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CDU/CSU: Die ewigen Rivalen: In der Union brodelt es trotz Söders Rückzug weiter

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Die ewigen Rivalen: In der Union brodelt es trotz Söders Rückzug weiter

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    In der CDU-Zentrale in Berlin ist nach dem Machtkampf zwischen Laschet und Söder von Euphorie nichts zu spüren. Mancher Abgeordnete bereitet sich auf die harte Oppositionsbank vor.
    In der CDU-Zentrale in Berlin ist nach dem Machtkampf zwischen Laschet und Söder von Euphorie nichts zu spüren. Mancher Abgeordnete bereitet sich auf die harte Oppositionsbank vor. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Es geht wieder dieses Raunen durchs politische Berlin. Wird sie es vielleicht doch noch einmal machen? Wenn die Umfragen weiter schlecht sind und man sie ganz höflich bittet? Zumindest für zwei Jahre?

    Die Antwort ist, natürlich, ein Nein. Kanzlerin Angela Merkel hat eine weitere Amtszeit definitiv ausgeschlossen. Dass darüber trotzdem geredet wird, zeigt, wie groß die Verzweiflung in der CDU ist. Die hat mit Armin Laschet jetzt zwar einen Kanzlerkandidaten, aber dessen Beliebtheit ist überschaubar. „Wir müssen natürlich auch schon ein Szenario durchspielen, in dem wir vier Jahre auf der Oppositionsbank sitzen“, sagt ein altgedienter Politiker aus dem konservativen Lager. Von Euphorie ist nichts zu spüren.

    Die CDU spricht schon über den Plan B - die Opposition

    Der Plan B hat zwei Namen. Da ist zum einen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Der 78 Jahre alte CDU-Politiker denkt nicht ans Aufhören, er tritt am 26. September bei der Bundestagswahl noch einmal an und wird mit ziemlicher Sicherheit gewählt. Im Poker zwischen Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder um die Kanzlerkandidatur zog Schäuble an den wichtigen Strippen. Wobei er sich nicht aus Begeisterung für Laschet ins Zeug warf. Dem dienstältesten Abgeordneten war vielmehr bange um die Zukunft seiner CDU.

    Für Armin Laschet (l.) hat sich Wolfgang Schäuble eingesetzt - aber nicht aus Begeisterung.
    Für Armin Laschet (l.) hat sich Wolfgang Schäuble eingesetzt - aber nicht aus Begeisterung. Foto: Felix Heyder, dpa

    Denn Schäuble, das ist bekannt, hätte am liebsten den zweiten Namen an der Spitze der CDU gesehen, der in Berlin gerade oft genannt wird. Friedrich Merz, zwischendurch schon abgemeldet, ist gerade wieder der kommende Mann. Nachdem es mit einem Parteiamt nicht klappte, steigt Merz über den Umweg Bundestag in den Ring. Der 65-Jährige ist gerade als Direktkandidat des Hochsauerlandkreises aufgestellt worden. Er wird mit großer Sicherheit im nächsten Bundestag vertreten sein und Merz wäre nicht Merz, würde er auf der Hinterbank Platz nehmen wollen.

    Der Sauerländer erklärte bereits, er würde die Übernahme eines Ministerpostens „nicht von vornherein ablehnen“. Selbst wenn es die Union nur in die Opposition schafft, wäre für Merz gesorgt: Es wird spekuliert, dass er für diesen Fall seinen alten Job als Fraktionsvorsitzender wiederbekommen könnte. Amtsinhaber Ralph Brinkhaus machte in der Corona-Pandemie zwar ein paar Punkte gut, zufrieden sind sie mit ihm aber nicht. Was sich unter anderem darin zeigte, dass Brinkhaus’ Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nur von einigen wenigen Abgeordneten und dazu noch reichlich spät unterstützt wurden.

    Friedrich Merz: Wird er wieder Fraktionsvorsitzender?
    Friedrich Merz: Wird er wieder Fraktionsvorsitzender? Foto: Michael Kappeler, dpa

    Friedrich Merz hat Ambitionen und den Wirtschaftsflügel hinter sich

    Im Gegensatz zu Brinkhaus weiß sich Merz zu verkaufen. Er gibt sich als Sprachrohr der Konservativen und als bedächtiger Mahner. Gerade appellierte er an die CDU-Mitglieder, der Partei die Treue zu halten. „Wir haben derzeit sehr viele Austritte in den Kreisverbänden der CDU. Ich möchte deshalb an dieser Stelle sagen: Bitte bleiben Sie in der CDU, es kommen auch wieder bessere Zeiten. Jetzt müssen wir gemeinsam für ein gutes Bundestagswahlergebnis kämpfen“, twitterte er am Donnerstagabend.

    Merz hat immer noch den Wirtschaftsflügel der CDU hinter sich. Er weiß die Junge Union als Stütze, die so lange für ihn warb, bis es gar keinen Sinn mehr machte. Der Berliner Kreis, ein Zusammenschluss konservativer Unions-Politiker, forderte Laschet gerade auf, Merz eng einzubinden. „Mit Wohlwollen habe ich die Ankündigung von Armin Laschet verfolgt, die Kernkompetenzen der Union wieder klarer herauszustellen“, sagte die Co-Sprecherin und CDU-Abgeordnete Sylvia Pantel unserer Redaktion. Wobei Laschet selbst am besten weiß, dass die Konservativen mit „Kernkompetenzen“ nicht die letzten Jahre im Blick haben. Merkels konsequenter Mitte-Kurs verursacht vielen in der CDU regelrecht körperliches Unbehagen.

    Armin Laschet kann im Moment nicht den starken Mann geben

    Laschet kann diesem Treiben nur hilflos zusehen. Seine persönlichen Umfragewerte lassen es gerade nicht zu, dass er den starken Mann gibt. Er könnte Punkte sammeln, wenn ihm zügig ein gutes Wahlprogramm gelänge. Doch erfahrenen CDU-Leuten schwant bereits, dass daraus wohl nichts wird. Sie haben noch die Zeit vor der Bundestagswahl 2017 in Erinnerung. Damals fetzte sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zum Missfallen der Basis so lange um die richtigen Inhalte, dass alle anderen Parteien derweil schon längst ein Wahlprogramm auf dem Markt hatten.

    Dass es diesmal mit der CSU ähnlich schwer werden kann, zeigt das bundesweite Werben der Christsozialen um neue Mitglieder. Nach dem Verzicht von CSU-Chef Markus Söder verzeichnet die CSU einen sprunghaften Anstieg von bundesweiten Anfragen nach Online-Mitgliedschaften. Man komme bei der Bearbeitung derzeit kaum hinterher, lässt die CSU wissen. CSU-Generalsekretär Markus Blume bestätigte, dass in der Münchner CSU-Landesleitung allein am Donnerstag mehr als 1000 Anträge auf Online-Mitgliedschaft eingegangen seien.

    Offen mag bei der CDU niemand dieses demonstrativ zur Schau gestellte bayerische Selbstbewusstsein kommentieren. Doch hinter den Kulissen brodelt es mächtig. Laschet und die anderen Parteistrategen im Konrad-Adenauer-Haus sind gewarnt, dass das, was sie derzeit erleben, nur die Ruhe vor dem Sturm sein könnte. „Der Söder macht doch nur eine Pause“, heißt es aus der Parteizentrale.

    CSU-Chef Markus Söder muss den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erst mal verkraften.
    CSU-Chef Markus Söder muss den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erst mal verkraften. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Und da könnten sie Recht haben. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung nimmt Söder kein Blatt vor den Mund. „Ich werde mich jedenfalls nicht zurücklehnen, sondern ein aktiver Teil dieses Wahlkampfes sein“, betont der Ministerpräsident. „Wie sagt Paulchen Panther immer: Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage.“

    Was für die einen Versprechen ist, klingt für andere nach einer Drohung. Denn der Franke lässt nicht nur zwischen den Zeilen durchblicken, dass er sich für den besseren Kandidaten gehalten hätte: „Ich glaube nicht, dass es klug ist, nach den progressiven Merkel-Jahren eine Politik ,Helmut Kohl 2.0’ aus der Vergangenheit zumachen“, sagt er ganz unverblümt. „Das wäre viel zu altmodisch. Keiner will die alte Union aus den 90er-Jahren zurück.“ Er selbst stehe für eine moderne Politik, halte eine Koalition mit den Grünen für die intelligentere Variante anstatt wie Laschet auf die sichere Nummer FDP zu bauen. Auch Friedrich Merz bekommt einen heftigen Seitenhieb aus München ab. „Wenn Friedrich Merz, der überraschend plötzlich für Armin Laschet geworben hat, fordert, die Union muss wieder eine stinknormale Partei sein – dann ist das nicht die Idee, die ich von der Union habe“, sagt Söder.

    Auch andernorts in der CSU hält man von Demut eher wenig. In der Partei versucht man, die Katerstimmung durch demonstrative Rückendeckung für den Chef zu vertreiben. Die durchaus vorhanden gewesene Sorge, er könnte es übertreiben und die Schwesterparteien ins Chaos stürzen, ist verflogen. Der Stolz, dass er auch aus Sicht vieler CDUler der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre, mischt sich mit der Erleichterung, dass Söder nun als starker Ministerpräsident in Bayern bleibt und der CSU „das Abenteuer Berlin“ erspart bleibt.

    Markus Ferber sagt: „Söder steht gut da, sehr gut sogar“

    „Söder steht gut da, sehr gut sogar“, sagt etwa der Bezirksvorsitzende der CSU in Schwaben, der Europaabgeordnete Markus Ferber. „Söder hatte seine Partei geschlossen hinter sich, was man von Laschet nicht behaupten kann. Er hat Fair Play gemacht, Größe gezeigt und seine Möglichkeiten in der Konkurrenz zu Laschet nicht bis zum Schluss ausgereizt.“ Optionen, so Ferber, hätte es in dem Machtkampf für Markus Söder durchaus noch gegeben. „Das hätte allerdings nur zu einer weiteren Eskalation geführt“, sagt Ferber. Die Rückmeldungen aus der Parteibasis seien durchweg positiv.

    Ähnliches berichtet Thomas Kreuzer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Landtag: „Unsere Abgeordneten halten es für richtig, dass Markus Söder sich nicht gedrückt und seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur erklärt hat. Aber sie sind auch der Auffassung, dass es richtig war, dass man so etwas nicht endlos weitertreiben kann.“

    Er persönlich, so Kreuzer, hätte sich bei der Nominierung des Kanzlerkandidaten mehr Beteiligung der Basis durch eine Mitgliederbefragung gewünscht. „Ich gehe davon aus, dass Söder den stärkeren Rückhalt gehabt hätte.“ Jetzt komme es darauf an, geschlossen Wahlkampf zu machen. „Wir müssen jetzt unsere politischen Inhalte nach vorne stellen und klarmachen, was die CSU von der Bundespolitik für Bayern erwartet.“ Die CSU werde sich in den Wahlkampf voll einbringen. „Wir werden unser Bestmögliches tun für ein möglichst starkes Abschneiden von CDU und CSU“, sagt Kreuzer.

    Thomas Kreuzer will klarmachen, was die CSU von der Bundespolitik für Bayern erwartet.
    Thomas Kreuzer will klarmachen, was die CSU von der Bundespolitik für Bayern erwartet. Foto: dpa

    Dass der Bundestagswahlkampf mit Laschet an der Spitze für die CSU nicht leicht wird, ist in der Partei allerdings offenbar auch Konsens. Sogar CSU-Politiker, die ansonsten nicht zu den größten Söder-Fans gerechnet werden können, zweifeln an der Zugkraft des CDU-Chefs. Die CSU werde versuchen müssen, in Bayern „aus eigener Kraft“ die Wähler zu mobilisieren. Hinzu komme, dass der Wahlkampf wegen der Einschränkungen durch die Pandemie für die CSU Erschwernisse mit sich bringe. Ihre besondere Stärke bestehe im Vergleich zu anderen Parteien in der breiten Verankerung im Land und den vielen Mitgliedern, die sich auf die Straße stellen oder bei Veranstaltungen die Werbetrommel rühren. Diese wichtigen persönlichen Kontakte würden dieses Mal vermutlich nicht so möglich sein.

    Beckstein über Söder: Gerade noch die letzte Chance genutzt....

    Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sieht Söder etwas kritischer. „Er hat meines Erachtens in der Tat die letzte Chance genutzt, ohne Gesichtsverlust herauszukommen.“ Die Verärgerung in der CDU werde nachwirken, insbesondere wenn die CSU „weitere Nadelstiche“ setze wie etwa mit dem Begriff „Kandidat der Herzen“ (Markus Blume über Söder) oder mit der Werbung für CSU-Online-Mitgliedschaften außerhalb Bayerns. Doch auch innerhalb Bayerns, so Beckstein, seien die Ereignisse der vergangenen Woche von Bedeutung. Landtagspräsidentin Ilse Aigner habe klar gesagt, dass sie, sollte Söder nach Berlin gehen, Ministerpräsidentin werden wolle. „Das bedeutet, dass Söder sich keine großen Fehler leisten kann“, sagt Beckstein. „Das wird dafür sorgen, dass er nicht übermütig wird. Und das ist auch gut so.“

    Überhaupt ist das mit dem Übermut so eine Sache. Denn aktuelle Umfragen zeigen, dass auch die Lage der CSU besser sein könnte. Laut einer Erhebung für Sat.1 könnte die Partei derzeit bei der Bundestagswahl in Bayern nur noch 34 Prozent holen. Damit lägen die Christsozialen noch einmal deutlich schlechter als bei der Bundestagswahl 2017, als sie nach einem Verlust von mehr als 10 Prozentpunkten auf nur noch 38,8 Prozent kamen. CSU-Generalsekretär Markus Blume macht die Schwesterpartei für das schwache Abschneiden verantwortlich: „Das ist ein Ergebnis der Entscheidung der CDU“, sagt er. „Wir spüren die Enttäuschung über die Entwicklung auch hier in Bayern. Das wird jetzt ein schwerer Weg.“

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