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CDU-Vorsitz: Merz stellt deutsches Asylrecht zur Debatte - Spahn und AKK widersprechen

CDU-Vorsitz

Merz stellt deutsches Asylrecht zur Debatte - Spahn und AKK widersprechen

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    Die drei aussichtsreichsten Bewerber um den CDU-Vorsitz. Links im Bild: Friedrich Merz.
    Die drei aussichtsreichsten Bewerber um den CDU-Vorsitz. Links im Bild: Friedrich Merz. Foto: Arifoto Ug/Michael Reichel/dpa

    Im Rennen um den CDU-Vorsitz hat Mitbewerber Friedrich Merz eine Debatte über das deutsche Asylrecht gefordert. Deutschland sei das einzige Land der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in der Verfassung stehen habe, sagte Merz während der dritten CDU-Regionalkonferenz am Mittwoch im thüringischen Seebach bei Eisenach. Er sei seit langem der Meinung, dass offen darüber geredet werden müsse, ob dieses Asylgrundrecht "in dieser Form fortbestehen" könne, wenn eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ernsthaft gewollt sei. "Wir müssen irgendwann einmal eine große öffentliche Debatte darüber führen, ob man einen gesetzlichen Vorbehalt ins Grundgesetz schreibt", sagte Merz.

    Ein Vorstoß, auf den Mitbewerber Jens Spahn einen Tag später reagierte: Er stellte sich grundsätzlich hinter das geltende Grundrecht auf Asyl - und grenzte sich damit von Merz ab. "Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte ist vor dem Hintergrund zweier Weltkriege, von großem Leid und Vertreibungen eine große Errungenschaft unseres Grundgesetzes", teilte Spahn am Donnerstag mit. Zugleich betonte er aber auch: "Um Akzeptanz für dieses wichtige Grundrecht zu erhalten, müssen wir zuallererst unsere EU-Außengrenze wirksam schützen und unsere Asylverfahren beschleunigen."

    CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte Merz' Vorstoß ebenfalls: "Die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl oder eine Einschränkung in einer Art und Weise, dass es de facto dieses Grundrecht so nicht mehr gibt, wie es auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes sich das überlegt haben, das halte ich mit dem Wesenskern der CDU und im übrigen auch mit dem Erbe etwa von Helmut Kohl für nicht vereinbar", sagte sie in einer Fragerunde auf bild.de

    Am Grundgesetz solle nicht leichtfertig herumgeschraubt werden, zumal es in der Vergangenheit beim Thema Asyl bereits angepasst worden sei, sagte Kramp-Karrenbauer. In einer Zeit, wo lediglich ein Prozent der Flüchtlinge über das deutsche Asylrecht anerkannt werde, müsse vielmehr darüber geredet werden, wie eine konsequente Rückführung von nicht bleibeberechtigten Menschen durchgesetzt werden könne. Für eine Grundgesetzänderung seien qualifizierte Mehrheiten und entsprechende Partner nötig, sagte Kramp-Karrenbauer - eine dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag dürfte kaum zustande kommen. "Insofern würde ich mich eher auf das konzentrieren, was wir heute tun können."

    Das Grundrecht auf Asyl in Deutschland

    In Deutschland ist das Recht auf Asyl im Grundgesetz verankert. Festgelegt ist dies in Artikel 16a. Dort heißt es in Absatz eins: «Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.» Tatsächlich wird das Asylrecht in der Bundesrepublik damit - anders als in vielen anderen Staaten - nicht allein aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt, sondern hat Verfassungsrang.

    Mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 wurde dieses Grundrecht allerdings deutlich eingeschränkt. Unter dem Eindruck stark gestiegener Asylbewerberzahlen vor allem aus dem damaligen Jugoslawien setzten Union, FDP und SPD damals eine Grundgesetzänderung durch. Eine Folge: Wer über einen sicheren Drittstaat einreist, konnte sich seither nicht mehr auf das Asylgrundrecht berufen.

    In der Praxis bekommen Menschen, die heute vor Krieg und Krisen nach Deutschland fliehen, nur selten eine Asylberechtigung nach Artikel 16a des Grundgesetzes. Die meisten erhalten Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder einen eingeschränkten (subsidiären) Schutz. Das gilt für Menschen, die nicht als politisch verfolgt gelten, aber trotzdem bleiben dürfen, weil ihnen in der Heimat «ernsthafter Schaden» droht - wie Folter, Todesstrafe oder willkürliche Gewalt in einem bewaffneten Konflikt.

    Merz hatte am Mittwoch zudem eine Klarstellung verlangt, dass durch den geplanten UN-Migrationspakt keine neuen Asylgründe geschaffen werden. Das müsse in "geeigneter Weise klargestellt werden", sagte er bei der Regionalkonferenz und schlug dafür eine Protokollerklärung der Bundesregierung oder eine Entschließung des Bundestags vor. Zum Beispiel dürfe der Klimawandel nicht als politische Verfolgung und damit als Asylgrund gelten. "Das sind Dinge, die wir in Deutschland auch durch die Hintertür nicht akzeptieren können." Der umstrittene Pakt, gegen den sich in mehreren Ländern teils vehementer Widerstand regt, soll am 10. und 11. Dezember in Marokko angenommen werden.

    Auf dem CDU-Parteitag soll es auch um dem Migrationspakt gehen

    Die drei aussichtsreichsten Kandidaten für den CDU-Vorsitz stellten sich am Mittwochabend erstmals auf einer Regionalkonferenz in Ostdeutschland vor. Einig waren sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der Politik-Rückkehrer Merz und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer darin, dass sie die AfD zurückdrängen wollen. Mehr und offenere Debatten sollen dabei helfen.

    Kramp-Karrenbauer zeigte sich mit Blick auf den Streit um den Migrationspakt und die enthaltenen, unverbindlichen Grundsätze im Umgang mit Migranten selbstkritisch: "Wir müssen in Zukunft sehr viel besser spüren, was eine Frage werden kann, und wir müssen sehr viel früher beginnen, darüber auch zu diskutieren." Allerdings unterdrücke die CDU keine Diskussion darüber, sondern plane eine Debatte auf dem Parteitag. Sie werde dort für den Pakt streiten. Damit nahm sie das Argument Spahns auf, der die Debatte innerhalb der CDU maßgeblich angestoßen hatte: "Wenn wir nicht debattieren, überlassen wir das Feld den anderen", sagte er. Zuvor hatte der Gesundheitsminister mehr Mut zu Meinungsvielfalt gefordert und vor "politischer Überkorrektheit" gewarnt.

    Große Koalition will Bamf entlasten

    Auch andernorts ist das Asylrecht momentan Thema. Die Große Koalition will einem Bericht zufolge das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) durch eine vorübergehende Änderung des Asylrechts entlasten. Das teilte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit. Demnach soll die Frist zur routinemäßigen Überprüfung positiver Asylbescheide auf Wunsch des Bamf wohl von drei auf fünf Jahre verlängert werden - zumindest für jene Flüchtlinge, die 2015 und 2016 einen Asylantrag gestellt haben, als besonders viele Migranten nach Deutschland kamen. Dieselbe Forderung hatte auch schon die CSU-Politikerin Andrea Lindholz als Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags erhoben.

    "Die SPD ist bereit, eine befristete Regelung vorzunehmen", sagte Lischka dem RND. "Das gilt insbesondere für die Jahrgänge 2015 und 2016, als wir bis zu 890.000 Asylverfahren im Jahr hatten." Das Bamf solle die Gelegenheit bekommen, diese sogenannten Widerrufsverfahren sorgfältig und ohne Zeitdruck abzuarbeiten - auch um zu vermeiden, dass sie zulasten der Bearbeitung neuer Asylanträge gehen. "Wir wollen aber nicht, dass daraus eine Dauerlösung wird", sagte Lischka. Nach Gesprächen mit Innenminister Horst Seehofer (CSU) werde dazu nun ein konkreter Formulierungsvorschlag seiner Behörde erwartet.

    Bei den Überprüfungen geht es darum, ob die Voraussetzungen für einen positiven Asylbescheid noch gegeben sind - also vor allem, ob sich die Bedingungen im Herkunftsland geändert oder neue Erkenntnisse zur Identität des Flüchtlings ergeben haben. Letzteres gilt vor allem für Ausländer, die ohne Papiere gekommen waren. (dpa/AZ)

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