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Bundespräsident gibt auf: Christian Wulff tritt zurück

Bundespräsident gibt auf

Christian Wulff tritt zurück

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    Christian Wulff verlässt an der Seite seiner Frau Bettina den Raum. Zuvor hatte er seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten erklärt.
    Christian Wulff verlässt an der Seite seiner Frau Bettina den Raum. Zuvor hatte er seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten erklärt. Foto: dpa

    Wulff war nur 598 Tagen im Amt. Der 52-Jährige begründete seinen Rücktritt damit, dass er seine Aufgaben wegen der Vorwürfe gegen ihn "nach innen und außen" nicht mehr richtig wahrnehmen könne. Seine Wirkungsmöglichkeiten seien "nachhaltig beeinträchtigt". Der Bundespräsident müsse jedoch vom Vertrauen "nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürger" getragen werden ( zur Rücktrittserklärung im Wortlaut).

    Bis zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts nimmt nun der amtierende Präsident des Bundesrats, Bayerns Regierungschef Horst Seehofer, die Aufgaben wahr. Die schwarz-gelbe Koalition will rasch über die Nachfolge entscheiden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darüber an diesem Samstag mit CSU-Chef Seehofer und dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler in Berlin beraten.

    Wulff gab seinen Rücktritt in einer persönlichen Erklärung bekannt, zu der er kurzfristig in seinen Amtssitz Schloss Bellevue geladen hatte. Begleitet wurde er von seiner Frau Bettina, bei der er sich ausdrücklich bedankte.

    Wulff rechnet mit "vollständiger Entlastung"

    Der bisherige Präsident äußerte sich überzeugt, dass die juristischen Ermittlungen gegen ihn zu einer "vollständigen Entlastung" führen werden. "Ich habe mich in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt verhalten. Ich habe Fehler gemacht. Aber ich war immer aufrichtig." Die Berichterstattung der vergangenen Wochen habe ihn und seine Frau "verletzt".

    Wulff stand seit Mitte Dezember massiv unter Druck. Zunächst ging es um einen günstigen Kredit, den der frühere niedersächsische Ministerpräsident für sein Eigenheim erhalten hatte. Dann musste er sich gegen verschiedene Vorwürfe wehren, Kontakte zu Unternehmern für private Vorteile genutzt zu haben. Auslöser für den Rücktritt war schließlich die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Hannover, beim Bundestag die Aufhebung seiner Immunität zu beantragen, um Ermittlungen gegen das Staatsoberhaupt einleiten zu können.

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Vor allem Medien und Opposition hatten am Freitag den Druck auf Wulff nochmals erhöht und seinen Rücktritt gefordert. Auch in der Koalition soll der Rückhalt für den ehemaligen CDU-Minister von Niedersachsen dem Vernehmen nach gebröckelt haben.

    Wulff-Nachfolge: Kanzlerin will auf Opposition zugehen

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trat kurz nach Wulff vor die Presse. Sie will bei der Auswahl eines Nachfolgers des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff auf SPD und Grüne zugehen. "Wir wollen Gespräche führen mit dem Ziel, in dieser Situation einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland vorschlagen zu können", sagte sie im Kanzleramt. 

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