit an. Ebenso, dass Krankenhäuser im Katastrophenmodus arbeiteten. Sie operieren inzwischen wieder im Normalbetrieb, wie ein Besuch in einem Universitätsspital im Süden der Stadt zeigt. Ein einzelner Pförtner mit roter Armbinde kontrolliert die „Corona-App“ der Besucher, in der Eingangshalle warten dutzende Patienten dicht an dicht gedrängt auf ihre Wartenummer.

    Eine Ärztin führt in ihr Büro. Dort stapeln sich Geschenkpakete, die sie von Patienten nach wie vor erhält. Noch im Frühjahr musste die Frau, sie ist Ende 50, regelmäßig über Tod und Leben entscheiden. Alles wieder normal? Sie sagt: „Die Pandemie hat das Denken der Leute stark verändert.“ Sie erklärt das an ihrem Verhalten: „Freunde, die ich zuvor nur einmal im Jahr gesehen habe, rufe ich nun regelmäßig an. Auch mit meinen Kollegen treffe ich mich oft und weiß das zu schätzen. Und die Blume am Wegesrand, die ich wohl früher ignoriert hätte, schaue ich mir mittlerweile mit voller Aufmerksamkeit an.“

    Lesen Sie dazu auch: Herber Rückschlag für Peking im Rennen um Corona-Impfstoff

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