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China: Chinesischer Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist tot

China

Chinesischer Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist tot

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    Der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist im Alter von 61 Jahren verstorben. Das Bild zeigt den Dissidenten im Jahr 2008, seit 2009 saß er in Haft.
    Der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist im Alter von 61 Jahren verstorben. Das Bild zeigt den Dissidenten im Jahr 2008, seit 2009 saß er in Haft. Foto: Uncredited/AP Video/dpa

    "Ich sehe dem Tag entgegen, an dem meine Nation ein Land mit Meinungsfreiheit ist", sagte Liu Xiaobo am 23. Dezember 2009 seinen Richtern, als sie ihn wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilten. Er hoffe auf jenen Tag, an dem in China "verschiedene Werte, Ideen, Glaubensrichtungen und politische Ansichten miteinander im Wettbewerb stehen und friedlich koexistieren". Aber so viel Zeit hatte der 61-Jährige nicht mehr. Am Donnerstag starb

    Das Nobelkomitee hat den chinesischen Behörden eine erhebliche Mitverantwortung am Tod Liu Xiaobos gegeben. "Wir finden es zutiefst verstörend, dass Liu Xiaobo nicht in eine Einrichtung verlegt wurde, in der er eine angemessene medizinische Behandlung hätte bekommen können, bevor das Endstadium seiner Krankheit begann", erklärte die Präsidentin des Komitees, Berit Reiss-Andersen, am Donnerstag in Oslo.

    "Die chinesische Regierung trägt eine schwere Verantwortung für seinen vorzeitigen Tod", fügte sie hinzu.

    Die Bundesregierung hatte wiederholt eine Behandlung des Friedensnobelpreisträgers in Deutschland angeboten, auch Liu selbst hatte diesen Wunsch geäußert. Die chinesischen Behörden lehnten seine Behandlung im Ausland jedoch ab. Seine Ärzte im nordostchineschen Shenyang erklärten ihn für nicht transportfähig.

    Die USA haben in Folge des Todes die Freilassung der Witwe von Liu Xiaobo gefordert. Die chinesischen Behörden sollten

    Angela Merkel würdigt Xiaobos Lebensleistung

    Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Lebensleistung des chinesischen Dissidenten gewürdigt: "Ich trauere um Liu Xiaobo, den mutigen Kämpfer für Bürgerrechte und Meinungsfreiheit", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag im Namen von

    Das Bild zeigt den chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo in einem Krankenhaus in Peking vor zwei Wochen.
    Das Bild zeigt den chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo in einem Krankenhaus in Peking vor zwei Wochen. Foto: Andy Wong (dpa)

    Sein Leben lang hat sich der Bürgerrechtler für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz in China eingesetzt. Das norwegische Nobelkomitee zeichnete ihn 2010 für "seinen langen und gewaltlosen Kampf für fundamentale Menschenrechte in China" aus. Der damalige Komitee-Chef Thorbjørn Jagland verglich ihn mit dem südafrikanischen Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela und nannte Liu Xiaobo "ein Symbol in China selbst und international für den Kampf um Menschenrechte". 

    Salil Shetty, der Generalsekretär von Amnesty International, sagte: "Heute trauern wir um einen Giganten der Menschenrechte." Liu Xiaobo habe unermüdlich dafür gekämpft, die Menschenrechte in China zu stärken. "Wir stehen solidarisch hinter seiner Frau

    Bundesjustizminister Heiko Maas würdigte Xiaobo als einen "Helden im Kampf für Demokratie und Menschenrechte".

    Xiaobos Frau seit 2010 in ihrer Wohnung unter Hausarrest

    Typisch für den Bürgerrechtler war auch dieser Satz: "Ich habe keine Feinde und keinen Hass." Fast wie ein Testament erscheint heute im Rückblick sein Plädoyer, als sich die Gefängnistüren hinter ihm schlossen. Die Schauspielerin Liv Ullmann verlas den Text bei der Zeremonie zur Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo. Ein leerer Stuhl wurde zum Symbol der Unterdrückung in China.

    Liu Xiaobo war "Chinas Carl von Ossietzky", wie ein US-Diplomat den chinesischen Behörden im Juni empört vorwarf. Nur der von den Nazis inhaftierte deutsche Publizist hatte vor ihm den Friedensnobelpreis nicht entgegennehmen dürfen. Die Parallelen gehen weiter: Wie der Pazifist, der 1938 an Tuberkulose starb, kam auch

    Der Verfolgung durch das kommunistische System begegnete Liu Xiaobo mit Friedfertigkeit und Wohlwollen. Er wollte Hass durch Liebe zerstreuen: "Feindliche Mentalität vergiftet den Geist einer Nation, stiftet zu brutalen und tödlichen Kämpfen an, zerstört die Toleranz der Gesellschaft und der Menschheit und behindert den Fortschritt einer Nation in Richtung Freiheit und Demokratie."

    Vor seiner langen Haftzeit fand der Literat und Dichter die schönsten Worte für seine Frau Liu Xia: "Deine Liebe ist das Sonnenlicht, das über hohe Mauern springt und die Gitterstäbe meines Gefängnisfensters durchdringt." Am Ende sagte er: "Selbst wenn ich zu Pulver zermalmt werde, werde ich noch meine Asche nehmen, um dich zu umarmen."

    Für diese Liebe zahlte die Künstlerin einen hohen Preis: Sie wurde seit 2010 in ihrer Wohnung in Peking unter Hausarrest gehalten, litt schwer unter der Isolation und der Haft ihres Mannes. "Nicht konfrontativ, eher mäßigend und vernünftig", beschrieb sie ihn. Der Schriftstellerkollege Bei Ling sagte über seinen Freund: "Er ist ein sanfter Mensch und kann doch faule Kompromisse nicht ertragen."

    Dreimal hatte der Ehrenvorsitzende des chinesischen Pen-Clubs unabhängiger Schriftsteller davor schon im Gefängnis gesessen. Als am 4. Juni 1989 die Truppen anmarschierten und auch auf dem Platz des Himmlischen Friedens ein Blutbad drohte, vermittelten und organisierten Liu Xiaobo und seine Mitstreiter den friedlichen Abzug der Hungerstreikenden - auch gegen den Widerstand radikaler Kräfte.

    "Es muss ein Ende haben, dass Wörter Verbrechen sein können"

    Er könnte damit manchem das Leben gerettet haben, aber der Tod vieler anderer lastete immer auf ihm. Er weigerte sich, politisches Asyl in einer Botschaft zu beantragen, wurde verhaftet. Nach gut einem Jahr im Gefängnis gab er innerlich auf, schrieb auf Druck seiner Familie ein Geständnis, das ihm im Januar 1991 die Freiheit brachte. Er zog sich zurück, geplagt von Schuldgefühlen und dem Misstrauen von Mitstreitern über die Umstände seiner Entlassung.

    Seine erste Ehe ging in die Brüche. Seinem Sohn war er nach eigenem Empfinden ein schlechter Vater. 1995 wurde aus dem einsamen Kritiker aber wieder ein politischer Aktivist. Von Mai 1995 an wurde Liu Xiaobo für acht Monate festgehalten, im Oktober 1996 für drei Jahre in ein Umerziehungslager gesteckt.

    In Haft heiratete er im April 1998 seine Freundin Liu Xia, schrieb Liebesgedichte - schon damals mit der Analogie von Asche und Tod: "Bevor deine Asche im Grab versinkt, schreib mir damit einen Brief und vergiss deine Anschrift im Jenseits nicht." Er empfand seine Haftstrafe als Sühne. Im Oktober 1999 kam er wieder frei, half den "Müttern von Tian'anmen", dem Netzwerk der Opfer von 1989.

    An der Gründung des chinesischen Pen-Clubs 2001 war er maßgeblich beteiligt, übernahm den Vorsitz. Seine Persönlichkeit wurde zunehmend von oppositionellen Kräften und auch moderaten Stimmen im System akzeptiert. "Da stellte er eine wachsende Bedrohung aus Sicht der chinesischen Regierung dar", ist sein Freund Bei Ling überzeugt.

    Aus Anlass des 60. Jahrestages der UN-Menschenrechtserklärung verfasste Liu Xiaobo 2008 mit anderen Intellektuellen die "Charta 08" - einen Appell für Demokratie und Menschenrechte. Zwei Tage vor der Veröffentlichung holte ihn die Polizei ab. In dem Manifest heißt es: "Es muss ein Ende haben, dass Wörter Verbrechen sein können." dpa/AFP

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