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Bundestagsdebatte zur Finanzmarktkrise: Merkel: "Schaden vom deutschen Volke abwenden"

Bundestagsdebatte zur Finanzmarktkrise

Merkel: "Schaden vom deutschen Volke abwenden"

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    Von Martin Ferber Berlin. Drei Jahre ist es in Kürze her, dass Angela Merkel als frisch gewählte Bundeskanzlerin vor dem Bundestag ihren Amtseid ablegte und unter der Anrufung von Gott schwor, dass sie ihre Kraft "dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden" werde.

    An diesem Mittwoch nun steht Angela Merkel wieder vor dem Bundestag, und die sonst so nüchterne Physikerin wird für einen kurzen Moment pathetisch, als sie in ihrer Regierungserklärung das Rettungspaket für die Bankenbranche unter Hinweis auf ihren Amtseid verteidigt: "Wir kommen damit unserer Pflicht nach, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden."

    Die Lage ist ernst, so ernst wie seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nicht mehr, als die Welt gelähmt und geschockt war. Angela Merkel, die innerhalb weniger Tage bereits ihre zweite Regierungserklärung zur globalen Finanzmarktkrise abgibt, spannt den historischen Bogen sogar noch weiter: Die Weltwirtschaft erlebe derzeit ihre schwerste Bewährungsprobe seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, sagt sie. Die Geldmärkte seien in der vergangenen Woche faktisch funktionsunfähig gewesen, der Kurssturz an den Aktienmärkten hätte eine "verhängnisvolle Spirale" in Gang setzen können. Was sie nicht sagt, aber jeder im historischen Reichstagsgebäude weiß: Dem Börsencrash 1929 folgte die Weltwirtschaftskrise - und diesem das Ende der Demokratie in Deutschland.

    Für Merkel geht es daher mit dem 500-Milliarden-Paket um mehr, als nur kurzfristig die Finanzkrise in den Griff zu bekommen: "Wir schaffen Strukturen für eine menschliche Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert", verspricht sie, und zwar auch und gerade durch eine intensive internationale Zusammenarbeit, an deren Ende neue Regeln für die Branche stehen sollen. Ausdrücklich verteidigt sie das Eingreifen des Staates in den Markt. Der Staat sei die "einzige Instanz", die übrig geblieben sei, um das Vertrauen zwischen den Banken wiederherzustellen.

    Noch drastischer drückt sich ihr Finanzminister Peer Steinbrück aus. "Wenn es auf den Weltmärkten brennt, dann muss gelöscht werden. Auch wenn es sich um Brandstiftung handelt." Danach aber müssten die Brandstifter gehindert werden, so etwas wieder zu machen, zudem gehörten Brandbeschleuniger verboten. Wie Merkel sicherte auch Steinbrück zu, dass es die Leistungen des Staates nicht ohne Gegenleistung der Banken geben werde.

    Mit einer ungewöhnlichen Intervention greift Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in die Debatte ein. Erst dankt er der Regierung für ihre "imposante Arbeitsleistung", dann macht er darauf aufmerksam, dass der Bundestag trotz des Eilverfahrens das ihm zustehende Kontrollrecht nicht aufgeben werde. Diesen Ball greifen Guido Westerwelle (FDP), Oskar Lafontaine (Linke) und Fritz Kuhn (Grüne) nur zu gerne auf. In ungemein kämpferischen Reden attackieren sie die Regierung und fordern Nachbesserungen, um die Kontrollrechte der Abgeordneten zu stärken. "Wir hören nicht auf, Parlamentarier zu sein", sagt Westerwelle. Kuhn fordert, die Aktionäre der Banken stärker in Haftung zu nehmen, Lafontaine spricht gar von einer "Krise der Demokratie".

    Am Nachmittag bereits kommen der Haushalts- und der Finanzausschuss zusammen, um in einer gemeinsamen Sitzung das umfangreiche Gesetzespaket zu beraten. Eduard Oswald (CSU), als Vorsitzender des Finanzausschusses in einer zentralen Position, verteidigt gegenüber unserer Zeitung das Eilverfahren, nimmt aber auch die Banken in die Pflicht. "Im Interesse des Gemeinwohls und der erforderlichen raschen Stabilisierung der Lage sind diese staatlichen Hilfeleistungen zwingend erforderlich, es ist aber ebenso das Gebot der Stunde, dass die Verantwortlichen in den Finanzinstituten ihren Beitrag leisten und so die Basis dafür schaffen, dass diese Maßnahmen bei den Bürgern auch auf Akzeptanz stoßen."

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