Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Bundestagswahl 2021: Chaos bei der CDU - Krampf statt Kampf bei Laschet

Bundestagswahl 2021

Chaos bei der CDU - Krampf statt Kampf bei Laschet

    • |
    Der Parteichef hat gerade einen schweren Stand und weiß nicht so recht, wo die Reise hingeht.
    Der Parteichef hat gerade einen schweren Stand und weiß nicht so recht, wo die Reise hingeht. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Am Tag eins nach der Bundestagswahl zeichnet sich für den CDU-Vorsitzenden in zweifacher Hinsicht ein trübes Bild der Lage. Bauarbeiter wirbeln bei Fräsarbeiten in der Nähe des Konrad-Adenauer-Hauses einigen Staub auf und erschweren Armin Laschet den freien Blick. Auch danach hat es der Aachener schwer, die Übersicht zu behalten. Verschiedene Strömungen tun sich in seiner Partei auf, nachdem die CDU am Wahlsonntag ein historisches schlechtes Ergebnis eingefahren hat und hinter der SPD nur auf Platz zwei liegt. Die Nerven liegen blank bei den Christdemokraten, die Fragen türmen sich: Wie soll sich die Partei neu aufstellen? Wer hat Schuld am Abschneiden bei der Wahl? Wer führt in Zukunft die Fraktion im Bundestag? Und vor allem: Ist Armin Laschet noch der richtige Vorsitzende für die CDU?

    Der Aachener selbst gibt Rätsel auf. Am Wahlsonntag hat er, so die überwiegende Einschätzung der Beobachter in Berlin, noch ziemlich eindeutig einen Regierungsauftrag für die Union formuliert. Einen Tag später sieht er das anders. Aus dem Wahlergebnis könne „niemand einen Regierungsanspruch ableiten. Das habe ich am Sonntag auch nicht gesagt“, erklärte er nach Teilnehmerangaben im Bundesvorstand und stellt das später auch in der offiziellen Pressekonferenz so dar. Die Regierungsbildung treibt er gleichwohl offensiv voran.

    Armin Laschet steht nach Bundestagswahl unter Druck

    Denn Laschet steht unter Druck, er muss jetzt liefern. Retten kann ihn eigentlich nur noch der Einzug ins Kanzleramt. „Wir stehen bereit für andere Konstellationen, wenn die Ampel nicht klappt“, gibt er im Vorstand den Angaben zufolge den Fahrplan für die nächsten Tage vor. Man müsse auf dieses Szenario vorbereitet sein und „Bereitschaft“ ausstrahlen. Wie diese Vorbereitung aussieht, ist ihm zumindest klar: Er lotet mit den Grünen und der FDP aus, wie die Chancen auf eine Jamaika-Koalition stehen. Mit FDP-Chef Christian Lindner gab es noch am Wahlsonntag „ein langes Gespräch“, das mit Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock folgte am Montag.

    Licht oder Schatten? Für den CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet gilt gerade eher letzteres.
    Licht oder Schatten? Für den CDU-Bundesvorsitzenden Armin Laschet gilt gerade eher letzteres. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Doch genau diese Vorgehensweise stößt in der Partei vielfach auf heftige Kritik, der Unmut entlädt sich laut Teilnehmerkreisen auch im Bundesvorstand. Viele wollen dort zunächst abwarten, wie die Gespräche verlaufen, die SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz mit Grünen und FDP führt. Sollten diese Gespräche scheitern, so die Argumentationslinie der Laschet-Kritiker, könnte die Union mit deutlich mehr Verve in die Gespräche gehen.

    Davor wäre Zurückhaltung durchaus angebracht, meinen viele in der Parteispitze und wundern sich, dass Laschet seinem Kontrahenten Scholz nicht zum Sieg gratuliert. Das wäre guter Stil, doch Laschet dreht den Spieß sogar noch um und macht Scholz ebenfalls zum Verlierer. Keine Partei habe vom Wahlvolk einen Regierungsauftrag erhalten, auch die SPD nicht, sagt er und ignoriert das zwar knappe, aber doch eindeutige Wahlergebnis. „Olaf Scholz und ich sind zur gleichen Demut aufgerufen“, sagt Laschet und löst damit einiges Kopfschütteln aus.

    Laschet räumt persönlichen Anteil an Wahlergebnis bei Bundestagswahl ein

    Die Vizevorsitzende Julia Klöckner spricht die Kritik nicht offen aus, deutet sie aber an. Man müsse „demütig sein und dabei einen geraden Rücken haben“, sagte sie. Drücken werde sich die Union vor ihrer „staatspolitischen Verantwortung“ nicht, macht auch Klöckner klar, dass CDU und CSU im Zweifel in eine Regierung eintreten werden. Aber die Reihenfolge, sie ist für viele wichtig. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer wird da deutlich. Er formuliert seine „große Sorgen“ darüber, „was in vier Jahren übrig bleibt“ von seiner Partei. „Deswegen braucht es jetzt erst mal ein Innehalten. Die CDU hat diese Wahl verloren“, sagt Kretschmer, in dessen Bundesland die AfD mit Abstand stärkste Kraft geworden ist.

    Armin Laschet und sein Generalsekretär Paul Ziemiak sprechen inzwischen von einer klaren Niederlage. Das gilt für die Partei, aber auch für sie selbst.
    Armin Laschet und sein Generalsekretär Paul Ziemiak sprechen inzwischen von einer klaren Niederlage. Das gilt für die Partei, aber auch für sie selbst. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Laschet räumt selbstkritisch ein, „dass ich auch einen persönlichen Anteil an diesem Wahlergebnis habe“. Das sind Worte, die viele in der CDU gerne ebenso von ihrem Generalsekretär hören würden. Paul Ziemiak hat die letzten Wochen und Monate als Wahlkampfmanager den Hut aufgehabt, er muss im Bundesvorstand dem Vernehmen nach deswegen viel Kritik einstecken. Denn der Wahlkampf lief bekanntlich schlecht, und das wird nicht nur dem Kanzlerkandidaten angelastet.

    Unruhe in der CDU-Zentrale: Vorwürfe gegenüber Generalsekretär Paul Ziemiak

    Vorschläge, es doch mit den großen Marktplätzen zu versuchen und sich nicht im Kleinklein der Fußgängerzone zu verlieren, wurden von Laschet ebenso abgebügelt wie die Ratschläge, statt der kleinen doch lieber mehr große Plakate aufzuhängen. Und Ziemiak nahm es widerspruchslos hin. Der Generalsekretär, so der Vorwurf vieler, habe sich zu sehr um seinen eigenen Wahlkreis gekümmert und darüber die Interessen der gesamten Partei aus den Augen verloren. Die Organisation in der Parteizentrale sei chaotisch, klagen einige, auf bewährte, in vielen Wahlkämpfen erprobte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei nicht gehört worden.

    Rund 140 Angestellte hat die CDU-Zentrale unweit der Siegessäule eigenen Angaben zufolge, und einige haben dem Konrad-Adenauer-Haus in den letzten Wochen entnervt den Rücken gekehrt, heißt es im Flurfunk. Ganz richtig ist das wohl nicht – einige Arbeitsverträge galten ausdrücklich nur für die Zeit des Bundestagswahlkampfes und liefen jetzt aus. Aber es gab auch reguläre Kündigungen.

    Überlässt Laschet seinen Posten? Brinkhaus soll Unions-Fraktionschef werden

    Ob Laschet die politische Kündigung auch bald ins Haus steht? Den ersten richtigen Kampf hat er offenbar schon verloren. Er werde, sagt der CDU-Chef, am Dienstag beim Zusammentreffen der neuen Fraktion im Bundestag zusammen mit CSU-Chef Markus Söder den Amtsinhaber Ralph Brinkhaus zum Fraktionsvorsitzenden vorschlagen. „Das steht doch außer Frage“, sagt er. Doch genau das war eine der großen Fragen der letzten Wochen. Viele in der Union hatten vermutet, Laschet werde den Fraktionsvorsitz für sich reklamieren. Er wäre damit Oppositionsführer gewesen, sollte die Union nicht in die Regierung gehen. Dass er Brinkhaus den Platz praktisch kampflos überlässt, kann ihm als Schwäche ausgelegt werden.

    Ich will es wieder werden: Der CDU-Politiker Ralph Brinkhaus hat als alter und neuer Fraktionsvorsitzender den Finger gehoben.
    Ich will es wieder werden: Der CDU-Politiker Ralph Brinkhaus hat als alter und neuer Fraktionsvorsitzender den Finger gehoben. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Er hat sich erst am Sonntag für diesen Weg entschieden, gibt der 60-Jährige zu und tatsächlich - so ganz durchdacht ist die Sache offenbar noch nicht. Soll Brinkhaus das Amt zunächst kommissarisch weiterführen oder gleich, wie üblich, für ein Jahr gewählt werden? Brinkhaus will letzteres, Laschet sagt, man werde darüber noch zu sprechen haben. Womöglich hat er an dieser Stelle schon den Druck der kleinen Schwesterpartei zu spüren bekommen – die CSU-Landesgruppe würde sich im Zweifel eher für Brinkhaus und gegen Laschet entscheiden.

    Zu Ende der Pressekonferenz macht Laschet die Verwirrung komplett. Ob er ausschließen könne, als Vizekanzler in eine Regierung mit der SPD zu gehen, wird der nordrein-westfälische Ministerpräsident gefragt. Er schließe nichts aus unter Demokraten, antwortet Laschet und merkt dann offenbar, dass das zu diesem frühen Zeitpunkt und in seiner Lage überhaupt keine gute Antwort ist. „Aber eins ist auch klar: Dieses Gespräch findet im Moment nicht statt“, ergänzt er schnell.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden