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Bundespräsident: Zweite Amtszeit? Joachim Gauck muss sich bald erklären

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Zweite Amtszeit? Joachim Gauck muss sich bald erklären

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    Bundespräsident Joachim Gauck. Tritt er für eine zweite Amtszeit an?
    Bundespräsident Joachim Gauck. Tritt er für eine zweite Amtszeit an? Foto: Fredrik von Erichsenf (dpa)

    Am 24. Januar wird Gauck 76 Jahre alt, so alt wie kein Bundespräsident vor ihm. Einiges spricht dafür, dass er sich bis heute noch nicht entschieden hat, ob er für eine zweite Amtszeit  antritt. Ausgeschlossen ist es jedenfalls nicht. Darum gebeten wurde er wiederholt, aber vielleicht macht er seine Zukunft auch von der politischen Entwicklung abhängig, von der Bewältigung der Flüchtlingskrise und davon, wie stark der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland gefährdet ist. Sich verabschieden in schwierigen Zeiten, das liegt ihm nicht.   

    Seine Mitarbeiter und begleitende Journalisten erlebten in den letzten Monaten einen gelassenen und meist gut gelaunten Präsidenten. Gesundheitliche Beschwerden, etwa mit dem Rücken oder den Knien bei stundenlangen Empfängen oder Defilees, scheinen im Griff. Er ist populär, ebenso wie seine Lebensgefährtin Daniela Schadt, die eine beliebte und bürgernahe First Lady ist.

    Am 18. März ist Gauck vier Jahre im Amt. Im Februar 2017 tritt die Bundesversammlung zur Wahl eines Staatsoberhaupts zusammen. In Berlin heißt es, es sei guter Brauch, ein Jahr vor der Wahl Klarheit über eine erneute Kandidatur zu schaffen. Daran hat sich aber auch nicht jeder von Gaucks Vorgängern gehalten.

    Wichtiger: Am 13. März 2016 wird in drei Bundesländern gewählt, womit die innenpolitischen Konstellationen und die Kräfteverhältnisse in der Bundesversammlung noch einmal neu justiert werden. Wahrscheinlich ist deshalb eine Entscheidung Gaucks nach dem Wahltag, aber noch vor der Sommerpause.  

    Bisher sieht es so aus, als stünden alle drei Fraktionen, die Gauck 2012 gewählt haben, auch hinter einer zweiten Amtszeit. Politiker von Union, SPD und Grünen haben den Ex-Pastor aus Rostock wiederholt aufgefordert, noch einmal anzutreten. Auch die Kanzlerin könnte, ungeachtet ihres anfänglichen Widerstands gegen den Mann aus dem Osten, mit einer zweiten Amtszeit gut leben.

    Die Alternative wäre ein langwierige und komplizierte Debatte über einen Nachfolger und über das Bündnis, das ihn trägt. Wäre eine grüne Kandidatin, etwa Katrin Göring-Eckardt, das sichere Signal für eine schwarz-grüne Koalition in Berlin? Wäre ein SPD-Präsident Frank-Walter Steinmeier den Unions-Abgeordneten zu vermitteln? Auch der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier, immerhin im Bündnis mit den Grünen, laufe sich schon warm, heißt es.

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Im Präsidialamt gibt es manche, die fürchten sich vor Langeweile, wenn Gauck es noch einmal macht. Und andere, denen steckt die bittere Erfahrung des Doppelrücktritts, zunächst Horst Köhlers 2010 und dann Christian Wulffs 2012, noch in den Knochen. Sie sind froh über Kontinuität. Tatsächlich kann man aber fragen, was denn die Botschaft der nächsten fünf Jahre aus dem Schloss Bellevue sein soll.

    Gauck kann mit der ersten Amtszeit zufrieden sein. Vor allem sein Aufruf, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, notfalls auch militärisch, war wegweisend und ist immer noch aktuell. Auch deshalb waren internationale Begegnungen für Gauck immer wichtig, auch wenn er den Satz seines Vorgängers Wulff nicht unterschreiben würde, Außenpolitik mache 60 Prozent der Arbeit eines Bundespräsidenten aus.

    Eine Russland-Reise, aus vielen Gründen heikel für den Ex-DDR-Pastor, wird es wohl in dieser Amtszeit nicht mehr geben. Aber China, kompliziert genug für den überzeugten Antikommunisten und schon im letzten Jahr erwartet, könnte 2016 nun angesteuert werden. Auch Afrika steht wohl erneut auf dem Programm, und Uruguay hat Gauck den Besuch fest versprochen, den er 2015 wegen des Germanwings-Absturzes in den Alpen absagen musste.

    "Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen." Wenn man einen und nur einen Satz aus den vielen Reden herausfischen möchte, dann ist vielleicht dieser, vor der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 gesprochen, der wichtigste. Die Konsequenz daraus: Deutschland darf sich nicht wegducken, auch nicht mit Hinweis auf seine grauenvolle Vergangenheit. Pazifismus ist für ihn keine ernstzunehmende Haltung.

    Seit der Flüchtlingszuzug über die Balkanroute Deutschland mit ungeahnter Wucht erfasst hat, ist nun dies das alles beherrschende Thema - auch für den Bundespräsidenten. Von "Dunkeldeutschland" sprach er angesichts fremdenfeindlicher Gewalt, aber er hat auch eher als andere vor naivem Optimismus gewarnt. "Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich", sagte er am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit. Und in seiner Weihnachtsansprache billigte er ausdrücklich auch politischen Meinungsstreit in der Flüchtlingsfrage.

    Trotz aller Unsicherheit in der Bevölkerung bleibt Gauck aber dabei: "Dies ist ein gutes Deutschland." Freiheit, die er so gerne preist, ist vor allem Verantwortung - gegenüber den Mitbürgern, den Flüchtlingen, gegenüber Europa und den Krisen der Welt. Das ist und bleibt seine Botschaft. Was traut sich Deutschland zu? Den Deutschen helfen zu erkennen, was sie können und wer sie sind, das ist seine Mission. Vielleicht bis 2022.  dpa

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