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Bundespräsident: Erste Auslandsreise führt Gauck nach Polen

Bundespräsident

Erste Auslandsreise führt Gauck nach Polen

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    Die erste Auslandsreise von Bundespräsident Joachim Gauck geht nach Polen. Foto: Michael Kappeler dpa
    Die erste Auslandsreise von Bundespräsident Joachim Gauck geht nach Polen. Foto: Michael Kappeler dpa

    An der Wirkung des neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck als moralische Instanz in der Innenpolitik gibt es kaum einen Zweifel. Spannend dürfte jedoch sein zu sehen, wie er sich im Ausland auf diplomatischem Parkett bewegt. Sein Vorgänger Christian Wulff meinte zu Beginn seiner Amtszeit, bis zu 60 Prozent der Aufgaben des Staatsoberhauptes seien Außenpolitik. Wulff stolperte über seine inländischen Kontakte. Im Ausland hatte der Politprofi eine insgesamt ganz gute Vorstellung abgeliefert.

    Joachim Gauck neuer Bundespräsident

    Zitate von Joachim Gauck

    "Unsäglich albern" (16.10. 2011, zur Finanzmarkt-Debatte)

    "Das wird schnell verebben." (16.10.2011, zur internationalen Protestbewegung "Occupy")

    "Wir träumten vom Paradies und wachten auf in Nordrhein-Westfalen." (24.06.2010, über die Ernüchterung vieler Ostdeutscher über das Leben im wiedervereinigten Deutschland)

    "Ich würde in der Tradition all derjenigen Bundespräsidenten stehen, die sich gehütet haben, die Politik der Bundesregierungen zu zensieren. Mancher wünscht sich ja einen Bundespräsidenten wie einen Kaiser, als letzte Instanz über allem - das darf er nicht sein." (25.6.2010, bei seinem ersten Anlauf zur Präsidentschaft im Fernsehsender n-tv über sein Amtsverständnis.)

    "Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten." (3.10.2010 bei einer Feierstunde im Berliner Abgeordnetenhaus zum Einheits-Jubiläum)

    "Denn als Bürger der DDR haben ich und viele andere Menschen im ganzen Osten Europas Ohnmacht erlebt und trotz Ohnmacht Ähnliches geschafft: Es gibt ein wahres Leben im falschen.". (10.10.2010 bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den israelischen Schriftsteller David Grossmann)

    «Verantwortung ist dem Untertan meistens fremd. Was er am besten kann, ist Angst haben.» (1999 über Furcht vor der Freiheit bei Menschen in Ostdeutschland)

    "Wir sind nicht dazu da, vor dem Verbrechen zu kapitulieren und vor dem Unheil zu flüchten." (29.11.2010, vor der Entgegennahme des Geschwister-Scholl-Preises)

    „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik.“ (2011 über Thilo Sarrazin und sein Buch über Migrationspolitik.

    «Es schwächt die Schwachen, wenn wir nichts mehr von ihnen erwarten.» (3.10.2010 bei einer Feierstunde zum Einheits-Jubiläum)

    "Wir dürfen uns von den Fanatikern und Mördern nicht unser Lebensprinzip diktieren lassen." (27.7.2011, bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele gegen die Einschränkung von Freiheitsrechten aus Sicherheitsaspekten als Reaktion auf Terror)

    "Geben Sie mir einfach noch ein wenig Zeit." (17.2.2012, auf die Frage eines Reporters, ob er bereit für eine Kandidatur als Bundespräsident sei)

    Wulffs Vorgänger Horst Köhler war dagegen über außenpolitische Äußerungen gestolpert. Er hatte nach dem Besuch der deutschen Soldaten in Afghanistan darüber räsoniert, dass Deutschland zur Sicherung seiner Rohstofflieferungen aus aller Welt im Extremfall auch einen militärischen Einsatz nicht ausschließen könne. Das ist eigentlich weitgehend Konsens in der Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Äußerungen wären, hätte er sie etwa mit Blick auf die Piraten an der afrikanischen Ostküste getan, wohl kaum ein Problem gewesen. Nach dem

    Erste Auslandsreise nach Polen

    Gauck sprach am vergangenen Freitag in einer Rede nach seiner Vereidigung viele innenpolitische Themen an, die ihm am Herzen lagen: die friedliche Revolution in der DDR, soziale Gerechtigkeit, Integration oder Rechtsextremismus. Beim Thema Außenpolitik konzentrierte er sich auf das Erwartbare: "Dieses Ja zu Europa gilt es (...) zu bewahren." Und offenbar in Anlehnung an den Satz "mehr Demokratie wagen" von Willy Brandt mahnte Gauck: "Gerade in der Krise heißt es: Wir wollen mehr

    Gauck in Polen - Der erste Besuch wird als grundsätzliche politische Entscheidung gewertet

    Die Entscheidung eines Bundespräsidenten oder Bundeskanzlers über seine erste Auslandsreise wird - jenseits aller tagespolitischen oder logistischen Gründe - in aller Regel als grundsätzliche politische Aussage gewertet. Wulff fuhr zuerst nach Straßburg und Paris, Köhler zuerst nach Warschau. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy steckt gerade in der heißen Phase des Wahlkampfes, von daher bietet sich für Gauck ohnehin zuerst

    Herzensangelegenheit für Gauck

    Das ist Joachim Gauck

    Bundespräsident Joachim Gauck hat ein bewegtes Leben hinter sich. Seine wichtigsten Stationen.

    Gauck kommt 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater ist Kapitän, seine Mutter gelernte Bürofachfrau. Sein Vater wird von den Russen wegen angeblicher Sabotage in einem Lager in Sibirien verschleppt, als Gauck sechs Jahre alt ist. Er kommt erst viele Jahre später wieder frei.

    Nach dem Abitur studiert Joachim Gauck Theologie in Rostock und arbeitet dann ab 1967 als Pastor in Lüssow. Sein eigentlicher Berufswunsch Journalist zu werden, lässt sich in der DDR nicht erfüllen.

    Ab 1974 wird Joachim Gauck wegen seiner kritischen Predigten von der Stasi beobachtet.

    Als sich in der DDR Ende der achtziger Jahre Widerstandsgruppen formieren, wird Gauck Mitbegründer und Sprecher des „Neuen Forums“. Er leitet unter anderem Gottesdienste und führt Großdemonstrationen an.

    Das Ende des DDR-Regimes und die Wendezeit nennt Gauck die "prägende Zeit meines Lebens".

    1990 leitet er als Abgeordneter der frei gewählten DDR-Volkskammer den Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit.

    Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernimmt Joachim Gauck die nach ihm benannte Stasi-Unterlagen-Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgiebt, avanciert Gauck zum bekanntesten Gesicht der DDR-Demokratiebewegung.

    Nach dem Mauerfall trennt sich der Theologe von seiner Frau und findet eine neue Lebenspartnerin aus dem Westen - eine Journalistin aus Nürnberg. Bis heute sind beide nicht miteinander verheiratet.

    2003 wird Joachim Gauck aus den Reihen der FDP erstmals als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ins Spiel gebracht.

    2005 wird Joachim Gauck, damals 65 Jahre alt, Ehrendoktor der Universität Augsburg.

    Der Vater von vier Kindern und mehrfache Großvater engagiert sich auch im Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“. Als Vorsitzender kümmert er sich zusammen mit vielen Mitstreitern um die Aufarbeitung der Geschichte der Diktaturen in Deutschland.

    Im Sommer 2010 wird er von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der durch Horst Köhlers Rücktritt nötig gewordenen Wahl knapp an Wulff scheitert, ändert nichts an seiner Beliebtheit.

    2011 sorgt Gauck für Schlagzeilen, als er Thilo Sarrazin für sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ Mut attestiert. „Er hat über ein Problem, das in der Gesellschaft besteht, offener gesprochen als die Politik“, sagte Gauck, wobei er sich den den Inhalten des Buches distanzierte.

    Nach dem Rücktritt von Christian Wulff wird Gauck von Union, FDP, Grünen und SPD zum gemeinsamen Kandidaten für die Wahl eines neuen Bundespräsidenten nominiert.

    Am 18. März 2012 wählt ihn die Bundesversammlung mit großer Mehrheit zum Bundespräsidenten, am 23. März wird er vereidigt.

    Doch unabhängig von dieser aktuellen politischen Situation machte Gauck nach seiner Wahl unmissverständlich deutlich: Wenn es "nach meinen Herzen geht", dann zuerst nach Polen. Schon Anfang März - unmittelbar vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten - versicherte Gauck bei einem Vortrag an der Universität Lodz, sich künftig besonders um die Beziehungen zum Nachbarn

    Deutsch-nationale Züge bei Gauck?

    Der Kölner katholische Kirchenhistoriker Harm Klueting sieht dahinter eine grundsätzlichere Tendenz. "Ich nehme bei Joachim Gauck, an dessen honoriger Persönlichkeit nicht zu zweifeln ist, hier und da deutsch-nationale Züge wahr", sagt Klueting, der auch katholischer Priester ist, "aber kein Herzblut für Europa, für die europäische Integration und für die deutsch-französische Partnerschaft, die nun einmal Grundlage der europäischen Integration ist." In der Wahrnehmung evangelischer Pfarrer - zumal aus dem Osten - seien Frankreich und Italien vor allem katholische Länder. AZ/dpa

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