Nein, der nächste Kanzlerkandidat oder die nächste Kanzlerkandidatin der Christlich-Demokratischen Union (CDU) wird nicht in Augsburg gekürt. Doch konnte man in den vorigen Wochen fast den Eindruck gewinnen, der Weg dahin führe zwangsläufig über die Fuggerstadt. Denn nacheinander waren bei unserem Live-Interview zu Gast: erst Friedrich Merz, Hoffnungsträger vor allem des wirtschaftsnahen und konservativen CDU-Flügels sowie erklärter AKK-Gegner, und gleich danach Armin Laschet, Ministerpräsident des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – und ebenfalls ein heißer Kanzlerkandidaten-Ersatzkandidat.
War das nur eine Laune des Terminkalenders? Auch. Aber es steckte zugleich Kalkül dahinter. Beide Männer wissen: Die CDU wird aller Voraussicht nach keine Urwahl durchführen, die CSU redet bei der Kanzlerkür mit. Deswegen lohnt es, sich in Bayern zu zeigen. Wenn man dabei Rivalin AKK etwas piesacken kann, umso besser.
Merz und Laschet bei "Augsburger Allgemeine Live"
Das tun beide gerne. Merz hat zwar gerade vor allem gegen Kanzlerin Merkel los geledert, der er "Untätigkeit und mangelnde Führung" unterstellte, die sich wie ein Nebelteppich über das Land gelegt habe. Für AKK fand er eher milde Worte. Doch bei seinem Auftritt in Augsburg Mitte September kritisierte Merz die Führungsschwäche der aktuellen Koalition ebenso klar wie die eigene Partei. Also: auch Parteichefin AKK. Dass Merz großherzig zugestand, er hätte an ihrer Stelle auch Fehler gemacht, machte die Breitseite nicht weniger scharf.
Laschet wurde vorigen Freitag in Augsburg noch direkter. Er attackierte AKK für ihren Syrien-Vorstoß, den man besser habe abstimmen müssen. Sein Zusatz "Was meint sie?", der auf viele offene Fragen zum militärischen Vorgehen abzielte, schaffte es bis in die Tagesschau – was zeigt, wie AKK-Kritiker auf jede Kritik an ihr warten.
Interessant sind im direkten Duell die unterschiedliche Strategie und das Auftreten der beiden Kandidaten. Laschet wirkt verbindlich, fast drollig, wie ein netter Onkel von nebenan. Das lässt ihn leicht harmlos erscheinen, vor seinem Wahlsieg in NRW galt er vielen als "lasch". Merz hingegen tritt nach wie vor sehr selbstbewusst auf. Er zeigt sich etwa fest überzeugt, die AfD wäre nie so stark geworden, wenn er früher mitregiert hätte. Laschet konnte, angesprochen darauf, nur schmunzeln – es war bei ihm herauszuhören, so viel Selbstbewusstsein habe wohl nur ein Mann wie Merz.
Dabei ist Laschet politisch durchaus gewieft. Er galt vielen in der Union lange als arg links, aber vor dem eher konservativen Publikum in Augsburg betonte er seine Wirtschaftskompetenz. Der Ministerpräsident gab grinsend zu, sein bayerischer Kollege Markus Söder habe ihn in Sachen Klimapolitik links überholt, etwa beim Kohleausstieg. Man dürfe weder grüner als die Grünen werden noch die deutsche Autoindustrie kaputt reden, sagte Laschet. Merz argumentierte ähnlich – doch legte sich mit Greta Thunberg an, als er sagte, seine Tochter hätte er nicht vor den Vereinten Nationen reden lassen. Laschet hingegen hob lächelnd hervor, mit Greta lege er sich nicht an.
Wer besser ankam? Das Video vom Merz-Auftritt wurde schon über eine halbe Million Mal abgerufen, jedoch hagelte es zahlreiche kritische Kommentare, gerade zur Greta-Schelte. Selbst Live-Zuhörer stellten viele Fragen zu seiner umstrittenen Tätigkeit für den Vermögensverwalter Blackrock.
Laschet bekam weniger Abrufe, aber auch harmlosere Fragen, etwa zum Derby zwischen BVB und Schalke, für das er verbindlich ein Remis tippte. Nächster angefragter Gast für unsere Live-Interviews in Augsburg ist übrigens: Annegret Kramp-Karrenbauer.
Die Gespräche aus dem Format "Augsburger Allgemeine Live" gibt es auch im Podcast zu hören. Hier finden Sie alle Folgen auf einen Blick.
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