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Bundestagswahl 2017: Wie zuverlässig sind die Umfragen?

Bundestagswahl 2017

Wie zuverlässig sind die Umfragen?

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    Eine Pappfigur von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz steht im Fenster eines SPD Bürgertreffs in Niedersachsen.
    Eine Pappfigur von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz steht im Fenster eines SPD Bürgertreffs in Niedersachsen. Foto: Julian Stratenschulte (dpa)

    Kann Angela Merkel bereits mit dem Wahlkampf aufhören und bis zum 24. September die Hände in den Schoß legen? Und steht Martin Schulz schon als Verlierer fest, noch ehe die Wahllokale öffnen? Glaubt man den Meinungsumfragen, ist vier Wochen vor der Wahl alles entschieden. Die großen Institute Infratest Dimap, Forschungsgruppe Wahlen, Forsa und Allensbach sind sich einig, ihre Zahlen liegen nur minimal auseinander. Mit der Folge, dass auch 45 Prozent der Deutschen davon überzeugt sind, das Ergebnis der Wahl stünde schon fest.

    Bundestagswahl 2017: Umfragen suggerieren, Wahl sei entschieden

    Aber ist die Wahl wirklich schon entschieden? Martin Schulz vergleicht den Wahlkampf mit einem Marathonlauf, der erst auf der Zielgeraden im Schlussspurt entschieden werde. Der Wähler sei unberechenbarer als früher und entscheide sich oft erst unmittelbar vor der Stimmabgabe, wen er wähle.

    Auch Allensbach-Chefin Renate Köcher warnt in der FAZ davor, die Wahl bereits als gelaufen zu betrachten. Denn im Moment geben 46 Prozent der Befragten an, sie wüssten noch nicht, wen sie wählen sollen. Das ist ein neuer Rekordwert. Vor vier Jahren waren es zum gleichen Zeitpunkt 39 Prozent, vor acht Jahren 32 Prozent.

    Eine weitere Unsicherheit: Die Demoskopen können nicht vorhersagen, wie hoch die Wahlbeteiligung sein wird und in welchem Ausmaß es den Parteien gelingt, ihre Sympathisanten zu mobilisieren. Eine geringere Wahlbeteiligung kommt eher den kleinen Parteien zugute, die ein gefestigtes Wählerpotenzial haben; von einer hohen Wahlbeteiligung profitieren dagegen die beiden großen Volksparteien.

    Kritiker werfen den großen Meinungsforschungsinstituten vor, mit ihren in der Regel am Telefon geführten Umfragen von 1000 zufällig vom Computer ausgewählten Personen – einzig Allensbach spricht mit den ausgewählten Personen persönlich – lediglich Stimmungen zu registrieren, am Ende aber ein bis aufs Komma genaues Ergebnis zu präsentieren.

    Demoskopie: So erheben Umfrageinstitute ihre Werte

    Schon die Auswahl der Befragten sei selektiv. Von fünf Menschen, die angerufen werden, ist oft nur einer bereit, sich befragen zu lassen, eine Quote von 20 Prozent. „Auf der Basis schließen sie dann aber auf die 100 Prozent. Und dabei können natürlich immer Fehler entstehen“, kritisiert der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der Universität Mainz. Auch Michael Kunert von Infratest Dimap gibt zu, dass sich überwiegend Menschen befragen lassen, „die sich ohnehin für das gesellschaftliche Leben interessieren“ und besser gebildet seien.

    Ein weiteres Problem: Auch bei anderen Indikatoren wie Alter, Wohnort oder Schulabschluss sind die Befragten nicht zu 100 Prozent repräsentativ. Damit aber bildet die Umfrage nur einen Teil der Gesamtbevölkerung ab. Die Institute versuchen dies dadurch auszugleichen, dass sie die Werte ihrer Befragungen gewichten, mit Ergebnissen der Vergangenheit kombinieren und mithilfe weiterer Kriterien interpretieren.

    Wie genau die einzelnen Institute diese Gewichtungen vornehmen, ist allerdings ihr Betriebsgeheimnis. Im Kleingedruckten weisen sie daher auch auf die sogenannte Fehlertoleranz hin, die sich in der Regel auf plus/minus drei Prozentpunkte beläuft. Doch statt zu prognostizieren, die Union liege in einem Korridor zwischen 36 und 42 Prozent und die SPD zwischen 19 und 25, liefern die Institute eine konkrete Zahl, die ein exaktes Ergebnis vorgaukelt. Das kann vor allem für die Kleinparteien fatal sein: Die Prognose, unter fünf Prozent zu liegen, kann sie Wählerstimmen kosten, dabei könnten es auch um die sieben Prozent sein.

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    Die Kunst der Demoskopen kommt daher schnell an ihre Grenzen, wenn es besonders knapp wird oder es zu kurzfristigen und spontanen Entscheidungen kommt, die sich als Trend verstärken. Dass die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte, hatte bei der letzten Wahl 2013 kein Institut vorhergesagt, auch beim Brexit-Votum in Großbritannien im vergangenen Jahr lagen die Umfragen daneben.

    Denn es gibt neben jenen, die am Telefon ihr wahres Wahlverhalten leugnen, weil sie beispielsweise mit extremistischen Parteien sympathisieren, das aber nicht zugeben wollen, auch noch die taktischen Wähler, die eigentlich CDU oder SPD wählen, dann aber ihre Stimme der FDP oder den Grünen geben, um eine bestimmte Koalition zu ermöglichen. Weder das eine noch das andere Verhalten erfasst die Umfrage. Daher legt weder Angela Merkel ihre Hände in den Schoß noch gibt Martin Schulz auf. Denn noch immer gilt der Spruch: Wahlen muss man gewinnen, nicht Umfragen.

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