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Bundestagswahl 2013: Steinbrücks Stinkefinger-Pose: Auf schmalem Grat

Bundestagswahl 2013

Steinbrücks Stinkefinger-Pose: Auf schmalem Grat

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    Die Ironie ist der größte Feind des Politikers. Nicht jeder versteht sie – und nicht immer passt sie auch. Ein kleiner, geistreicher Angriff kann einen Wahlkampf würzen und ihm für einen Moment etwas von seinem Bierernst nehmen. Wo die Ironie allerdings nicht als rhetorisches Hilfsmittel dient, sondern zur Selbstverteidigung, wird es kompliziert. Sarkasmus, falsch eingesetzt, sagt am Ende mehr über den aus, von dem er kommt, als über den, dem er gilt.

    Paradebeispiel, wie man es nicht machen sollte

    Peer Steinbrück und sein Stinkefinger sind ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Aus einer Laune heraus hat der Kanzlerkandidat der SPD eine Frage nach seinem Image als Pannen-Peer mit einer eindeutigen Geste beantwortet, einer spöttischen Retourkutsche an all jene, die aus vermeintlichen Kleinigkeiten immer gleich eine große Sache machen. Motto: Euch zeig ich es! Das mag ironisch gemeint gewesen sein, etwas provozierend wohl auch – viele Wähler allerdings dürfte das Bild eher verstören denn erheitern. Ihren Kindern bringen sie bei, dass man tunlichst nicht mit gestrecktem Mittelfinger auf andere zeigt, und dann grüßt von der Titelseite eines Magazins plötzlich einer der populärsten Politiker des Landes in eben jener Pose.

    Es ist ein schmaler Grat, auf dem Steinbrück da balanciert. Einerseits kann er seine direkte Art und seinen bissigen Humor im Wahlkampf schlecht verleugnen, sie gehören zu ihm wie die zur Raute gefalteten Hände zu seiner Kontrahentin. Andererseits setzen die Menschen in jemanden, der sich um die Kanzlerschaft bewirbt, auch besondere Erwartungen. Angela Merkels Erfolg fußt nicht zuletzt auf jener oft etwas spröden, staatstragenden Seriosität, die schnell langweilig wirkt, gleichzeitig aber auch irgendwie verlässlich. Umso riskanter ist es, wenn ihr Herausforderer den Eindruck erweckt, er habe sein Temperament (und sein Ego) nicht im Griff.

    Vermutlich teilen nur die wenigsten Steinbrücks Sinn für Ironie

    Dass Steinbrück sich für ziemlich gut hält, ist kein Geheimnis. Er hat es weit gebracht in der Politik und aus seiner Sicht keinen Grund zu falscher Bescheidenheit. Ein Kandidat, der so unter Beobachtung steht wie er, sollte sich aber nicht nur auf sich selbst verlassen, auf sein rhetorisches Talent und seine inhaltliche Sattelfestigkeit. Er muss auch ein Gefühl dafür haben, wie seine polarisierende Spontaneität bei anderen ankommt – vor allem bei den Unentschlossenen, die er noch für die SPD gewinnen will. Von ihnen teilen vermutlich die wenigsten seinen Sinn für Ironie.

    Mag sein, dass sich der Wirbel, den Steinbrück mit seinem Stinkefinger ausgelöst hat, bald legt. Im Windschatten dieser Diskussion jedoch braut sich bereits das nächste kleine Gewitter zusammen. Falls es in einer Woche weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb reicht, will der unterlegene Kandidat offenbar an führender Stelle die Verhandlungen über eine Große Koalition mit der Union führen – obwohl er selbst alles werden will, nur nicht Minister und Vizekanzler in einem solchen Bündnis. Auch hier betrachtet Steinbrück die Dinge vor allem aus seiner persönlichen Perspektive: Nachdem er sich schon so ins Zeug gelegt hat, will er auch die Ernte seines Wahlkampfes mit verteilen, schließlich wäre die Rückkehr an die Regierung zumindest ein politischer Teilerfolg für die SPD.

    Tatsächlich würde sich der frühere Finanzminister damit selbst Lügen strafen. Für einen Mann von seinem Kaliber, das hat er immer wieder betont, könne es am Ende nur Sekt oder Selters geben. Wer für sich ein Amt in einer Großen Koalition so dezidiert ausschließt wie Steinbrück, setzt sich deshalb erst gar nicht dem Verdacht aus, er arbeite insgeheim schon auf eine solche hin. So oder so ist die Situation für die SPD und ihren Kandidaten schon peinlich genug: Nach außen versuchen sie die Illusion von einer rot-grünen Mehrheit noch aufrechtzuerhalten. Insgeheim jedoch planen sie schon für den Tag danach – den Tag, an dem Peer Steinbrück nur noch ein einfacher Abgeordneter sein wird.

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