Darüber, welche Stärke eine Partei aufweisen muss, um als Volkspartei zu gelten, wird seit Jahren debattiert. Dass die AfD in der mittelsächsischen Gemeinde Dorfchemnitz unweit der Grenze zu Tschechien sich bei dieser Diskussion gelassen zurücklehnen kann, dürfte unstrittig sein: Über 47,9 Prozent holte die stramm rechte Partei in dem Ort mit gut 1500 Einwohnern – und damit noch ein wenig mehr als 2017. Zwei Dinge haben sich am Wahltag klar abgezeichnet: Die Partei hat deutschlandweit, insbesondere im Westen, an Stimmen verloren. Im Osten bleibt sie aber stark. Sie präsentierte sich dort derart stabil, dass das Wort einer "Lega Ost" die Runde macht. Angespielt wird auf die rechtspopulistische italienische Lega Nord, die lange ausschließlich Erfolge im Norden des Landes feierte.
Die AfD bleibt in Sachen die klar stärkste Partei
Die AfD landete im Bund bei 10,3 Prozent. 2017 waren es noch 12,6 Prozent. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen oder Niedersachsen gab es für die Partei empfindliche Verluste. In Sachsen jedoch blieb sie trotz leichter Einbußen mit fast 24,6 Prozent die mit Abstand stärkste Partei.
Ein Erfolg, den ihr bei einer Bundestagswahl nun erstmals auch in Thüringen gelang: Die AfD erreichte dort glatte 24 Prozent, also noch etwas mehr als 2017. Thüringen ist deswegen nicht zuletzt auch für die innere Machtarithmetik der Partei besonders wichtig, da der dortige Landesverband als weit rechts stehender gilt. Die Partei des Vorsitzenden Björn Höcke wird wegen rechtsextremistischer Tendenzen vom Verfassungsschutz beobachtet. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern erreichte die Partei immerhin noch den zweiten Rang. Abgerundet wird das Bild durch den Gewinn von insgesamt 16 Direktmandaten der AfD im Osten, gleich zehn davon in Sachsen. Noch am Wahlabend gab es erste Stimmen aus den AfD-Landesverbänden im Osten, die Konsequenzen aus den Ergebnissen forderten. Tenor: Der Westen muss vom Osten lernen. "Es werden Fragen zu stellen sein", sagte Höcke. Das klang wie eine Drohung an seine Gegner in der Partei.
AfD-Meuthen: EU-Austritt zu fordern könnte ein Fehler gewesen sein
Auch der Parteichef Jörg Meuthen suchte die Offensive. Er kündigte eine schonungslose Analyse des Wahlkampfes an. „Unter dem Strich wird man das als Erfolg nicht vermelden können“, sagte er. Meuthen deutete an, dass es beispielsweise ein Fehler gewesen sein könnte, im Wahlprogramm einen EU-Austritt zu fordern.
"Es gibt zwei Richtungen in der Partei. Die einen können sich vorstellen, koalitionsfähiger Teil eines national-konservativen politischen Spektrums zu werden, die anderen sehen die AfD als politische Bewegungspartei, die nicht zuletzt auf außerparlamentarische Proteste setzt – letztere Strömung wird von der ostdeutschen AfD vertreten. Leute wie Björn Höcke stehen für eine Radikalisierung der politischen Landschaft", sagte der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer im Gespräch mit unserer Redaktion.
Warum die AfD im Osten besonders stark ist
Neugebauer sieht verschiedene Gründe für die Erfolge der AfD im Osten. Es gebe dort noch immer viele Leute, die sich im Vergleich mit dem Westen degradiert fühlen und die sich einreden, dass es früher in der DDR besser gewesen sei. "In diesen Kreisen kommt der AfD-Slogan, 'Wir wollen unser Land zurück' besonders gut an", sagte Neugebauer. So sei es tatsächlich gelungen, die CDU zurückzudrängen. Viele Menschen in Sachsen oder in Thüringen haben sich zudem von den öffentlich-rechtlichen Medien abgewandt, sie informieren sich über andere Quellen. In Teilen der Bevölkerung ist eine eigene politische Kultur, ein Milieu entstanden. In Regionen, in denen das Bildungsniveau im Durchschnitt geringer ist, in denen der Anteil der Männer besonders hoch ist und die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Nahverkehr, unzureichend ist, erzielt die AfD die besten Resultate.
Trotz des sich vertiefenden Ost-West-Gefälles – die AfD ist nach wie vor auch in manchen westlichen Regionen relativ stark. "Auch in den westlichen Bundesländern hat die AfD eine relativ treue Stammwählerschaft", betonte Neugebauer. So wie in Teilen Schwabens. Zwar gab es durchgehend Verluste, sie blieb aber in mehreren Kommunen zweitstärkste Kraft.
Dies gelang ihr beispielsweise im Wahl-Kreis Neu-Ulm, aber auch in Teilen des Landkreises Unterallgäu. In Oberrieden beispielsweise holte die Partei 20,5 Prozent. Gleichzeitig allerdings hat die AfD in Schwaben an vielen Orten ihren zweiten Platz nicht halten können. Der Trend war in ganz Bayern negativ für die Partei, die neun Prozent im Freistaat bedeuten für die AfD einen Rückgang von 3,4 Prozent im Vergleich zu 2017.