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Bundesversammlung: Der gefährliche Glanz der Berühmtheiten

Bundesversammlung

Der gefährliche Glanz der Berühmtheiten

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    Nina Hoss. Bild: dpa
    Nina Hoss. Bild: dpa

    Die Schauspielerinnen Nina Hoss und Martina Gedeck, IOC-Vizepräsident Thomas Bach, Medienunternehmer Hubert Burda: Wer glaubt, die Gästeliste einer glamourösen Wohltätigkeitsveranstaltung vor sich zu haben, irrt. Diese und viele andere Prominente wählen am heutigen Mittwoch bei der Bundesversammlung im Bundestag den neuen Bundespräsidenten mit. Eingeladen haben sie die Parteien.

    "Man verspricht sich davon, alle gesellschaftlichen Gruppen einzubinden und auch eine gewisse Aufmerksamkeit für die Wahl", erklärt der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer den seit Jahrzehnten üblichen Vorgang. Doch die Parteien gehen damit auch ein Risiko ein: Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, zum Beispiel, gilt bis heute als Sinnbild für einen öffentlichkeitswirksamen Fauxpas.

    Vor sechs Jahren hatte sie die CSU für die damalige Wahl des Bundespräsidenten als Wahlfrau nominiert - im festen Glauben, ihre Stimme für den Unions-Kandidaten Horst Köhler sicher zu haben. Es kam anders, Gloria von Thurn und Taxis wählte Gesine Schwan, die Kandidatin von SPD und Grünen, und erwies der CDU/

    Sportler, Schauspieler, Musiker mit einem klaren Auftrag

    Zur Wahl des Nachfolgers von Horst Köhler kommen dennoch wieder einige Berühmtheiten. Der frühere Olympiasieger Thomas Bach ist von den Freien Demokraten nominiert, er soll den christlich-liberalen Kandidaten Christian Wulff (CDU) mit ins Amt hieven. Die Bedeutung der diesjährigen Wahl ist so groß wie nie: Die Bundesregierung muss Wulff durchbringen, sonst gilt die schwarz-gelbe Koalition als gescheitert. Sie hat einen Vorsprung von 21 Stimmen gegenüber den anderen Parteien.

    Doch wer stimmt wirklich für Wulff? Und wer für den SPD/Grünen-Kandidat Joachim Gauck? Der vermeintliche Außenseiter hat auf beiden Seiten viele Sympathisanten. Wichtiger denn je scheint es also, dass die Prominenten tun, wozu sie die einzelnen Landtagsfraktionen nach Berlin bitten: nämlich den eigenen Kandidaten unterstützen. Die Berliner CDU schickt dazu die Verlegerin Friede Springer, eine gute Bekannte der Kanzlerin, die bereits 2004 und 2009 Mitglied der Bundesversammlung war.

    Gloria von Thurn und Taxis wird hingegen fehlen. Die Geschichte der wankelmütigen Fürstin hat Spuren hinterlassen: Die CSU verzichtet in diesem Jahr darauf, Persönlichkeiten aus Sport, Medien oder der High Society zu nominieren. Sie hat für die Bundesversammlung lieber verdiente Mitglieder wie den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber oder den ehemaligen Finanzminister Theo Waigel nominiert.

    Ein Liedermacher sagt der Linken ab

    Oskar Lafontaine kommt für die Linke, deren Einladung nach Berlin Liedermacher Konstantin Wecker allerdings nicht nachkommen wird. Für die anderen Parteien bleibt es ebenfalls das Ziel, neben Politprofis auch Prominente als Vertreter der Länder in die Bundespräsidentenwahl einzubinden. Eine Garantie dafür, dass die Gelegenheitswähler auch für den gewünschten Kandidaten ihr Kreuzchen machen, haben die Parteien aber nicht. Gesine Schwan schaffte es 2004 angeblich, mindestens neun Wählerinnen und Wähler der Konkurrenz auf ihre Seite zu ziehen.

    Hildegard Hamm-Brücher, 1994 die Präsidentschaftskandidatin der FDP, hat bereits die Seiten gewechselt: Sie wählt heuer für die Grünen - wie die Schauspielerin Nina Hoss ("Die weiße Massai") auch. Anders als manch andere eingeladene Persönlichkeit hat die 34-Jährige politische Wurzeln: Ihr Vater Willi Hoss gehörte 1979 zu den Mitgründern der Grünen.

    Der Düsseldorfer Landtag entsendet Kollegin Martina Gedeck ("Das Leben der Anderen"), die genau wie Regisseur Sönke Wortmann ("Das Wunder von Bern") für die Grünen wählen soll. Unter Kollegen dürfen sich also auch die Schauspieler Walter Sittler ("Nikola") und Nina Petri ("Lola rennt") fühlen, die von der SPD eingeladen worden sind. Sie können wie alle anderen Prominenten bei der Bundesversammlung als Delegierte auftreten - auch wenn sie nicht in einem Landtag sitzen.

    "Wir freuen uns, Frauen und Männer auf dieser Liste zu haben, die die Gesellschaft unseres Landes repräsentieren", sagte der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Und meint damit unter anderem den Olympiasieger Georg Hettich. Der 31-Jährige hatte 2006 bei den Winterspielen in Turin in der Nordischen Kombination triumphiert. Biathlon-Trainer Frank Ullrich ist von der Thüringer SPD benannt worden, Paralympics-Siegerin Verena Bentele (Skilanglauf und Biathlon) und Erwin Staudt, Präsident des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart, von den Kollegen in Baden-Württemberg.

    Bayern schickt nur einen Prominenten

    Aus Bayern reist nur ein Nicht-Politiker nach Berlin: SPD und Grüne haben gemeinsam den Jazzmusiker Klaus Kreuzeder nominiert. Der Fraktionsgeschäftsführer der bayerischen SPD, Harald Güller: "Er ist ein herausragender Künstler, der auch bei der letzten Bundesversammlung bereits dabei war." Kreuzeder mag deutschlandweit nicht so bekannt sein wie "Prinzen"-Sänger Oliver Krumbiegel, der von den Sozialdemokraten in Sachsen benannt wurde, oder Medienunternehmer Hubert Burda, der für die CDU abstimmen soll. Aber: "Er ist ein Vertreter aus dem öffentlichen Leben und steht unter anderem für die Integration von Menschen mit Behinderungen", sagt Güller über den Musiker, der als Kind an Polio erkrankte und im Rollstuhl auftritt.

    Vorschreiben, wem Kreuzeder heute Mittag seine Stimme geben soll, kann ihm keiner. Doch Güller verrät: "Wir haben vorher mit ihm gesprochen." Von Christian Paul

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