David McAllister hat bereits abgesagt. Der Noch-Ministerpräsident von Niedersachsen, der bei den Landtagswahlen am 20. Januar die Mehrheit und damit die Macht in Hannover verlor, will nicht nach Berlin wechseln und im Falle eines Rücktritts von Annette Schavan für sieben Monate Bundesminister für Bildung und Forschung werden.
Dabei sähen viele in der Union in dem 42-jährigen Christdemokraten eine Bereicherung für das Bundeskabinett, die im Wahljahr noch für etwas frischen Wind sorgen könnte.
Generalsekretär Gröhe brächte Vorteile mit sich
Und so konzentriert sich die Suche nach einem möglichen Nachfolger auf andere Namen. Immer wieder wird CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ins Spiel gebracht, der gleich drei Vorteile auf sich vereinen würde: Erstens gilt er als enger Merkel-Vertrauter, zweitens hat er sich im Vorfeld des Leipziger Parteitags 2011 intensiv mit Bildungspolitik beschäftigt und drittens ist er Nordrhein-Westfale, womit er für den größten CDU-Landesverband jenen Sitz im Kabinett zurückholen würde, den man durch die Entlassung von Umweltminister Norbert Röttgen im Mai vergangenen Jahres verloren hat.
Da Gröhe als Generalsekretär allerdings maßgeblich für den Bundestagswahlkampf verantwortlich ist und die Kampagne bislang vorbereitet hat, gilt es als unwahrscheinlich, dass Merkel kurz vor der heißen Phase ihren Mann im Adenauer-Haus abzieht und einen Nachfolger installiert, der sich erst mühsam einarbeiten müsste.
Auch Laschet und Wanka sind im Gespräch
Das eröffnet möglicherweise einem anderen Nordrhein-Westfalen die Chance auf den Sprung ins Kabinett: Armin Laschet, von 2005 bis 2010 Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen und seit Dezember stellvertretender CDU-Chef.
Annette Schavan und die Plagiatsaffäre
28. Februar 2011: Schavan ist eine der ersten aus der Union, die sich kritisch zur Guttenberg-Affäre äußern. «Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich», wird sie in der «Süddeutschen Zeitung» zitiert.
18. Juni 2011: Der Doktortitel müsse «Ausdruck einer wissenschaftlichen Qualifikation und nicht ein Statussymbol oder Titelhuberei sein», sagt Schavan in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». Die Universitäten müssten sich auch selbstkritisch mit den jüngsten Plagiatsfällen auseinandersetzen.
29. April 2012: Im Internet tauchen anonyme Vorwürfe auf, auch Schavan habe in ihrer Dissertation Quellen nicht vollständig aufgelistet und zum Teil «verschleiert».
2. Mai: Schavan fordert den Verfasser auf, sich zu erkennen zu geben, und verspricht Aufklärung. Ein Sprecher der Uni Düsseldorf kündigt an, die Promotionskommission werde die Vorwürfe prüfen.
5./6. Mai: In einem schriftlich geführten Interview mit «Spiegel Online» legt der Plagiatsjäger nach: Er halte es «für belegbar, dass Frau Schavan plagiiert hat, wenn auch in geringerem Maße als andere», behauptet der anonyme Blogger, der sich hinter dem Pseudonym «Robert Schmidt» verbirgt.
10./11. Mai: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Schavan ihr Vertrauen aus. Ein Sprecher der Uni Düsseldorf teilt mit, der Ausschuss habe mit der Überprüfung der Vorwürfe begonnen.
14. Oktober: Einer der Gutachter wirft Schavan vor, sie habe in ihrer Doktorarbeit bewusst getäuscht. Es ergebe sich das «charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise», zitieren «Spiegel» und die «Süddeutsche Zeitung» aus der Analyse. «Die Unterstellung einer Täuschungsabsicht weise ich entschieden zurück», sagt Schavan.
15./16. Oktober: Merkel spricht Schavan erneut das Vertrauen aus. Rückendeckung bekommt sie auch von ihrem Doktorvater, dem Pädagogikprofessor Gerhard Wehle. Oppositionspolitiker legen Schavan den Rücktritt nahe, sollte sich der Verdacht bestätigen.
22. Januar 2013: Die Universität Düsseldorf eröffnet ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). In einer geheimer Abstimmung stimmt der Fakultätsrat mit 14 Ja-Stimmen und einer Enthaltung für die Einleitung des Hauptverfahrens.
05. Februar 2013: Die Universität Düsseldorf entzieht Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Doktortitel.
Schon vier Tage später gibt Annette Schavan ihren Rücktritt als Bundesbildungsministerin bekannt.
Als aussichtsreichste Anwärterin für den Schavan-Job wird in Unionskreisen immer wieder auch Johanna Wanka genannt, Noch-Ministerin für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, zuvor Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg, davor Professorin für Ingenieurmathematik und Rektorin an der Hochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt, eine ausgewiesene Wissenschaftlerin und anerkannte Fachpolitikerin aus dem Osten mit West-Erfahrung. Für sie spricht, dass mit ihrer Berufung der Frauenanteil im Kabinett gleich bliebe.
Intern ist Schavans Rücktritt so gut wie besiegelt
Dass all diese Namen überhaupt gehandelt werden, ist ein Indiz dafür, dass in der CDU allen offiziellen Treueschwüren zum Trotz bereits intensiv über die Zeit nach Annette Schavan nachgedacht wird.
Nach außen stehen die CDU-Granden fest hinter ihrer Bildungs- und Forschungsministerin, intern aber machen viele keinen Hehl daraus, dass sie einen Rücktritt für unumgänglich halten – je schneller, desto besser für die Partei, die Koalition und die Regierung.
„Wenn die Ansprüche gelten, die sie selber im Fall Guttenberg angelegt hat, muss sie die Konsequenzen ziehen“, sagt ein altgedienter Abgeordneter im Gespräch mit unserer Zeitung. Und fügt fast schon drohend hinzu: „Spätestens am Wochenende muss eine Entscheidung fallen. Wenn sie sich länger ans Amt klammert, wird das die Partei zerreißen.“
Merkels Vertrauen soll nicht viel bedeuten
Heute Abend kehrt Annette Schavan von ihrer Südafrika-Reise zurück, danach soll es ein Vier-Augen-Gespräch mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel geben. Dass diese ihrer langjährigen Vertrauten das „volle Vertrauen“ ausgesprochen hat, habe nichts zu bedeuten, sagen Insider.
Die Kanzlerin habe sich öffentlich auch hinter Verteidigungsminister Franz Josef Jung, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, Bundespräsident Christian Wulff und Umweltminister Norbert Röttgen gestellt – und alle konnten sich dennoch nicht im Amt halten.
„Wenn Merkel beim Gespräch mit Annette Schavan den Daumen senkt und ihr klarmacht, dass ihr Verbleib im Amt zu einer Belastung für die Partei und die Regierung wird, weiß Schavan, was sie zu tun hat – sie muss ihren Rücktritt erklären“, sagt ein CDU-Mann.
Und dann wird Merkel machen, was sie in solchen Fällen immer machte: Sie wird ihrer zurückgetretenen Ministerin Dank und Anerkennung zollen. Und einen Nachfolger bestimmen. Oder eine Nachfolgerin.