Klingelhöfer Dreieck in Berlin statt East River in New York. CDU statt Vereinte Nationen. Präsidiums- und Bundesvorstandssitzung statt Uno-Vollversammlung und Flüchtlingsgipfel. Angela Merkel weiß ganz genau, was an diesem Montag von ihr erwartet wird und wo ihre Anwesenheit dringender ist. Dieses Mal muss sie zu Hause bleiben und sich persönlich erst den Führungsgremien ihrer Partei und dann der Presse stellen. Nicht so wie vor zwei Wochen, nach der schweren Niederlage der CDU in Mecklenburg-Vorpommern, als sie wegen des G-20-Gipfels in China weilte und von dort aus telefonisch den Spitzengremien ihrer Partei zugeschaltet war.
Dabei spricht manches dafür, dass Merkel auch an diesem Montag lieber im Kreise der Großen und Mächtigen der Welt die großen Probleme der Welt besprochen hätte, als im Konrad-Adenauer-Haus das dürftige Abschneiden ihrer Partei bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus analysieren zu müssen, wo die CDU auf magere 17,6 Prozent abstürzte und nur noch zwei Punkte vor der Linken und den Grünen landete.
Merkel redet Klartext zur Flüchtlingspolitik
An der schweren Niederlage gibt es nichts zu beschönigen, auch Merkel redet nicht lange um den heißen Brei herum. Die Wahl habe, sagt sie in einem typischen Merkel-Satz, „für die CDU ein sehr unbefriedigendes, ein enttäuschendes Ergebnis“ gebracht. „Das ist sehr bitter.“ Als Bundesvorsitzende der Partei drücke sie sich nicht vor der Verantwortung, sondern sei bereit, ihren Teil zu übernehmen.
Und dann redet Merkel Klartext. Ja, räumt sie ein, es sei ihr nicht gelungen, „Richtung, Ziel und Grundüberzeugung“ ihrer Flüchtlingspolitik ausreichend zu erklären, ja, ihr Satz „Wir schaffen das“, der eigentlich „Ausdruck von Haltung und Ziel“ sein sollte, sei durch die viele Wiederholung „beinahe zu einer Leerformel geworden“. Darum wolle sie ihn künftig kaum noch wiederholen.
Die CDU ist die große Verliererin dieses Wahljahres
Ohne CSU-Chef Horst Seehofer beim Namen zu nennen, der schon seit langem öffentlich eine Kurskorrektur der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik fordert, kommt sie ihren Kritikern bei der bayerischen Schwesterpartei wie in den eigenen Reihen weit entgegen, verteidigt gleichzeitig aber auch ihre umstrittene Entscheidung im vergangenen Sommer. So wird ihre Erklärung zu einem Einerseits-Andererseits, einem „Ja, aber“, einer Mischung aus persönlichem Schuldeingeständnis und Rechtfertigung ihrer Position.
Merkel bleibt dabei: Es soll keine Obergrenze geben
Vor den Mikrofonen und Fernsehkameras streut sie sich Asche aufs Haupt und gelobt Besserung, ohne allerdings Seehofer im entscheidenden Punkt näherzukommen. Eine Obergrenze von 200000 Flüchtlingen werde es mit ihr nicht geben. Ihr Ziel sei es, die Zahl zu reduzieren, „aber nicht durch eine statische Zahl“. Ohnehin gebe es zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen CDU und CSU, beispielsweise bei den Sicherheitspaketen, der Integration und den Abschiebungen, bei den geplanten Fachkonferenzen im Herbst wolle man die Positionen zusammenführen. „Gemeinsam sind wir mit Sicherheit stärker, als wenn wir die Differenzen immer in den Vordergrund stellen.“
Offen gibt sie zu, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden. „Deutschland war nicht gerade Weltmeister der Integration“, zudem habe man sich viel zu lange auf das Dublin-Verfahren verlassen. Dagegen lehne sie die Forderung, dass alle Fremden und alle Muslime zurückgeschickt werden, kategorisch ab. Dem stünden das Grundgesetz und völkerrechtliche Verpflichtungen, aber auch das „ethische Fundament der Union und meine persönliche Überzeugung“ entgegen. „Diese Kurskorrektur können ich und die CDU nicht mitgehen.“
Kommen CDU und CSU jetzt wieder zusammen?
Allerdings dürfe sich die Situation nicht wiederholen, als die Situation an den Grenzen außer Kontrolle geriet. Sie werde dafür kämpfen, dass eine solche Krise nicht mehr passieren könne. „Die Wiederholung der Situation will niemand, auch ich nicht.“ Ist das das Wort, auf das Horst Seehofer gewartet hat? Ist das die Brücke, über die die bayerische Schwester gehen kann, ohne ihr Gesicht zu verlieren?
Merkel, die sonst so nüchterne und rationale Politikerin, versucht es am Montag auch mit Emotionen und einer Portion Pathos. Denjenigen, die das Gefühl hätten, sie treibe Deutschland in die Überfremdung und sorge dafür, dass das Land bald nicht mehr wiederzuerkennen sei, antworte sie: „Ich habe das Gefühl, dass wir aus dieser Phase besser herauskommen, als wir hineingegangen sind.“ Deutschland werde sich verändern, „aber in seinen Grundfesten nicht erschüttern lassen“.