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Bundestagswahl 2013: Die besten Geschichten aus legendären Wahlnächten

Bundestagswahl 2013

Die besten Geschichten aus legendären Wahlnächten

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    Die besten Geschichten aus legendären Wahlnächten
    Die besten Geschichten aus legendären Wahlnächten

     Minuten zuvor hatten ihn seine Parteifreunde frenetisch gefeiert. Nun betritt Gerhard Schröder das Fernsehstudio. Er, der Bundeskanzler. Er, der Siegertyp. Dass der SPD-Politiker die Bundestagswahl 2005 verloren hat, blendet er einfach aus – berauscht von einem Ergebnis, das deutlich besser ausfiel, als alle Umfragen es vorhergesagt hatten. Berauscht vom Jubel der Sozialdemokraten, denen er zuletzt so fremd geworden war. In dem Gefühl, es allen noch einmal gezeigt zu haben, nimmt er Platz im Scheinwerferlicht. Das hier ist die Elefantenrunde. Und er ist der Bundeskanzler. Noch.

    Alles zur Bundestagswahl 2013

    Schröder spielte bei der Bundestagswahl 2005 „Alles oder nichts“

    Was folgt, ist ein Auftritt, den Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf später als „suboptimal“ bezeichnen wird. Schröder spielt „Alles oder nichts“. Es ist die Paraderolle des „Basta-Kanzlers“. „Glauben Sie im Ernst, dass meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel einginge, in dem sie sagt, sie möchte Bundeskanzlerin werden?“, fragt er süffisant lächelnd in die Runde.

    Ach ja, Frau Merkel ist ja auch noch da. Und die anderen Parteichefs. Schröder degradiert sie alle zu Statisten. „Sie wird keine Koalition unter ihrer Führung mit meiner sozialdemokratischen Partei hinkriegen. Das ist eindeutig, machen Sie sich da gar nichts vor“, mosert er Moderator Nikolaus Brender an. Der Chefredakteur des ZDF kontert den, sagen wir einmal, ungewöhnlichen Auftritt auf seine ganz eigene Art. Er nennt den Noch-Regierungschef fortan nicht mehr „Herr Bundeskanzler“, sondern ganz profan „Herr Schröder“.

    Schröder sagt heute: „Ist doch irgendwie auch ’ne Kultsendung, oder?“

    Gewonnen hat die Wahl übrigens Angela Merkel, die Schröder einigermaßen konsterniert gegenübersitzt. Die CDU-Chefin hat ihr Ziel, eine Koalition mit der FDP zu bilden, zwar klar verpasst. Aber sie könnte mit der SPD regieren. Das wissen alle im Raum – sogar Schröder, der in diesen Minuten Opfer der eigenen Glückshormone wird. Am Ende bekommt Merkel doch noch, was sie wollte. Sie wird Kanzlerin. Und Schröder? Der sagt Jahre später: „Ist doch irgendwie auch ’ne Kultsendung, oder?“

    Ein paar Minuten durfte sich Edmund Stoiber als Kanzler fühlen

    Das Wahljahr 2013: Zahlen und Fakten

    2013 stehen in Deutschland fünf große Wahlen an, darunter die Bundestagswahl. Hier die Wahlen im Überblick:

    NIEDERSACHSEN: Am 20. Januar entschieden die Wähler zwischen dem erst seit 2010 amtierenden David McAllister (CDU) und seinem SPD-Konkurrenten Stephan Weil. Weil gewann die Wahl.

    SCHLESWIG-HOLSTEIN: Am 26. Mai wurden die Kreistage und Gemeindeparlamente neu gewählt.

    BAYERN: Die CSU hofft im September auf eine erneute absolute Mehrheit, die sie 2008 spektakulär verloren hat. Unter dem neuen Ministerpräsidenten Horst Seehofer ging sie eine Koalition mit der FDP ein. Eine Neuauflage ist fraglich.

    BUNDESTAG: Bei der Wahl im September setzen die Unionsparteien auf die populäre CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihr Herausforderer ist der frühere SPD-Finanzminister Peer Steinbrück, der Rot-Grün anstrebt.

    HESSEN: Das Wahljahr endet im November oder Dezember in Hessen. Volker Bouffier führt die mit der FDP regierende CDU erstmals als Ministerpräsident in den Wahlkampf. Sein langjähriger Vorgänger Roland Koch hatte sich 2009 behauptet.

    Dabei wäre es um ein Haar gar nicht zu jener legendären Elefantenrunde gekommen. Wenn nämlich Edmund Stoiber drei Jahre zuvor recht behalten hätte. Der bayerische Ministerpräsident war 2002 ausgezogen, um Schröder aus dem Amt zu vertreiben. Und tatsächlich darf er sich für ein paar Minuten als Kanzler fühlen. Die Hochrechnungen deuten auf eine Mehrheit für Schwarz-Gelb hin. Eine knappe zwar, aber doch eine Mehrheit.

    Um 18.40 Uhr tritt Stoiber vor seine euphorisierten Anhänger und sagt jenen Satz, der ihn möglicherweise bis heute noch manchmal aus dem Schlaf reißt: „Wir haben die Wahl gewonnen!“ Die Menge tobt und Stoiber legt einen echten Stoiber nach: „Ich werde noch kein Glas Champagner öffnen, aber es wird bald sein.“ Am Ende öffnet der CSU-Chef weder ein Glas noch eine Flasche. Höchstens ein Frust-Bier. Nach einem dramatischen Kopf-an-Kopf-Rennen zieht Schröder mit Rot-Grün doch noch vorbei – und wird erst drei Jahre später lernen, wie es sich anfühlt, eine Bundestagswahl so knapp zu verlieren ...

    Diese Parteien treten bei der Bundestagswahl an

    Bei der diesjährigen Bundestagswahl wird die Auswahl groß sein - 34 Parteien treten mit rund 4500 Kandidaten zur Wahl am 22. September an. Vier davon haben keine Landeslisten und stellen lediglich in einigen Wahlkreisen Kandidaten auf.

    DIE ETABLIERTEN sind die sechs Bundestagsparteien CDU, CSU, SPD, FDP, Linke und Grüne. Sie können ohne Einschränkungen an der Wahl teilnehmen, wobei die CSU nur in Bayern antritt und die CDU dort auf Kandidaten verzichtet.

    DIE HOFFNUNGSVOLLEN sind vor allem die drei weiteren Parteien, die ohne Einschränkungen zugelassen wurden. Dies sind die Freien Wähler, die Piraten und die rechtsextreme NPD, die diesen Status wegen ihrer Präsenz in Landtagen bekamen. Wegen dieser Erfolge auf Landesebene hoffen alle drei darauf, dies nun auch auf den Bund übertragen zu können. In den Umfragen liegt aber keine dieser drei Parteien in Reichweite der Fünf-Prozent-Hürde.

    DIE EURO-SKEPTIKER sind stark bei der Bundestagswahl vertreten - allen voran die erst in diesem Jahr gegründete Alternative für Deutschland (AfD), die anders als die anderen kleinen Parteien in den Umfragen auftaucht. Zuletzt lag sie bei drei Prozent.

    DIE EXTREMEN sind - wie seit Jahren üblich - sowohl am rechten, wie auch am linken Rand stark vertreten. Außer der NPD sind aus dem rechtsextremen Spektrum die Republikaner zugelassen sowie die erst vergangenes Jahr gegründete Partei Die Rechte des Neonazis Christian Worch. Aus dem linken Spektrum treten vor allem die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) und die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) an. Zudem stellt die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Wahlkreiskandidaten auf. Radikale Forderungen auf ihre Art vertritt auch die Bayernpartei, die für den Ausstieg Bayerns aus der Bundesrepublik eintritt.

    DIE SKURRILEN sind wie üblich reich vertreten. Nach ihrem Scheitern an der Zulassungshürde 2009 darf diesmal Die PARTEI des Satirikers Martin Sonneborn antreten, bei der die Rückkehr zur Mauer im Programm steht. Die Spaß-Gruppierung wirbt immer noch mit dem Slogan «Die endgültige Teilung Deutschlands - das ist unser Auftrag» - diesmal konnte sie jedoch den Wahlausschuss überzeugen. Zugelassen wurden zudem auch Wahlkreiskandidaturen der NEIN! -Partei, die Nichtwähler als Zielgruppe sieht, sowie der Bergpartei. Die Berliner Kleingruppierung wirbt mit Sprüchen wie «liebe deinen nächsten wie dein auto».

    DIE GESCHEITERTEN sind mit 24 Parteien und Vereinigungen besonders zahlreich. 19 dieser Gruppierungen wurden gar nicht erst zugelassen. Hierzu zählen etwa die Anarchistische Pogopartei, die gleichnamige Wiedergründung der nach einer Spendenaffäre aufgelösten Seniorenpartei Graue Panther oder die Islamische Demokratische Union. Fünf weitere Parteien wurden zwar zugelassen, treten aber aus unterschiedlichen Gründen dennoch nicht an. Diese sind die Christliche Mitte (CM), die Deutsche Nationalversammlung (DNV), die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), die Neue Mitte (NM) sowie die Partei Gesunder Menschenverstand Deutschland (GMD). (afp)

    Zum Trost sei Edmund Stoiber gesagt: Er ist nicht der Erste, der sich zu früh gefreut hat. Wir erinnern an Kurt Georg Kiesinger, den vergessenen Kanzler und wohl tragischsten Verlierer der bundesrepublikanischen Geschichte – bis zur verpassten Meisterschaft des FC Schalke im Jahr 2001 natürlich (Stichwort: Meister der Herzen).

    „Auf den Kanzler kommt es an“

    „Auf den Kanzler kommt es an“, lautet Kiesingers Motto im Bundestagswahlkampf 1969. Drei Jahre lang hat der CDU-Politiker eine durchaus erfolgreiche Große Koalition geführt. Jetzt will er alleine regieren. Die ersten Hochrechnungen machen Hoffnung. Umringt von Journalisten frohlockt Kiesinger: „Ich hab’ soeben einen Telefonanruf von Präsident Nixon gehabt, in welchem er mir zum Ergebnis der Wahl seinen Glückwunsch ausgesprochen hat.“ Na, wenn der mächtigste Mann der Welt schon gratuliert, kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen. Denkt Kiesinger. Noch in der Wahlnacht bietet er Unions-Fraktionschef Rainer Barzel an, sein Außenminister zu werden. Der antwortet ernst: „Herr Bundeskanzler, Sie werden die nächste Regierung gar nicht mehr bilden.“ Denn, was Barzel weiß und sein Chef nicht wahrhaben will: Die Union holt zwar ein starkes Ergebnis von 46,1 Prozent, verpasst die absolute Mehrheit aber hauchdünn. Und hinter den Kulissen tüten Willy Brandt und Walter Scheel ein Bündnis aus SPD und FDP ein. „Kiesinger trägt den Bundeskanzler wie einen Hermelin“, wurde einst getuschelt. Und so fühlt sich der Feingeist an jenem Abend dann auch wie einer, der aus dem eigenen Palast vertrieben wird.

    Konrad Adenauer blieb eine solch aufreibende Nacht erspart. Am späten Abend des 14. August 1949 weiß der CDU-Politiker noch nicht, dass er einen Monat später mit einer einzigen Stimme Mehrheit (seiner eigenen) zum ersten Kanzler der Bundesrepublik gewählt werden wird. „Wat soll ich mich vorher verrückt machen“, sagt der Rheinländer am Wahlabend lapidar – und legt sich ins Bett.

    Bundestagswahl 2013: Stimmen, Trend, News und Ergebnisse lesen Sie am Sonntag ab 11.30 Uhr bei uns  im Liveticker.

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