In der reinen Lehre wählen Menschen Parteien aus Überzeugung oder Sympathie. Tatsächlich fragen sich viele Wählerinnen und Wähler aber auch, was sie von einer neuen Regierung eigentlich finanziell zu befürchten (oder zu erwarten) haben. Deshalb, vor allem, ist die Steuerpolitik in jedem Wahlkampf ein wichtiges Thema. Und in kaum einem Bereich unterscheiden sich die Positionen des bürgerlich-liberalen Lagers und des rot-grünen Lagers so stark wie hier. Ein Überblick:
Steuersätze: Die Union lehnt eine Erhöhung der Tarife ab, die SPD dagegen will Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten - mit einem Aufschlag von drei Prozent auf die Einkommenssteuer ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.000 Euro im Jahr. Die FDP möchte die Steuerprogression für kleine und mittlere Einkommen entschärfen und den Spitzensteuersatz erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 90.000 Euro erheben - im Moment greift er bereits bei rund 57.000 Euro. Die Linkspartei verspricht wie alle anderen Parteien auch Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen, will dafür aber bei Gut- und Besserverdienern umso kräftiger zugreifen und den Spitzensteuersatz von gegenwärtig 42 auf bis zu 53 Prozent anheben. Nicht ganz so weit gehen die Grünen, die je nach Einkommen 45 bzw. 48 Prozent als höchsten Steuersatz ansetzen. Die AfD nennt keine konkreten Zahlen, sondern spricht nur ganz allgemein von der Notwendigkeit, die hohe Steuerlast zu reduzieren, etwa durch die Abschaffung von Zweitwohnungs-, Schaumwein- und Kaffeesteuer.
Union und FDP wollen Solidaritätszuschlag auch für letzten zehn Prozent abschaffen
Solidaritätszuschlag: Er ist für den Großteil der Steuerzahler zum Jahreswechsel bereits abgeschafft worden. Union und FDP wollen ihn nun auch noch für die letzten zehn Prozent streichen, die SPD dagegen verteidigt die gegenwärtige Praxis. Die Linke würde die verbliebenen knapp zehn Milliarden aus dem Soli gerne in eine Art neuen „Aufbau Ost“ stecken. Ob das überhaupt noch möglich ist, ist unklar. Beim Bundesfinanzhof und beim Bundesverfassungsgericht liegen bereits mehrere Klagen gegen die Ungleichbehandlung von Steuerzahlern beim Solidaritätszuschlag vor.
Freibeträge: CDU und CSU wollen den Kinderfreibetrag mittelfristig auf die gleiche Höhe wie den für Erwachsene anheben - also von gut 8000 auf knapp 10.000 Euro. Der Freibetrag für Alleinerziehende soll von etwas mehr als 4000 auf 5000 Euro steigen. Die Linkspartei verspricht eine Erhöhung des Grundfreibetrages für Erwachsene auf 14.000 Euro. Die Grünen sprechen nur ganz allgemein von einer Erhöhung des Freibetrages, nennen aber keine konkreten Zahlen.
Die SPD will Ehegattensplitting für neue Ehen abschaffen
Ehegattensplitting: Die SPD will es für neue Ehen abschaffen, für bestehende Ehen soll es ein Wahlrecht geben. Union und FDP dagegen halten an der gemeinsamen, steuersparenden Veranlagung von Ehepartnern fest. Die AfD würde in das Ehegattensplitting am liebsten auch die Kinder noch mit aufnehmen, was zu einer weiteren Entlastung von Familien führen würde. Grüne und Linke lehnen das Splitting schon aus Prinzip ab - unter anderem, weil es die klassische Alleinverdiener-Ehe und besonders gut verdienende Beschäftigte begünstige.
Erbschaftssteuer: Die Union hat sich strikt gegen eine Erhöhung der Erbschaftssteuer ausgesprochen, die SPD dagegen hält sie in ihrer gegenwärtigen Form für ungerecht, da sie vermögende Unternehmenserben bevorzuge. Im Wahlprogramm der Sozialdemokraten heißt es dazu: „Mit einer effektiven Mindestbesteuerung werden wir die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen abschaffen.“ Im Grünen-Wahlprogramm taucht die Erbschaftssteuer gar nicht auf. Die AfD will sie komplett abschaffen. Es gebe keinen Grund, argumentiert sie, aus Trauerfällen Steuerfälle zu machen.
Das planen die Parteien bei der Vermögenssteuer
Vermögenssteuer: Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1995 ist sie faktisch abgeschafft. Für die Union und die Liberalen ist die Wiedereinführung der Steuer tabu. Ihr Argument: Sie würde Betriebsvermögen und damit Arbeitsplätze gefährden und überdies das Wohnen verteuern, weil auch Immobilien unter eine Vermögenssteuer fielen. Die SPD dagegen will sehr hohe Vermögen mit einer einheitlichen Steuer von einem Prozent belegen – und ist sich dabei mit den Grünen weitgehend einig. Wer ein Vermögen von mehr als zwei Millionen Euro sein eigen nennt, soll nach ihren Plänen davon jedes Jahr ein Prozent dem Staat abtreten. Die SPD nennt noch keine konkrete Zahl. Deutlich klassenkämpferischer tickt beim Thema Vermögenssteuer die Linkspartei: Sie schlägt eine progressive Besteuerung von großen Vermögen mit einem Steuersatz von bis zu fünf Prozent vor. Außerdem will sie zur Bewältigung der Corona-Krise eine einmalige Abgabe für Vermögen von über zwei Millionen Euro erheben.
Kapitalanlage: Hier könnte sich vor allem die sogenannte Finanztransaktionssteuer negativ bemerkbar machen, die die SPD generell beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder Devisen an den Börsen einführen will. Die Union dagegen würde Kleinanleger und die private Altersvorsorge gerne von der Steuer ausnehmen, eine leichte Entlastung verspricht sie überdies mit einer Erhöhung des Sparerfreibetrages von gegenwärtig 802 Euro im Jahr und der Arbeitnehmersparzulage von gegenwärtig bis zu 123 Euro jährlich. Teuer würde es für Anleger mit den Grünen: Kapitalerträge wollen sie (und auch die Linkspartei) jenseits des Freibetrages nicht mehr wie bisher mit der Abgeltungssteuer von 25 Prozent, sondern mit dem persönlichen Steuersatz belegen, der in vielen Fällen deutlich höher wäre. Auch die Steuerfreiheit für den Verkauf einer nicht selbst genutzten Immobilie nach zehn Jahren steht bei ihnen auf der Streichliste. Den umgekehrten Weg geht die FDP: Gewinne aus Wertpapiergeschäften sollen nach einer Haltefrist von drei Jahren steuerfrei sein, um das langfristige Sparen mit Unternehmensbeteiligungen zu forcieren.