Wer regiert künftig Deutschland? Nach der Bundestagswahl sind es die Sondierungsgespräche, in denen in diesen Tagen die wesentlichen Weichen gestellt werden. Dort werden mögliche Koalitionsverhandlungen vorbereitet und damit über die Zusammensetzung der Bundesregierung entschieden.
Doch während im Wahlkampf zumindest ein Bemühen erkennbar war, in allen Parteien auch Frauen zu fördern – sowohl Olaf Scholz als auch Armin Laschet versprachen eine paritätische Besetzung künftiger Posten –, fällt nun auf: Mit Ausnahme der Grünen sind die Teams der Parteien stark männlich dominiert. Besonders die Union, aber auch die FDP stechen heraus.
So sehen die Sondierungsteams der Parteien aus
- Für die SPD sondieren: Kanzlerkandidat Olaf Scholz, die Parteichefs Co-Parteichefin Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Vier Männer und zwei Frauen.
- Für die CDU sondieren: Parteichef Armin Laschet, Generalsekretär Paul Ziemiak, Fraktionschef Ralph Brinkhaus, Hessens Ministerpräsident und Parteivize Volker Bouffier, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, Parteivize Julia Klöckner, Parteivize Silvia Breher, Parteivize Thomas Strobl und Parteivize Jens Spahn.
Acht Männer und zwei Frauen.
- Für die CSU sondieren: Parteichef Markus Söder, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Markus Blume, Parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Müller, Digital-Staatsministerin Dorothee Bär.
Vier Männer und eine Frau.
- Für die Grünen sondieren: die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck, Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschef Anton Hofreiter, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, Europa-Abgeordneter Sven Giegold, Parteivize Ricarda Lang.
Fünf Männer und fünf Frauen.
- Für die FDP sondieren: Partei- und Fraktionschef Christian Lindner, Parteivize Johannes Vogel, Parteivize Nicola Beer, Generalsekretär Volker Wissing, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Marco Buschmann, Parlamentarische Geschäftsführerin Bettina Stark-Watzinger, Fraktionsvize Michael Theurer, die Vorsitzende von Sachsen-Anhalt Lydia Hüskens, Bundesschatzmeister Harald Christ, der Europa-Abgeordnete Moritz Körner.
Sieben Männer und drei Frauen.
Der Frauenanteil im Bundestag liegt bei knapp 35 Prozent
Die Listen für die Sondierungsgespräche spiegeln insgesamt das Frauenproblem des Bundestages wider. Dem gehören künftig 480 Männer und 255 Frauen an.
Der Frauenanteil insgesamt liegt bei knapp 35 Prozent und damit etwas höher als in der abgelaufenen Wahlperiode (2017: 31,4), aber niedriger als in der Legislaturperiode davor (2013: 37,3). Die Grünen haben im neuen Bundestag den höchsten Frauenanteil. In ihrer Fraktion sind 58,5 Prozent der Abgeordneten weiblich. Auch bei der Linken sind es mehr als die Hälfte (53,8 Prozent). Die SPD kommt auf 41,7 Prozent Frauen. Die wenigsten weiblichen Abgeordneten gibt es mit 13,3 Prozent in der Fraktion der AfD. Bei der FDP (23,9) und der Union (23,5) ist der Frauenanteil ungefähr gleich groß.
Der leichte Anstieg des Frauenanteils lässt sich dadurch erklären, das mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen zwei Parteien mit verbindlichen Frauenquoten ihr Ergebnis verbessert haben. Demgegenüber stehen CDU/CSU, FDP und AfD, die nur wenige Frauen aufstellen (FDP, AfD) oder Frauen auf wenig aussichtsreichen Listenplätzen und Direktmandaten nominieren (CDU/CSU), kritisiert Helga Lukoschat, Vorstandsvorsitzende des Forschungs- und Beratungsinstituts „EAF Berlin“. In der CSU hatte man versucht, durch paritätische Listen für die Bundestagswahl Chancengleichheit zu signalisieren – allerdings wurden alle ihre Abgeordneten per Direktmandat bestimmt. In den aussichtsreichsten Wahlkreisen waren weit weniger Frauen zu finden. Nur in 10 von 46 bayerischen Direktwahlkreisen bei der Bundestagswahl standen Frauen für die CSU zur Wahl.
Kritik kommt von der Vorsitzenden der Frauen Union
Die Vorsitzende der Frauen Union der CDU, Annette Widmann-Mauz, hadert mit dem geringen Frauenanteil in der neuen CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Mit einem Frauenanteil von 23,5 Prozent in der Unionsfraktion können wir nicht zufrieden sein“, sagte Widmann-Mauz (CDU) den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Sie fordert grundlegende Änderungen. „Die strukturellen Fragen in der CDU sind weiterhin ungeklärt. Das steht nach wie vor auf der Agenda“, sagte sie. Für die Partei kann das Thema durchaus große Bedeutung haben: Unter einer Wahlkämpferin Angela Merkel wählten in den vergangenen Jahren mehr Frauen als Männer die Union – diesmal haben sich nur noch 24 Prozent der Frauen für die Union entschieden, genauso viele wie männliche Wähler. 2017 lag der Anteil der weiblichen Unterstützerinnen noch bei fast 37 Prozent.