Nach der historischen Niederlage am Wahlsonntag kommt die Union nicht zur Ruhe und ringt weiter um ihren Zusammenhalt. CSU-Chef Markus Söder kritisierte das unklare Taktieren des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet scharf und forderte eine Richtungsentscheidung. Der bayerische Ministerpräsident gab Laschet am Dienstag auch gleich mit auf den Weg, wie die auszusehen hat: Zunächst sei die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Olaf Scholz als Wahlsiegerin bei der Regierungsbildung am Zug. „Wenn das nicht funktionieren sollte, dann sind wir zu jeden Gesprächen bereit.“ Bei der Abstimmung über den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion konnte Laschet einen kleinen taktischen Sieg erringen: Amtsinhaber Ralph Brinkhaus wurde wiedergewählt, aber nur für sechs Monate statt der üblichen zwölf. Das verschafft Laschet etwas Luft.
Der CDU-Chef hatte sich zuvor für eine kommissarische, auf wenige Wochen beschränkte Lösung beim Fraktionsvorsitz eingesetzt. Der Spitzenkandidat wollte sich damit die Option offenhalten, später noch selber Fraktionschef und damit Oppositionsführer zu werden, falls es zu einer Regierung ohne die Union kommen sollte. Doch der Widerstand in den Reihen von CDU und CSU war groß. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erklärte, er werde „unter keinen Umständen“ den Vorschlag machen, den Fraktionsvorsitzenden nur kommissarisch für wenige Wochen zu wählen. Laschet verhandelte hart mit Söder, Dobrindt und Brinkhaus - nach gut zweistündiger Sitzung votierte die Fraktion in geheimer Wahl mit 85 Prozent für den Sechs-Monats-Kompromiss.
Viele in der Union sind unzufrieden mit Armin Laschets Verhalten
Laschet konnte damit sein Gesicht wahren, der Druck auf ihn allerdings bleibt. „Jetzt ist die Woche der Entscheidungen. Jetzt müssen Entscheidungen über Kurs und Personal getroffen werden“, sagte Dobrindt, selbst gerade mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt, und formulierte so die Ungeduld vieler in der Union über Laschets Führungsstil. Den offensichtlichen Unwillen des Aacheners, den Wahlsieg der SPD zu respektieren, wollte niemand mehr gutheißen. Andere räumten ihre Plätze. CDU-Vize Julia Klöckner kündigte an, nicht mehr als CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz zu kandidieren. Dies auch, um den Weg für einen Neuanfang freizumachen. Der Parteivorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Sack, trat aus ähnlichen Gründen bereits vom Amt zurück.
In der konstituierenden Fraktionssitzung räumte Laschet nach Teilnehmerangaben erneut Fehler ein und gab sich moderat. Rücktrittsforderungen wurden nicht laut. Auch deshalb, weil vielen in der CDU gerade die Vorstellung fehlt, wer es dann machen soll. Namen kursieren zwar einige. Jens Spahn etwa wird genannt, der aber hält sich auffällig zurück.
Markus Söder übt offen Kritik
Markus Söder ließ es an offener Kritik jedoch nicht mangeln. Es sei wichtig, ein Wahlergebnis zu respektieren, sagte er in Berlin und kritisierte Laschets Rechenspiele. Der hatte versucht, den knappen Vorsprung der SPD in eine Niederlage umzurechnen. Söders Kommentar: Man dürfe jetzt nicht „jeder mathematischen Möglichkeit“ nachgehen. Der Bayer betonte zudem die übliche Praxis, dass der Verlierer dem Wahlsieger gratuliert. Das ging direkt gegen Laschet, der Scholz bis dahin noch nicht beglückwünscht hatte. Söder holte das demonstrativ vor Journalisten nach, wollte daraus auf Nachfrage aber kein Rücktrittsersuchen abgeleitet sehen. Einen Medienbericht, wonach er statt Laschet als Kanzler in eine mögliche Jamaika-Koalition eintreten solle, dementierte er. Das sei „eine Spekulation, die keinen Nährboden hat.“
Ein kleiner Lichtblick für die Zukunft der gerupften Volkspartei tat sich dann doch noch auf. „Wir brauchen für die Zukunft ein klares und geordnetes Verfahren, wie wir über den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU entscheiden“, forderte Alexander Dobrindt. Das derzeitige Durcheinander sollte allen bei der nächsten Wahl also erspart bleiben.