Nach dem Parteitag in Leipzig hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihr Kooperationsangebot an den früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz erneuert. "Er weiß, dass er sich in diese Partei einbringen kann", sagte Kramp-Karrenbauer der Bild am Sonntag. Es sei jetzt an ihm, das auch zu tun. "Mein Angebot, dass er noch stärker eingebunden werden kann, steht nach wie vor."
Friedrich Merz zählt zu den größten Kritikern von Annegret Kramp-Karrenbauer
Kramp-Karrenbauer hatte auf dem Parteitag am Freitag überraschend die Machtfrage gestellt und ihre Kritiker damit in die Schranken gewiesen. Der Parteitag stärkte ihr deutlich den Rücken, daraufhin versicherte ihr größter Rivale Merz (CDU) ihr seine Loyalität. Er bot an, sich weiter für die CDU zu engagieren und gemeinsam die Partei nach vorne zu bringen. Die Frage der Kanzlerkandidatur hielt er aber weiter offen. Merz hatte nach der Wahlschlappe in Thüringen das Erscheinungsbild der Bundesregierung als "grottenschlecht" bezeichnet und dafür vor allem Kanzlerin Angela Merkel verantwortlich gemacht.
Kramp-Karrenbauer zog in der Bild am Sonntag eine positive Bilanz des CDU-Parteitags. "Ich bin sehr zufrieden mit diesem Parteitag, fühle mich von meiner Partei unterstützt", sagte Kramp-Karrenbauer.
Wichtige Beschlüsse des Leipziger CDU-Parteitags
Von der Urwahl bis zur Rente - die CDU hat auf ihrem Parteitag in Leipzig eine Reihe Beschlüsse gefasst. Ein Überblick über die wichtigsten:
Urwahl: Nach heftiger Debatte lehnt die CDU letztlich eine Urabstimmung über ihren Kanzlerkandidaten für die nächste Bundestagswahl ab. Traditionell hat bei der CDU der oder die Vorsitzende den Erstzugriff auf die Kanzlerkandidatur. Vor allem die Junge Union (JU) hatte sich jedoch für eine Urwahl stark gemacht, was als Affront gegen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer verstanden wurde. Neben dem Urwahl-Antrag der JU lehnten die Delegierten mehrheitlich auch ähnliche Anträge mehrerer Kreisverbände ab. Möglicherweise wird die CDU bei wichtigen Personalien aber auf Regionalkonferenzen setzen, wie es sie voriges Jahr im Kandidatenrennen um den Parteivorsitz gegeben hatte. Ein entsprechender Antrag des Kreisverbands Ravensburg wurde zur Beratung an eine Struktur- und Satzungskommission überwiesen.
Huawei: Nicht weniger heftig diskutiert war eine Beteiligung des umstrittenen chinesischen Konzerns Huawei beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunks. Die CDU will nun nicht speziell Huawei davon ausschließen. Vertrauenswürdig könnten beim Ausbau "nur solche Ausrüster sein, die einen klar definierten Sicherheitskatalog nachprüfbar erfüllen", heißt es im Beschluss nun allgemeiner. Dies müsse beinhalten, "dass eine Einflussnahme durch einen fremden Staat auf unsere 5G-Infrastruktur ausgeschlossen ist". Vor allem in der Unionsfraktion hatte es vor dem Parteitag schwere Bedenken dagegen gegeben, Huawei in den 5G-Ausbau einzubinden. Kanzlerin Angela Merkel, die sich weltweit gegen Protektionismus einsetzt, hatte entgegnet, dass kein bestimmter Staat und kein bestimmtes Unternehmen generell außen vor gelassen werden könne.
Grundrente: Nach den Diskussionen der vergangenen Tage unterstrich die CDU, am Grundrenten-Kompromiss mit der SPD festzuhalten. Der Parteitag stimmte mehreren Anträgen zu, die im Grundsatz argumentieren: "Bei der Umsetzung der Grundrente ist darauf zu achten, dass die vereinbarten Bedingungen mit Inkrafttreten der Grundrente eingehalten werden." In einem der Anträge des Arbeitnehmerflügels CDA heißt es, bei Vollzeitbeschäftigung brauche es derzeit einen Stundenlohn von mindestens 12,63 Euro, um im Alter eine Rente über Grundsicherungsniveau zu bekommen. "Mehr als jeder vierte Beschäftigte verdient derzeit weniger und ist deshalb langfristig von Altersarmut bedroht."
Private Altersvorsorge: Die CDU will die private Altersvorsorge stärken und notfalls langfristig zur Pflicht machen. Die private Vorsorge soll effizienter gemacht und verbindlicher gestaltet werden. "Dazu soll in einem ersten Schritt die bestehende private Altersvorsorge an zentralen Stellen verbessert werden, indem der Staat Kriterien für ein Standardvorsorgeprodukt festlegt." Legt die Zahl der Verträge nicht um 30 Prozent innerhalb von drei Jahren zu, soll das Produktportfolio um ein "staatlich organisiertes Standardvorsorgeprodukt" erweitert werden. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob dieses Produkt dann verpflichtend für alle wird.
Minijobs: Die CDU setzt sich für eine Anhebung der Minijobgrenze auf 550 Euro ein. Zudem soll künftig in einem Fünf-Jahres-Rhythmus überprüft werden, ob die Einkommensgrenze erneut angepasst werden muss. Derzeit liegt die Minijobgrenze bei 450 Euro. Rund 8 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten als geringfügig Beschäftigte.
Mindestlohn: Er soll besser gemacht werden. Die Mindestlohnkommission, die praktisch über die Löhne von rund vier Millionen Menschen entscheide und damit quasi die "weitreichendsten Tarifverhandlungen" in Deutschland führe, solle sich eine neue Geschäftsordnung geben. Sie solle von der bisherigen Praxis einer quasi-automatischen Erhöhung anhand des Tarif-Indexes abrücken. Die in der Kommission sitzenden Wissenschaftler sollen "die konkreten Spielräume" nutzen. Der Arbeitnehmerflügel CDA hatte in seinem Ursprungsantrag kritisiert, dass der Mindestlohn seit Einführung 2015 "um kümmerliche 69 Cent" gestiegen sei. "Wer für 9,19 Euro die Stunde schuften geht", werde spätestens in der Rente auf Grundrente angewiesen sein. Über den Mindestlohn berät die Kommission jährlich, alle zwei Jahre wird er angepasst.
Planungsrecht: Die CDU will auch das Planungsrecht bei Bauprojekten reformieren, damit Planungen schneller und einfacher umgesetzt werden können. "Das Planungsrecht ist für heutige Verhältnisse nicht mehr zeitgemäß", heißt es. National bedeutsame Bauprojekte will die CDU in ein Parlamentsgenehmigungsrecht einführen. Zudem plant die Partei, das Klagerecht von Verbänden auf jene zu beschränken, die thematisch direkt betroffen sind. Außerdem soll der Instanzenweg bei den Gerichten verkürzt werden.
Kopftuchverbot: Die CDU zieht es für Kindergärten und Grundschulen in Betracht - "als letztmögliche Maßnahme". In erster Linie setze die Partei aber auf die Überzeugung der Eltern. "Wenn kleine Mädchen schon im Kindergarten und in der Grundschule Kopftuch tragen, dann hat dies nichts mit der Religion zu tun", sondern mach Kinder erkennbar zu Außenseitern, heißt es zur Begründung. Grundsätzlich stehe die CDU für Glaubensfreiheit.
Gleichwertige Lebensverhältnisse: Die CDU bekennt sich zum Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall gebe noch viel zu tun, um die innere Einheit zu vollenden, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff bei der Verabschiedung einer "Leipziger Erklärung". "Aber wenn es jemand schafft, dann ist es die CDU."
Mietendeckel: Die Bundestagsfraktion wurde aufgefordert, den Berliner Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Ein Mietendeckel ersetze die Mechanismen der sozialen Marktwirtschaft durch Planwirtschaft, erklärt die Partei.
Die Junge Union (JU) kündigte derweil an, auch nach dem Scheitern ihres Urwahlantrags für eine stärkere Einbindung der Parteimitglieder bei wichtigen Personalentscheidungen kämpfen zu wollen. "Die Junge Union hat für ihre Position auf dem Parteitag gekämpft. Noch konnten wir CDU und CSU nicht von der Idee einer Urwahl überzeugen", sagte JU-Chef Tilman Kuban. "Aber für uns ist klar, dass wir uns auch in Zukunft für eine stärkere Mitgliederbeteiligung und eine Modernisierung der Union einsetzen werden."
CDU: Keine Urabstimmung bei Suche nach Kanzlerkandidat
Der CDU-Parteitag hatte am Samstag auf Betreiben der Parteiführung mit großer Mehrheit einen Antrag der Jungen Union abgelehnt, mit dem eine Urabstimmung über den Kanzlerkandidaten für die nächste Bundestagswahl erreicht werden sollte. Traditionell hat bei der CDU der oder die Parteivorsitzende den Erstzugriff auf die Kanzlerkandidatur. Der JU-Einsatz für eine Urwahl war als Affront gegen Parteichefin Kramp-Karrenbauer verstanden worden.
Kuban lobte zudem die Rede von CSU-Chef Markus Söder auf dem Parteitag. "Markus Söders Rede war aus Sicht vieler im Saal ein absolutes Highlight", sagte er. Söder habe "in klarer Sprache eine intelligente und durchdachte Zukunftsagenda aufgezeigt". Er habe überzeugend rübergebracht, dass er wisse, wie die Union mit Themen wie künstlicher Intelligenz oder mit Fragen von Nachhaltigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt in Zukunft umgehen müsse. Zudem habe Söder damit, wie er den Kern der Union herausgestellt hat, "emotional den Nerv der Mitglieder getroffen. So habe ich Markus Söder noch nicht erlebt. Er hat mich und viele andere auch sehr beeindruckt", sagte Kuban.
Ein positives Resümee des Parteitags zog auch Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Die CDU habe "neue Kraft getankt". Kramp-Karrenbauer sei "eindeutig gestärkt worden", sagte die Ministerin. Sie fügte hinzu: "Wir haben gezeigt, dass wir im Gegensatz zu allen anderen Parteien Antworten auf alle politischen Herausforderungen haben." CDU und CSU stünden "so eng wie seit Jahren nicht zusammen".
SPD-Frau Saskia Esken: "Personaldebatten in der CDU werden weitergehen"
Sie hoffe nun, "dass jetzt die SPD rational handelt". Die Sozialdemokraten wollen am kommenden Samstag das Ergebnis ihrer Stichwahl um den Parteivorsitz bekannt geben. In knapp zwei Wochen wollen sie dann auf einem Parteitag das Ergebnis bestätigen. Vom neuen Spitzenduo hängt auch ab, ob die große Koalition von Union und SPD die ganze Legislaturperiode Bestand haben wird.
Eine der Kandidatinnen für den SPD-Vorsitz zog jedoch ein ernüchterndes Resümee des CDU-Parteitages - und sah die Chancen für eine Fortbestand der Groko eher kleiner werden. Saskia Esken, die zusammen mit Norbert Walter-Borjans für den Vorsitz kandidiert, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Die Personalquerelen in der CDU gehen auch nach dem Parteitag weiter und werden zur Belastung der großen Koalition. Dass Kramp-Karrenbauer dem Parteitag drohen musste, ihren Vorsitz zu beenden, falls die Partei nicht ihren Kurs mitgeht, ist ein Offenbarungseid für die Grabenkämpfe innerhalb der CDU."
Esken monierte, inhaltlich sei der CDU-Parteitag ebenfalls weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. "Angesichts der schlechten Umfragewerte beider Groko-Parteien hätte die Union zeigen können, dass sie gewillt ist, Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit zu geben", sagte Esken. "Diese Chance hat die CDU vertan."
Die SPD soll künftig von einer Doppelspitze geführt werden. Zur Wahl stehen neben Esken und Walter-Borjans die leicht favorisierten Mitbewerber Klara Geywitz und Olaf Scholz. Scholz und Geywitz wollen die große Koalition fortsetzen, während Esken und Walter-Borjans sehr skeptisch sind. Sie wollen den Koalitionsvertrag nachverhandeln. Kramp-Karrenbauer hatte Nachverhandlungen aber bereits vor dem Parteitag ausgeschlossen. (dpa)
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