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Bundestagswahl 2021: Olaf Scholz hat einen Lauf - trotz SPD

Wahlkampf

Fehlender Rückhalt der Partei: Scholz treibt die SPD an

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    SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz fordert ein offensiveres Auftreten für die Corona-Impfung von Geimpften selbst.
    SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz fordert ein offensiveres Auftreten für die Corona-Impfung von Geimpften selbst. Foto: Soeren Stache, dpa

    In der Hauptstadt gibt es seit ein paar Tagen eine Spezies zu sehen, die schon ausgestorben schien: das zufriedene SPD-Mitglied. Allzu sehr waren die Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen zuletzt von miesen Umfragewerten und schlechten Zukunftsaussichten gebeutelt worden. Auf einmal jedoch ist wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Im Land Berlin, in dem am 26. September parallel zur Bundestagswahl ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wird, konnte die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey ein wenig zulegen. Und im Bund insgesamt machen steigende Umfragewerte für den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz der SPD Hoffnung, dass die Wahl für sie noch nicht verloren ist.

    Baerbock und Laschet patzen, Scholz punktet

    Scholz profitiert von den Schwächen seines Konkurrenten und der Herausforderin Annalena Baerbock. Die hatten zuletzt unnötige Fehler gemacht, eine Entwicklung, die nun allerdings auch Scholz in seiner Partei erleben muss. Der Grund des Anstoßes und des möglicherweise bevorstehenden Umfrage-Rückfalls von Scholz: Ein Wahlwerbespot, den SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil vorstellte. Darin werden, angelehnt an russische Matroschka-Puppen, nacheinander verschiedene Gesichter von CDU-Politikern gezeigt. Zu einem davon heißt es: „Wer Armin Laschet von der CDU wählt, ..wählt erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist". Gemeint ist der Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, Nathanael Liminski.

    Die Äußerung des heute 35-Jährigen ist etwa 14 Jahre alt. Vor allem verstößt der SPD-Spot aber gegen die Regel, dass die Religionszugehörigkeit grundsätzlich kein Wahlkampfthema ist.

    Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, während eines Interviews am Rande des G20-Gipfels in Venedig.
    Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat, während eines Interviews am Rande des G20-Gipfels in Venedig. Foto: Luca Bruno, dpa

    In der Bundespolitik kann der Wahlkampf durchaus zu einer harten Auseinandersetzung ausarten. Damit es nicht zu schlimm wird, haben die Parteien untereinander Absprachen getroffen. Da gibt es zum Beispiel die Verabredung, dass von Hackern gestohlene und dann veröffentlichte Computerdaten grundsätzlich nicht gegen den politischen Gegner verwendet werden. Im Willy-Brandt-Haus wurde zur diesjährigen Bundestagswahl gerade erst eine neue Selbstverpflichtung aufgelegt, in der die SPD unter anderem erklärt, sie dulde beleidigende, rassistische, herabwürdigende und gewaltverherrlichende Kommentare nicht.

    Ziemiak kritisiert Wahlspot über Liminski

    Nach Einschätzung vieler Bundespolitiker fällt die Äußerung über Liminski genau in diese Kategorie. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kritisierte, seine Partei habe sich das Bekenntnis der SPD zu einem fairen Wahlkampf anders vorgestellt. Kampagnen seien ja immer abhängig vom Spitzenkandidaten, meinte Ziemiak und forderte Olaf Scholz zu einer Erklärung auf, „ob er weiterhin die Zugehörigkeit zur katholischen Religion missbrauchen will für eine Kampagne im Wahlkampf“?

    Ob die Angelegenheit für Scholz so viel Zündstoff birgt wie der Laschet-Lacher inmitten des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen oder die Lebenslauf-Lügen von Baerbock, das werden die nächsten Umfragen zeigen. Vorerst kann er sich über leicht gestiegene Zahlen für seine Partei und stark gestiegene Beliebtheitswerte freuen. Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa käme Scholz bei einer nur theoretischen Direktwahl auf 27, Laschet auf 14 und Baerbock auf 13 Prozent. Das ist zwar auch kein berauschender Wert und in anderen Umfragen liegt Scholz deutlich hinter der künftigen Polit-Rentnerin Angela Merkel. Aber wem das Wasser bis zum Hals steht, der freut sich auch über kleine Schippen Sand, die ihm unter die Füße geworfen werden.

    CSU-Chef Markus Söder und Olaf Scholz machen sich vor Ort ein Bild der Lage durch das Unwetter und Hochwasser.
    CSU-Chef Markus Söder und Olaf Scholz machen sich vor Ort ein Bild der Lage durch das Unwetter und Hochwasser. Foto: Felix Hörhager, dpa

    Scholz hat darüber hinaus den Vorteil, dass er bereits voll in den Wahlkampfmodus wechseln konnte. Laschet hingegen verschob bereits mehrere Termine, um sich voll der Naturkatastrophe in seinem Land zu widmen. Am 21. August wollen CDU und CSU in Berlin den offiziellen Startschuss für ihren Bundestagswahlkampf geben. Scholz könnte die Zeit nutzen, um weiter an seinem Profil zu feilen. Er ist Deutschlands oberster Schatzmeister, kann Geldgeschenke verteilen und weiter Sympathiepunkte sammeln. Dabei droht ihm aber ein Problem auf die Füße zu fallen, das ihm schon in der Vergangenheit das Leben schwer machte. Seine eigene Partei.

    Mit Scholz läuft es bei der SPD wieder

    Die SPD wollte Scholz 2019 bekanntlich nicht zum Vorsitzenden haben und wählte stattdessen Saskia und Norbert Walter-Borjans. Esken hat gerade erklärt, dass sie über 2021 hinaus Parteichefin bleiben möchte. Das könnte eine offene Flanke für Scholz werden, denn üblicherweise stehen die Regierungschefs und Regierungschefinnen ihrer Partei vor.

    Andererseits hat es der Scholzomat mit hanseatischer Beharrlichkeit vermocht, die Entwicklung bei der SPD zu drehen. Am 30. November 2019, als Scholz eben nicht Parteivorsitzender wurde, unkten viele Beobachterinnen und Beobachter schon, die SPD werde den Weg der Sozialisten in Frankreich gehen und in den Nebel des Vergessens eintauchen. Das ist bekanntlich nicht passiert. Wegen Scholz ist mit der SPD im Wahlkampf wieder zu rechnen.

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