Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Bundespräsident: Joachim Gauck: "Liberale Demokratie unter Beschuss"

Bundespräsident

Joachim Gauck: "Liberale Demokratie unter Beschuss"

    • |
    Bundespräsident Joachim Gauck ist noch bis Mitte März im Amt. Im Februar wird sein Nachfolger gewählt.
    Bundespräsident Joachim Gauck ist noch bis Mitte März im Amt. Im Februar wird sein Nachfolger gewählt. Foto: Soeren Stache (dpa)

    Bundespräsident Joachim Gauck hat in einer Rede zum Ende seiner Amtszeit eine "wehrhafte und streitbare Demokratie" gefordert. Er erinnerte am Mittwoch vor etwa 200 Gästen im Schloss Bellevue an seine Antrittsrede 2012 und sagte: "Nun, nach fast fünf Jahren, bin ich stärker beeinflusst von dem Bewusstsein, dass diesem demokratischen und stabilen Deutschland auch Gefahren drohen. Und dass große Anstrengungen notwendig sein werden, um es für die Zukunft stark zu machen."

    Gauck nannte die Krise der Europäischen Union mit dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens, aber auch die Kriege im Nahen Osten und in der Ostukraine sowie die russische Besetzung der Krim. Damit seien die begrenzten Handlungsmöglichkeiten deutscher und europäischer Außenpolitik sichtbar geworden.

    Donald Trump: Eine neue Herausforderung für die internationale Ordnung

    Auch die Bedrohung durch den islamistischen Terror sei gewachsen. Mit dem Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten Donald Trump entstünden außerdem neue Herausforderungen für die internationale Ordnung und die transatlantischen Beziehungen.

    In der Debatte über Konsequenzen aus den Terroranschlägen in Deutschland plädierte Gauck für einen starken Staat. "Der Rechtsstaat verliert, wenn er sich im Kampf gegen Gewalt und Terror als zu schwach oder gar hilflos erweist." Mehr Sicherheit sei keine Gefahr für die Demokratie, sondern notwendig zu ihrem Schutz. 

    Gauck fordert, dass Deutschland mehr Verantwortung übernimmt

    In der internationalen Politik bekräftigte Gauck seine Forderung, Deutschland müsse mehr Verantwortung übernehmen. "Gemessen an den Herausforderungen unserer Zeit und an unseren Möglichkeiten könnten und sollten wir deutlich mehr tun." Deutschland und Europa müssten ihre Verteidigungsbemühungen verstärken, um nicht zum Spielball der Interessen anderer zu werden. "Das ist der Kern der wehrhaften Demokratie, das ist republikanische Verteidigungsbereitschaft", sagte er. 

    "Die liberale Demokratie und das politische und normative Projekt des Westens, sie stehen unter Beschuss", betonte Gauck. Er kritisierte, dass in Teilen der Gesellschaft ein Anspruchsdenken gewachsen sei, das den Staat allein als Dienstleister sieht. "Doch Demokratie ist kein politisches Versandhaus. Demokratie ist Mitgestaltung am eigenen Schicksal", betonte er.

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Zwar sei es gelungen, die Zahl der Flüchtlinge und illegalen Einwanderer nach Europa und nach Deutschland deutlich zu reduzieren. "Aber wir alle wissen: Ohne eine effiziente Sicherung der europäischen Außengrenzen, ohne eine geregelte europäische Einwanderungspolitik und letztlich ohne Verbesserung der Lebenssituation in Herkunftsländern werden krisenhafte Zuspitzungen auch in Zukunft zu erwarten sein." 

    In der Auseinandersetzung mit populistischen Strömungen forderte Gauck eine offensive und robuste Streitkultur. "Austausch und Diskussion sind der Sauerstoff der offenen Gesellschaft, Streit ihr belebendes Element", sagte er. "Heftig streiten, aber mit Respekt und mit dickem Fell." Wie im Sport müssten dabei aber Regeln anerkannt werden.

    "Wir leben in rauen Zeiten", sagte Gauck: "Oft ist nicht mehr erkennbar, was wahr ist und was falsch. Vor allem in den sozialen Netzwerken wird fast grenzenlos gelogen, beschimpft, verletzt." dpa

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden