Trotz der langen Findungsphase scheint das Rennen um den Parteivorsitz offen. Fest steht nur: Es wird ein Mann und er kommt aus Nordrhein-Westfalen. Doch was würde ein Sieg von Merz, Laschet oder Röttgen bedeuten?
Friedrich Merz: Der 65-Jährige gilt als krassester Gegenentwurf sowohl zur Noch-CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer als auch – und vor allem – zu Kanzlerin Angela Merkel. Die hat ihre Partei über Jahre hinweg in eine Richtung geführt, die vor allem konservativen Kreisen ein Dorn im Auge ist. Merz gilt als deren Fürsprecher und Hoffnungsträger. Und genau das könnte ihm beim Parteitag gefährlich werden. Denn die Abstimmung über den künftigen Vorsitzenden ist auch mit einer ganz klaren Machtperspektive verbunden.
Friedrich Merz würde die Kraftfelder in der CDU verschieben
Die Delegierten werden sich also fragen, mit wem ihre Partei bei der Bundestagswahl im Herbst die besten Chancen hat. Wird Merz vielleicht sogar Wählerschichten, die Merkel an die CDU gebunden hat, in Richtung Grüne oder SPD vertreiben? Doch selbst wenn die Teilnehmer des Parteitags zu dem Ergebnis kommen, dass Friedrich Merz der richtige Kandidat ist, wird er die Entwicklung der vergangenen Jahre kaum zurückdrehen können. Die CDU wurde nicht nur von Angela Merkel verändert – sie hat sich auch selbst verändert. Minderheiten, Frauen, soziale Standards: Vieles, was den Konservativen als Sündenfall ihrer Partei gilt, ist gesellschaftlicher Konsens geworden.
Und doch dürften sich die Kraftfelder innerhalb der CDU bei einer Wahl Merz’ deutlich verschieben. Es ist kein Zufall, dass etwa die Frauen Union ausdrücklich nicht für den Juristen wirbt. Der lehnt unter anderem die Einführung einer Frauenquote ab – ein Thema, um das in der Partei lange gerungen wurde und bei dem sich die CDU-Spitze erst im Herbst pro Quote positionierte. Auch andere Gruppen warnen mehr oder weniger offen vor Friedrich Merz – sie stellen sich also nicht nur nicht auf seine Seite, sondern wenden sich gegen ihn.
Die FAZ bezeichnete ihn als "Sauerland-Trump"
Seine schwierigste Aufgabe als CDU-Chef wäre deshalb wohl, die Partei zu versöhnen. Nicht alle trauen ihm das zu. Immer wieder fiel er mit einer scharfen Wortwahl auf. Sogar die konservative FAZ bezeichnete ihn als „Sauerland-Trump“. Und doch gibt es da ein Argument, das gerade in den vergangenen Wochen und Monaten an Gewicht zugelegt hat: Der Schwerpunkt von Friedrich Merz liegt auf der Wirtschaftspolitik. Gerade in Krisenzeiten könnte das von Bedeutung sein. Die Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre trägt die Handschrift der Sozialdemokraten. Das würde sich unter Merz ändern. Er gilt als wirtschaftsliberal.
Als Koalitionspartner bietet sich ihm die FDP an, der Klassiker sozusagen. Mit den Grünen hingegen fremdelt Merz – allen offensiven Flirtversuchen zum Trotz. Stärkere Bemühungen für den Klimaschutz auf Kosten der Wirtschaft will der CDU-Politiker nicht mittragen.
Was könnte nach einer Niederlage geschehen
Offen ist, was geschieht, wenn Merz auch diesmal seinen Konkurrenten unterliegt. Zumindest ein Vize-Posten wird immer unwahrscheinlicher. Der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel sagte der Saarbrücker Zeitung: „Es können nicht alle wichtigen Posten mit Spitzenpolitikern aus NRW besetzt werden.“ Die CDU müsse das ganze Land im Parteivorstand abbilden. „Frauen und Männer, Jung und Alt.“
Armin Laschet: In den Anfangsmonaten der Corona-Krise gehörten die Schaukämpfe zwischen Laschet und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder beinahe zur Tagesordnung. Während Laschet vor der harten politischen Hand zurückschreckte, setzte Söder auf Strenge. Inzwischen ist er längst im Lager der Corona-Mahner angekommen – doch der Ruf des Zauderers klebt an dem Rheinländer wie Dreck an den Sohlen. Und doch geht er für viele als Favorit ins Rennen um den Parteivorsitz.
Die Hoffnung seiner Unterstützer: Wer jetzt Merkel-Anhänger ist, wird sich auch im Team Laschet aufgehoben fühlen. In vielen Punkten wird Laschet wohl die Politik seiner Vorgängerin(nen) fortführen. Als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen konnte er beweisen, dass er mit Regierungsverantwortung und Koalitionspartnern umgehen kann. Das wird er auch nicht müde zu betonen. „Regieren ist noch einmal etwas ganz anderes, als in schönen Worten die Weltlage zu beschreiben“, sagte er der WAZ.
So regiert Armin Laschet in NRW
Wer wissen will, wie Armin Laschet Deutschland regieren würde, braucht daher nur nach Nordrhein-Westfalen zu schauen. Vor allem in der Sicherheitspolitik ist der Ministerpräsident alles andere als der nette Onkel, als der er so manchem scheint. Egal ob es um die Abschiebung von Gefährdern geht oder den Kampf gegen Clans: Ein Kuschelkurs ist nicht zu erwarten. Und das, obwohl er in der Flüchtlingskrise klar auf Merkel-Linie war. Immer wieder warnt Laschet davor, die deutsche Industrie durch überzogene Klimaschutzmaßnahmen zu ruinieren. Ausgerechnet das Gründungsmitglied der sogenannten Pizza-Connection, einer Runde von Politikern aus Union und den Grünen, steht damit der FDP recht nahe. Eine Koalition – wenn sie denn ausreichen würde – wäre also naheliegend. Ein Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP sei ihm lieber als Schwarz-Grün. „Denn wir brauchen auch ein Korrektiv. Deshalb wünsche ich mir für die Bundestagswahl eine starke FDP“, sagt Laschet offen. Mit den Grünen müsse die CDU bei jedem einzelnen Thema Grundsatzdebatten führen – „erst recht auf Bundesebene mit vielen linken Grünen“. Entsprechend gereizt reagierte er auf die Kritik von Röttgen an der FDP in einem Interview mit unserer Redaktion.
Norbert Röttgen: Er war lange Zeit der Außenseiter des Bewerber-Trios. Doch in den vergangenen Wochen ist es dem Juristen gelungen, in die Lücke zwischen dem Provokateur Merz und dem Merkel-getreuen Laschet zu stoßen. Seine Umfragewerte haben sich massiv verbessert. Auch, weil er ein gefragter Experte in außenpolitischen Fragen ist und in Wochen, in denen die Welt gebannt in die USA blickt, mit kritischen Analysen punkten kann.
Sein Versprechen ist wohl das modernste: Die Partei müsse weiblicher, jünger, digitaler und interessanter werden, sagte Röttgen bei seinen Auftritten in den Kandidatenrunden. In der CDU müsse wieder um Themen gerungen werden, ohne dass das Ergebnis von vornherein feststehe. Das will er auch personell festmachen. Der CDU-Vorsitz-Kandidat hat sich für eine verbindliche Frauenquote in seiner Partei ausgesprochen.
Norbert Röttgen will nicht mit der FDP regieren
Anders als Merz und Laschet sieht Röttgen in den Grünen nicht nur den Widersacher, sondern auch einen möglichen Koalitionspartner. Der frühere Umweltminister will die Klimapolitik vorantreiben, da würde ein schwarz-grünes Bündnis ihm Glaubwürdigkeit verleihen. In einem Interview mit unserer Redaktion bezeichnete er die FDP hingegen als „unsichere Kantonisten“. Das kam in Teilen der CDU nicht gut an. Der frühere stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter schreibt in seinem Blog: „Vor einer Bundestagswahl, die aus Sicht der CDU/CSU mit Sicherheit sehr schwierig wird, eine von vielleicht nur zwei Koalitionsoptionen ohne jeden aktuellen Anlass einfach mal in die Tonne zu treten ist so dumm, dass es wohl auch der letzte Delegierte des CDU-Parteitags merkt.“
Der 55-Jährige ist der Kandidat, der die Türen am weitesten offen lässt. Röttgen greift zwar nach dem Parteivorsitz, doch ob ein Sieg beim Parteitag automatisch auch den Griff nach der Kanzlerkandidatur bedeutet, lässt er offen. Doch ob Röttgen im Fall eines Sieges wirklich auf die eigene Kandidatur und damit den Einzug ins Kanzleramt verzichten würde, ist nicht gesagt.
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