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Chemnitz: Angriff auf jüdisches Restaurant: Kretschmer will den Besitzer treffen

Chemnitz

Angriff auf jüdisches Restaurant: Kretschmer will den Besitzer treffen

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    Am Abend des 27. August wurde sein jüdisches Restaurants "Schalom" angegriffen: Uwe Dziuballa will aber nicht aufgeben und weiterarbeiten.
    Am Abend des 27. August wurde sein jüdisches Restaurants "Schalom" angegriffen: Uwe Dziuballa will aber nicht aufgeben und weiterarbeiten. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Im Zuge der Ausschreitungen in Chemnitz ist in der sächsischen Stadt auch ein jüdisches Restaurant angegriffen worden. Wie AFP sagte, wurden am Abend des 27. August aus einer Gruppe heraus Gegenstände auf die Gaststätte geworfen - dabei sei auch gerufen worden: "Judensau, verschwinde aus Deutschland". Zuvor hatte die Welt am Sonntag berichtet, Dziuballas koscheres Restaurant "Schalom" sei von etwa einem Dutzend Neonazis angegriffen worden.

    Nach antisemitischer Attacke: Kretschmer will Restaurantbesitzer treffen

    Uwe Dziuballa habe Anzeige erstattet, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) will sich nach der Anzeige nun mit dem Wirt treffen. Der Regierungschef habe am Freitagabend mit dem Betreiber telefoniert und das Treffen verabredet, sagte der sächsische Regierungssprecher Ralph Schreiber am Samstag in Torgau. Ein Termin stehe aber noch nicht fest.

    Zuvor habe der Wirt Uwe Dziuballa einen bewegenden Brief an Kretschmer geschrieben. Darin schilderte er laut Schreiber die Attacke auf das Lokal am 27. August. An diesem Tag war eine aggressive, von Hooligan-Gruppen dominierte Demonstration durch Chemnitz gezogen. Ein Gruppe Vermummter soll das Lokal mit Flaschen und Steinen angegriffen und dabei antisemitische Parolen gerufen haben. Dziuballa sagte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Chemnitz, das Telefongespräch mit Kretschmer sei gut, vernünftig und sachlich gewesen.

    Neonazis sollen "Judensau, verschwinde aus Deutschland" gerufen haben

    Dziuballa sagte AFP, er habe an dem Montagabend, dem zweiten Tag von Protesten nach dem gewaltsamen Tod eines 35-Jährigen in Chemnitz, zunächst Geräusche gehört und sei nach draußen gegangen. Dort hätten sich dann zehn bis zwölf teils vermummte Menschen befunden. Dann habe er entweder laut gedacht oder auch tatsächlich gesagt: "Haut ab!"

    "Dann wurden mir verschiedene Gegenstände zugeworfen und jemand rief zu mir: 'Judensau, verschwinde aus Deutschland'". Er selbst sei an der Schulter getroffen worden, habe sich aber nicht in einem Krankenhaus behandeln lassen. Die Polizei sei dann "eine Minute später" gekommen und habe seine Aussage aufgenommen. Am vergangenen Donnerstag sei die Kriminalpolizei gekommen, um Spuren zu sichern.

    Der Welt am Sonntag zufolge ermittelt inzwischen das Landeskriminalamt. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte demnach, dass in dem Fall "derzeit eine politisch motivierte Tat mit einem antisemitischen Hintergrund naheliege". Die Ermittlungen dazu seien allerdings noch nicht abgeschlossen.

    Antisemitismusbeauftragter fordert "mit aller Härte" gegen die Täter vorzugehen

    Im vorliegenden Fall bearbeite das LKA Sachsen gemeinsam mit der Polizeidirektion Chemnitz den Sachverhalt, berichtete die Zeitung weiter. Demnach ist inzwischen auch der sächsische Staatsschutz und das polizeiliche Terrorismus- und Extremismus- Abwehrzentrum mit dem Fall befasst.

    Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich alarmiert. "Sollten die Berichte zutreffen, haben wir es mit dem Überfall auf das jüdische Restaurant in Chemnitz mit einer neuen Qualität antisemitischer Straftaten zu tun", sagte er der Welt am Sonntag. "Hier werden die schlimmsten Erinnerungen an die dreißiger Jahre wachgerufen."

    Klein forderte die sächsische Polizei und Staatsanwaltschaft auf, "nun unverzüglich und umfassend zu ermitteln und mit aller Härte" gegen die Täter vorzugehen. Der Staat müsse mit aller Deutlichkeit zeigen, "dass antisemitische Straftaten unverzüglich geahndet werden".

    Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus kritisiert Behörden

    Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus kritisierte, die Behörden hätten diesen "gewaltigen Fall von Antisemitismus" zeitnah öffentlich machen müssen. "Es ist ungeheuerlich, dass in Chemnitz ein vermummter Mob das einzige jüdische Restaurant attackiert, antisemitische Parolen ruft und die Öffentlichkeit erst Tage später von dem Fall erfährt. Dieser gewaltige Fall von Antisemitismus hätte zeitnah von den Behörden öffentlich gemacht werden müssen", erklärte Vereinssprecher Levi Salomon.

    Dziuballa will indes nicht aufgeben. "Das ist nicht typisch für Chemnitz", sagt er. "Seit das Restaurant im Jahr 2000 eröffnet wurde, ist es das erste Mal, dass ich so etwas erlebe." "Scheitern" sei deshalb "keine Option". "Wir werden weiter arbeiten", sagt er. "Damit versuche ich, die Gesellschaft positiv zu prägen."

    In Chemnitz war vor zwei Wochen ein 35-Jähriger getötet worden. Zwei aus Syrien und dem Irak stammende Männer wurden wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft genommen. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird gefahndet. Seit der Gewalttat hat es in Chemnitz mehrfach Kundgebungen auch rechter Gruppen gegeben, die teilweise in Ausschreitungen mündeten. (afp)

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