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Castingshows: Zwei Promis rechnen mit DSDS ab

Castingshows

Zwei Promis rechnen mit DSDS ab

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    Dieter Bohlen
    Dieter Bohlen Foto: gb

    Sie singen, tanzen, stöckeln über den Laufsteg, lassen sich von Dieter Bohlen oder Heidi Klum vor einem Millionenpublikum runterputzen und machen sich jederzeit zum Affen, wenn es gewünscht wird: Die unzähligen Kandidaten von Castingshows scheuen keine Peinlichkeit und scheinen keine Schmerzgrenze zu kennen. Es ist die Sucht nach Aufmerksamkeit, die sie antreibt, denn öffentliche Wahrnehmung ist heutzutage ein hohes Gut. So weit, so altbekannt.

    "Neu ist, dass die mediengerechte Selbstdarstellung und das Werben um öffentliche Aufmerksamkeit allgegenwärtig geworden sind", schreiben die Medienexperten Bernhard Pörksen und Wolfgang Krischke in ihrem Buch "Die Casting-Gesellschaft".

    Für das lesenswerte Werk haben Studierende der Universität Tübingen 26 Fernsehmacher, Berater, Experten und nicht zuletzt Kandidaten von Castingshows befragt, zu Wort kommen unter anderem Anke Engelke, Christian Rach, Heide Simonis und Dieter Wedel.

    Die Interviews gewähren dem Leser einen umfassenden Einblick in die nicht selten zynischen Mechanismen dieser Shows und zeigen, dass es bei Sendungen wie "Deutschland sucht den Superstar" (RTL) oder "Germany's next Topmodel" (Pro Sieben) keineswegs darum geht, Talente zu finden, sondern nur darum, dem Zuschauer eine sorgfältig inszenierte Show mit verteilten Rollen zu bieten.

    Zu "Menschenmaterial" degradiert

    Wer sich bei einem Casting anmelde, werde von den Fernsehmachern zum reinen "Menschenmaterial" degradiert, sagt etwa der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz in einem der Interviews. "Die Menschenwürde gibt man an der Garderobe ab."

    Das sehen die Macher von umstrittenen Casting- oder Realityshows wie Inka Bause von "Bauer sucht Frau" ("Unsere Teilnehmer sind keine Opfer"), RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger ("Sie wissen alle, worauf sie sich einlassen") oder die ehemalige "Big Brother"-Moderatorin Miriam Pielhau ("Viele Menschen planen ihre Auftritte zu 100 Prozent") natürlich ganz anders - es spricht für das Buch, dass sie ausführlich zu Wort kommen.

    Interessanter sind freilich die Aussagen von Interviewpartnern wie Markus Grimm, Sieger der vierten Staffel von "Popstars", oder Fiona Erdmann, die bei "Germany's next Topmodel" die Zicke abgeben musste: Sie berichten von Rollenzuweisungen, Knebelverträgen und anderen Zumutungen, die man als Kandidat hinnehmen muss, von einer relativ gnadenlosen Show-Maschinerie, in der die Inszenierung alles ist und die meisten Kandidaten wieder in der Versenkung verschwinden, wenn das Fernsehspektakel vorbei ist.

    Persönlich schwer enttäuscht

    Dabei wurde Markus Grimm von "Popstars"-Tanzcoach Detlef Soost auch persönlich schwer enttäuscht: "Wir hatten, während die vierte Staffel lief, ein sehr vertrautes, freundschaftliches Verhältnis. Und als ich ihn dann zwei Wochen nach dem Finale anrief, sagte er nur: ,Markus wer?'"

    Für die Sender seien die Kandidaten eben nur "lebendes, billiges, williges Sendematerial", gibt der frühere Sat.1-Chef Roger Schawinski in dem aufschlussreichen Buch zu bedenken. "Für einige mag es gut enden, aber für viele ist es kaum zu verarbeiten. Den Verantwortlichen in den Sendern ist es aber vollkommen gleichgültig, wie sich der Kandidat fühlt." Der Satiriker und Medienkritiker Oliver Kalkofe setzt sogar noch einen drauf, wenn er davon spricht, "dass das Fernsehen die Fähigkeit besitzt, bösartig zu sein." Von Martin Weber

    Bernhard Pörksen/Wolfgang Krischke (Hrsg.), Die Casting-Gesellschaft - Die Sucht nach Aufmerksamkeit und das Tribunal der Medien, Herbert von Halem Verlag, Köln, 346 S., 18 Euro.

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