Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen von Hinterbliebenen des Amoklaufs von Winnenden auf eine Verschärfung des Waffenrechts abgewiesen. Das geltende Waffenrecht verletze die Beschwerdeführer nicht in ihrem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, so das Gericht in den am Freitag veröffentlichten Beschlüssen (Az. 2 BvR 1645/10 u.a.).
Eltern von Opfern des Amoklaufs in Winnenden klagten erfolglos
Zwei der Kläger sind Eltern von Kindern, die beim Amoklauf in einer Schule in Winnenden 2009 erschossen wurden; außerdem hatte der Sprecher einer Initiative gegen Sportwaffen geklagt. Sie hatten kritisiert, dass der Gesetzgeber den Gebrauch von tödlichen Waffen im Schießsport nicht ausreichend einschränke.
Waffen und Waffenrecht in den USA
In den USA sind mehr Waffen in Privatbesitz als in jedem anderen Land der Welt - Statistiker gehen von rund 270 Millionen aus (Stand 2007).
Mehr als 40 Prozent aller US-Haushalte besaßen einer repräsentativen Umfrage des Gallup-Instituts zufolge im vorigen Jahr eine Schusswaffe.
Etwa 30.000 Menschen jährlich sterben in den USA wegen des Gebrauchs dieser Waffen - die Hälfte von ihnen begeht Selbstmord.
Die Zahl der mit Pistolen verübten Morde liegt bei 10.000 bis 12.000 pro Jahr.
Dennoch sprachen sich bei einer Befragung 2010 nur 44 Prozent der US-Bürger dafür aus, die Waffengesetze zu verschärfen. 54 Prozent waren dafür, sie unangetastet zu lassen oder sogar abzumildern.
Mehr als zwei Drittel sind gegen ein Gesetz, das den privaten Besitz von Feuerwaffen verbietet.
Auch beim Ex- und Import von Klein- und Leichtwaffen lagen die USA nach Angaben des unabhängigen Genfer Forschungsprojekts Small Arms Survey 2009 weltweit an der Spitze.
Das Recht auf Waffen wurde vor mehr als 220 Jahren im zweiten Zusatzartikel zur Verfassung verbrieft: «Da eine gut organisierte Miliz für die Sicherheit eines freien Staates erforderlich ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden», heißt es dort.
Das US-Waffenrecht ist von Bundesstaat zu Bundesstaat verschieden. Entwickelt hat sich ein Durcheinander von mehr als 20.000 nationalen, einzelstaatlichen und kommunalen Vorschriften.
Das Gericht wies die Verfassungsbeschwerden zurück. Zwar habe der Staat grundsätzlich die Pflicht, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu schützen. Dies umfasse auch "Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen". Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, könne jedoch nur begrenzt nachgeprüft werden. Eine Verletzung der Schutzpflicht lasse sich nur feststellen, "wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind".
Bundesverfassungsgericht: Ausreichende Vorschriften des Waffengesetzes
Nach diesem Maßstab billigten die Richter die Vorschriften des Waffengesetzes. Demnach benötigen Waffenbesitzer eine Erlaubnis, die nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird - unter anderem Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber habe einen weiten Einschätzungsspielraum bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten, erläuterte das Gericht. Angesichts dessen "steht den Beschwerdeführern ein grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende oder auf bestimmte Maßnahmen wie das Verbot von Sportwaffen nicht zu".
Der Sprecher der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!", Roman Grafe, kritisierte die Entscheidung als "Triumph krimineller Unvernunft": "Das Freiheitsrecht auf Spaß mit tödlichen Schusswaffen darf weiterhin das Recht auf Leben überwiegen. Die Verfassungsrichter hatten nicht den Mut, den Irrsinn tödlicher Sportwaffen zu beenden", heißt es in einer Presseerklärung.
Verschärftes Waffenrecht nach Amokläufen in Schulen
Änderungen im Waffenrecht nach Amokläufen
Nach dem Amoklauf im Erfurter Gutenberg-Gymnasium vor zehn Jahren und nach der Bluttat von Winnenden 2009 hat der Gesetzgeber das Waffenrecht in Deutschland verschärft. Einige wichtige Änderungen:
2002: Einführung einer verpflichtenden medizinisch-psychologischen Untersuchung für angehende Schützen unter 25 Jahren.
2002: Die Altersgrenze für Kauf und Besitz von Schusswaffen bei Sportschützen steigt von 18 auf 21, bei Jägern von 16 auf 18 Jahre.
2002: Schießsportordnungen von Verbänden, die auch ein sogenanntes Bedürfnis für bestimmte Waffen begründen können, müssen behördlich genehmigt werden.
2009: Verschärfte Überprüfungsmöglichkeit für das sogenannte waffenrechtliche Bedürfnis.
2009: Schießen mit großkalibrigen Waffen ist erst ab 18 Jahren möglich.
2009: Weitgehendere Möglichkeiten zur Kontrolle der Waffenaufbewahrung, auch mit verdachtsunabhängigen Kontrollen, aber normalerweise kein Zutritt zur Wohnung ohne Zustimmung des Waffenbesitzers.
2012: - Der Bundestag beschließt am Jahrestag des Erfurter Amoklaufs im April die Zusammenfassung von Daten der rund 600 kommunalen Waffenbehörden in einem deutschlandweiten Waffenregister.
Nach den Amokläufen in Schulen in Erfurt (2002) und Winnenden (2009) hatte der Gesetzgeber das Waffenrecht verschärft. Im vergangenen Jahr beschloss der Bundestag die Einführung eines deutschlandweiten Waffenregisters.
Der Vater des Amok-Schützen von Winnenden wurde Anfang Februar zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung verurteilt. Der Sportschütze hatte seine legal erworbene Pistole in einem unverschlossenen Schrank aufbewahrt. Sein damals 17-jähriger Sohn nahm die Waffe und erschoss damit 15 Menschen und anschließend sich selbst. dpa