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Bundestagswahl 2013: Die SPD ist auf dem Boden der Tatsachen angekommen

Bundestagswahl 2013

Die SPD ist auf dem Boden der Tatsachen angekommen

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    Enttäuscht: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (l) und SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel  am Wahlabend.
    Enttäuscht: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (l) und SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel  am Wahlabend. Foto: Wolfgang Kumm

    Schadenfreude ist offenbar auch in der Politik die schönste Freude. Als im Willy-Brandt-Haus Punkt 18 Uhr die Prognosen der Wahlforscher über die Bildschirme flimmern, regt sich bei den 26 Prozent für die SPD keine Hand zum Beifall. Einen Moment später allerdings kennen die Genossen kein Halten mehr: Die Liberalen sind tief gefallen, auf weniger als fünf Prozent – wenn das kein Grund zum Feiern ist, was dann? Solange noch nicht klar ist, wie diese Wahl ausgeht, beklatschen die Sozialdemokraten nicht ihr eigenes Ergebnis, sondern die Niederlage der anderen.

    Peer Steinbrück und SPD: Zweitschlechtestes Ergebnis aller Zeiten

    Eine halbe Stunde später steht Peer Steinbrück auf der kleinen Bühne im Atrium der Parteizentrale und redet nicht lange um den heißen Brei herum. „Wir haben nicht das erreicht, was wir wollten“, räumt er ein. Mit seinem beherzten Wahlkampf hat er für seine Partei zwar ein paar Prozentpunkte dazugewonnen, zu den mehr als 34 Prozent jedoch, mit denen Gerhard Schröder sich vor acht Jahren aus dem Kanzleramt verabschiedet hat, fehlen noch politische Lichtjahre.

    Das Ergebnis von gestern ist das zweitschlechteste, das die SPD je bei einer Bundestagswahl eingefahren hat. Nun liege der Ball im Spielfeld von Angela Merkel, sagt Steinbrück denn auch – und bedankt sich für den herzlichen Empfang, den die Genossen ihm gerade bereitet haben: „Er tut mir sehr gut.“

    Bundestagswahl 2013: Wowereit lobt Steinbrück

    Es ist eine etwas unwirkliche, fast schon lethargische Stimmung hier im Saal und in der kleinen Partyzone, die die SPD vor dem Brandt-Haus aufgebaut hat. Ohne größere Regung registriert das Parteivolk die stündlichen Hochrechnungen, zumal am frühen Abend ja noch niemand weiß, wie diese Wahl denn enden wird. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hadert noch mit der Situation. „Ja, wir haben zugelegt“, sagt er. „Aber wir haben uns mehr erwartet.“ Der Weg zurück zu Wahlergebnissen jenseits der 30 Prozent „ist länger, als wir gedacht haben“.

    Bundestagswahl 2013: Die Reaktionen

    "Das ist ein Superergebnis. Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen. Feiern dürfen wir heute schon, denn wir haben's toll gemacht." (Bundeskanzlerin Angela Merkel)

    "Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel, sie muss sich eine Mehrheit besorgen." (SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück)

    "Das ist eine schwere Stunde für die FDP. Als Spitzenkandidat übernehme ich dafür Verantwortung. Das ist nicht das Ende der Partei. Es wird schwieriger, aber die Arbeit wird weitergehen." (FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle)

    "Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird. Das haben wir geschafft." (Linke-Spitzenkandidat Gregor Gysi)

    "Das ist bitter, und wir werden uns dieser bitteren Realität gemeinsam stellen müssen." (Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin)

    "CDU und CSU haben phänomenal abgeschnitten." (CSU-Chef Horst Seehofer)

    "Es ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei." (FDP-Chef Philipp Rösler zum Resultat der Liberalen)

    "Ich kann nur eines sagen: Dass ich bitter enttäuscht bin von diesem Ergebnis. Das ist eine heftige Niederlage." (Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Roth)

    "Deutschland ist mit der AfD blau geworden. Wir sind aus der politischen Szene in Deutschland nicht mehr wegzudenken." (AfD-Vizechefin Frauke Petry über ihre Partei)

    "Die Deutschen wollen, dass sie vier Jahre weiter regiert. Das Ergebnis ist in erster Linie Anerkennung für die Arbeit von Angela Merkel." (CDU-Vize Armin Laschet)

    "Wir wollen derzeit nach dem Ausgang der Bundestagswahl keine Koalitionsaussagen treffen. Das wird nun zunächst in den Gremien besprochen. Wir haben uns sicherlich einen höheren Zuwachs gewünscht. Nun ist Angela Merkel gefragt." (SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles)

    "Wir hatten mehr erhofft. Das ist kein Auftrag der Wähler, um Gespräche über die Regierung zu führen. Der Ball liegt jetzt bei Angela Merkel. Sie hat die entsprechenden Gespräche zu führen." (SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann)

    "Wir haben einen klaren Auftrag der Wähler, die Regierung zu bilden. Das Ergebnis zeite, dass die Wähler wollten, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt. Ein Ergebnis von mehr als 40 Prozent hattee man für eine Volkspartei schon gar nicht mehr für erreichbar gehalten." (Unionsfraktionschef Volker Kauder)

    "Das Ergebnis ist zutiefst enttäuschend. Jetzt geht es nicht um Koalitionsspekulation wie etwa Schwarz-Grün. Zunächst ist eine Fehleranalyse nötig."(Grünen-Bundestagsabgeordneter Omid Nouripour)

    "Wir hätten uns deutlich mehr Schwung erhofft für Bayern" (SPD-Landesvorsitzender Florian Pronold)

    "Das ist die bitterste Stunde für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten. Wir haben in der Öffentlichkeit nicht überzeugt. Es gibt ausreichend liberales Wählepotenzial. Das gilt es jetzt abzurufen". (FDP-Vorsitzender Nordrhein-Westfalen Christian Lindner)

    "Es gibt mehr Kommunisten in Deutschland als Liberale. Das macht mir sehr große Sorgen." (FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel)

    "Ich finde das eine beachtliche Leistung, dass man mit fünf Ministern der größten Bundestagsfraktion aller Zeiten innerhalb von vier Jahren die FDP von 14,6 auf 5 Prozent oder darunter bringt. Eine ordentliche Wahlkampfstrategie mit einem souveränen Auftreten sieht anders aus. (Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki)

    "Man wählt niemanden, der sich zum Wurm macht. Das Einzige, was die FDP noch hätte schlimmer machen können, wäre gewesen, Hundewelpen aufs Plakat zu machen mit der Aufforderung: 'Bitte, bitte, wählt uns.'" (Vorsitzender der Jungen Liberalen Lasse Becker)

    "Es gilt der alte Grundsatz, dass alle demokratischen Parteien untereinander auch gesprächsbereit sein sollten. Es ist aber klar, dass sich die politischen Positionen von Union und Grünen im Wahlkampf sehr weit auseinanderbewegt haben." (CDU-Vorstandsmitglied Annegret Kramp-Karrenbauer)

    "Ich hatte mir ein besseres Ergebnis gewünscht. Wir müssen überlegen, wie wir unsere Positionen einfacher, verständlicher und klarer an die Bürger bringen." (Piraten-Chef Bernd Schlömer)

    Draußen, an der Imbissbude, gibt es da zwar noch jede Menge Currywurst, aber schon seit Stunden keine Brötchen mehr dazu. Ist das, am Ende, symptomatisch für den Wahlkampf der Sozialdemokraten? Haben sie sich verkalkuliert? An den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeplant? Nur am Spitzenkandidaten, da sind sich alle einig, kann es nicht gelegen haben. Die SPD sei mit Steinbrück im Reinen, lobt selbst Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, einer der Wortführer der Parteilinken. Gabriel, der nicht immer auf einer Linie mit dem Genossen Peer lag, schließt gar mit einer sehr persönlichen Hommage an den Ex-Finanzminister: „Bist ein Pfundskerl.“

    Gewonnen und doch verloren? Es ist ein etwas anderer Wahltag für Peer Steinbrück – und das liegt keineswegs nur daran, dass er selbst eine der Hauptfiguren dieses Wahlkampfes war. Während die Kanzlerin wie andere Spitzenpolitiker am Samstag ihren letzten öffentlichen Auftritt absolviert, steigt ihr Kontrahent erstmals überhaupt auch am Sonntag noch einmal in die Arena. Nachdem Steinbrück mit Ehefrau Gertrud im Friedrich-List-Kolleg in Bonn seine Stimme abgegeben hat, besucht er noch einen Frühschoppen seines Parteifreundes Ulrich Kelber. Der ist nicht über die Landesliste abgesichert, braucht also ein Direktmandat, um wieder in den Bundestag einzuziehen, und hat Steinbrück gebeten, ihn noch einmal zu unterstützen. So kämpfen beide, Kelber und der Kanzlerkandidat, buchstäblich bis zum Schluss.

    Peer Steinbrück: Er wirkt nicht so, als wolle er sich diskret zurückziehen

    Ja, er ist enttäuscht. Einen Grund, sich Asche auf sein Haupt zu schütten, sehe er aber nicht, sagt Steinbrück. „Wir haben einen guten Wahlkampf geführt.“ Bei seinem kurzen Auftritt im Brandt-Haus wirkt der Kandidat nicht so, als wolle er sich nun diskret zurückziehen und anderen, Jüngeren das Feld überlassen. Steinbrück steht, noch immer, unter Dampf und kündigt eher beiläufig an, er sei auch künftig bereit, Verantwortung zu übernehmen. Was das genau heißen soll, bleibt allerdings so diffus wie die Lage. Bis in den späten Abend hinein ist nicht klar, ob die SPD wieder in der Opposition landen wird oder doch in einer Koalition.

    Irgendwann in den nächsten Tagen jedoch, wenn sich die Dinge sortiert haben, wird auch Steinbrück wieder Zeit für anderes haben. Ein paar Bücher und CDs müsse er sich unbedingt kaufen, hat er vor kurzem erzählt. In seiner Wohnung im Berliner Arbeiterbezirk Wedding fehlten noch ein paar Regale, und auch ein paar neue Klamotten benötige er mal wieder. Da geht es dem Kanzlerkandidaten nicht anders als anderen Menschen auch: Gegen aufkommenden Frust hilft eines immer – Shoppen.

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