Armin Laschet ist nicht der Typ, der mit Getöse und fliegenden Fahnen in eine politische Schlacht zieht. Er lässt seine Gegner erstmal kommen und Angriffe ins Leere laufen. Er zermürbt die Kontrahenten, indem er ihre Attacken aushält, ohne sich provozieren zu lassen. So brachte es der 60-jährige Rheinländer, dessen unbedingter Wille zur Macht so oft unterschätzt wurde, zum Ministerpräsidenten, zum Parteichef und - nach einer nächtlichen Marathonsitzung - auch zum Kanzlerkandidaten der Union. Jedes Mal schienen seine Gegner im Vorteil zu sein, jedes Mal sah es so aus, als sei die Schlacht schon verloren - und jedes Mal hieß der Sieger am Ende . Zu nett? Zu weich? Von wegen!
Dass er seit über drei Jahren in Nordrhein-Westfalen regiert, hat er dieser unerschütterlichen Standfestigkeit zu verdanken. Gegen die populäre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft scheint er 2017 keine Chance zu haben. Die SPD-Politikerin spielt ihre Rolle als Landesmutter derart überzeugend, dass sie sogar schon als nächste Kanzlerkandidatin gehandelt wird. Doch Laschet lässt sich von seinen verheerenden Umfragewerten nicht beirren, er kämpft einfach weiter, hält durch, holt auf – und gewinnt.
Schon im Kampf um den CDU-Vorsitz hat Armin Laschet den Favoriten geschlagen
Auch im Duell um den CDU-Vorsitz sehen viele den machthungrigen Manager Friedrich Merz vorne. Doch auf dem Parteitag im Januar begeistert Laschet mit einem sehr persönlichen, emotionalen Auftritt. Er erzählt die Geschichte seines Vaters, der viele Jahre lang als Bergmann geschuftet hatte und seinem Sohn eines mit auf Weg gab: Tief unter der Erde ist es völlig egal, wer der Typ neben dir ist, es kommt nur darauf an, dass du dich auf ihn verlassen kannst.
Laschet inszeniert sich als Teamplayer. Als einer, auf den man sich verlassen kann, der Gräben zuschüttet. "Deutschland braucht keinen Vorstandsvorsitzenden, sondern einen Kapitän, der die Mannschaft zusammenführt", sagt er. So versteht der Familienvater seine Rolle als Ministerpräsident. So grenzt er sich von seinem Rivalen Merz ab – und wird Parteichef.
Nun hat Laschet auch seinen dritten Widersacher überdauert. Markus Söder ist eben jener Typ, der mit fliegenden Fahnen und lauten Getöse in die Schlacht zieht. Er verkauft sich besser, ist ein besserer Redner und kommt besser in der Bevölkerung an. Neben dem wild entschlossenen bayerischen Ministerpräsidenten wirkt der Aachener oft wie ein unbeholfener Zauderer. Aber auch der Herausforderer aus Franken beißt sich letztlich an Laschet die Zähne aus. Söder hat seine Karten bis zum äußersten ausgereizt. Doch der Gegenspieler von der CDU hat am Ende alles auf eine Karte gesetzt, noch höher gepokert und seinen Sieg in einer mitternächtlichen Abstimmung im CDU-Bundesvorstand regelrecht erzwungen. Nach dem Machtkampf auf offener Bühne ist die Union nun in zwei Lager zerbrochen, genau für eine solche Situation ist Laschet ironischerweise der richtige Mann.
Er will die drohende Spaltung der Partei – und des Landes – in aufwühlenden Zeiten verhindern. Laschet kann Brücken bauen. Und das muss er jetzt auch. Zwischen den Konservativen und den Liberalen in CDU und CSU, zwischen denen, die Angela Merkel hinterher trauern und den anderen, die es kaum erwarten können, dass die Ära der ewigen Kanzlerin zu Ende geht. Der Kanzlerkandidat ist einer, der genauso gut mit der FDP regieren kann (was er in Nordrhein-Westfalen recht geräuschlos tut) wie mit den Grünen, notfalls auch mit beiden.
Der CDU-Vorsitzende Laschet inszeniert sich als Politiker, auf den man sich verlassen kann
Oft hat man dem Vater dreier Kinder nachgesagt, ihm fehle die nötige Härte. Ein bisschen klang das wie bei Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach einem kurzen Abnutzungskampf an der CDU-Spitze entnervt aufgab. Doch die Erzählung vom vermeintlich "netten Onkel" hatte schon immer ihre Schwächen. "Ich bin vielleicht nicht der Kandidat der perfekten Inszenierung. Aber ich bin Armin Laschet – darauf können Sie sich verlassen", sagte er auf dem Parteitag. Diese Verlässlichkeit führten seine Unterstützer in den vergangenen Tagen auch immer wieder ins Feld, wenn es um den Unterschied zu Söder ging. Dem CSU-Chef werfen Kritiker vor, Standpunkte zu stark am Zeitgeist auszurichten, heute dies und morgen das zu wollen. Laschet hingegen stehe für unerschütterliche Werte.
In einer Zeit, in der das Land auseinander driftet, in der die Demokratie unter Druck steht, entscheidet sich die Union nach langem Ringen also nicht für den forschen Söder, sondern für den besonnenen Laschet. Nun zieht dieser wohl in die letzte, die alles entscheidende Schlacht gegen Annalena Baerbock und Olaf Scholz. Angeschlagen zwar, aber doch an der Spitze jener Partei, die noch immer die besten Chancen hat, den nächsten Kanzler zu stellen.
Um diese Prüfung zu bestehen, wird es nicht reichen, durchzuhalten. Laschet braucht strategische Köpfe im Hintergrund. Und die hat er. Auf zwei junge Männer wird es in den kommenden Monaten besonders ankommen. Der eine ist Paul Ziemiak. Im Duell mit Söder wackelte der Generalsekretär nicht. Nun wird er den Wahlkampf für seinen Chef organisieren. Einen Wahlkampf, der auf Laschet zugeschnitten sein muss.
Nun muss Armin Laschet auch die Anhänger von Markus Söder einbinden
Hinter den Kulissen wird dabei auch ein Akteur eine wichtige Rolle spielen, den selbst Politik-Junkies bislang kaum kannten. Würde sich der Begriff "graue Eminenz" nicht so sehr mit seinem Alter beißen, könnte man den 35-jährigen Nathanael Liminski so bezeichnen. Der Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf ist ein versierter Strippenzieher. Einer, der lieber in der zweiten Reihe bleibt und dort sehr effizient kleine Feuer austritt, bevor sie gefährlich werden. Der Netzwerke knüpft – auch nach Berlin, wo dem Landespolitiker Laschet noch die Hausmacht fehlt, wie man in den vergangenen Tagen eindrucksvoll erleben konnte.
Während seinem Chef lange nachgesagt wurde, ihm fehle der nötige Zug zum Tor, bastelt Liminski seit Jahren unablässig an dessen Karriere. In noch jüngeren Jahren war der Einser-Abiturient und Reden-Schreiber des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch vor allem durch streng konservative Positionen aufgefallen. Auf den ersten Blick passt das nicht besonders gut zu Laschet, den Mann der Mitte. Doch bei genauerem Hinsehen kann sich das sogar als Vorteil erweisen, um die viel zitierten enttäuschten Konservativen bei der Stange zu halten.
Und all jene, die nun damit klarkommen müssen, dass ihr Favorit Markus Söder doch nicht gewonnen hat.
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