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Bundesfreiwilligendienst: Freiwillige gesucht

Bundesfreiwilligendienst

Freiwillige gesucht

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    „Die Träger müssen um die potenziellen Freiwilligen gezielt werben, sei es in den Schulen oder auch mit Ständen auf dem Dorffest.“Zivildienst-Bundesbeauftragter Jens Kreuter
    „Die Träger müssen um die potenziellen Freiwilligen gezielt werben, sei es in den Schulen oder auch mit Ständen auf dem Dorffest.“Zivildienst-Bundesbeauftragter Jens Kreuter

    Augsburg Von einem politischen Erdbeben oder zumindest von einem tiefen Einschnitt in der Geschichte der Bundesrepublik war die Rede, als im Dezember 2010 das Ende der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 beschlossen wurde. Erst mit Verzögerung trat ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, dass damit gleichzeitig auch das Ende des Zivildienstes besiegelt war.

    50 Jahre lang gab es bei den Trägern karitativer oder sozialer Einrichtungen die Gewissheit: Sie kommen, die „Zivis“. Zuletzt waren es zwischen 80000 und 90000 pro Jahr, die Menschen pflegten, Krankenbetten schoben oder auch mal den Hof fegten. Aus und vorbei: Seit zwei Monaten gehört der Zivildienst der Vergangenheit an.

    Bevor jedoch der 18-jährige Berliner Abiturient Tilo Schüssler Anfang Juli mit viel öffentlichem Bohei als erster „Bufdi“ seinen Bundesfreiwilligendienst (amtliches Kürzel: BFD) antreten konnte, tobte ein Streit zwischen Bund und Ländern. Während das Bundesfamilienministerium die Sozialverbände drängte, in erster Linie auf „Bufdis“ zu setzen, verteidigten die Länder – allen voran Bayern – die gewachsenen Strukturen für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Die Opposition konnte sich mit Forderungen, die beiden Angebote zu verschmelzen, nicht durchsetzen. Und so steht der „Bufdi“ neben dem FSJler.

    Doch der neue Dienst kam nur schwer in die Gänge: Ende Juli registrierte das Familienministerium zwar gut 17500 „Bufdis“, das Gros davon waren jedoch Zivildienstleistende, die ihren Dienst, gewissermaßen unter neuer Flagge, verlängert hatten. Lediglich rund 3200 darunter waren „echte“ neu hinzugekommene Freiwillige – bei immerhin 35000 geförderten Plätzen, die zur Verfügung stehen. Fast 60000 Bewerber meldeten sich parallel für die ebenfalls 35000 FSJ-Plätze.

    Der Beauftragte für den BFD im Familienministerium, Jens Kreuter, gab sich im Gespräch mit unserer Zeitung dennoch zufrieden mit der Startphase: „Die Bilanz nach zwei Monaten Bundesfreiwilligendienst sieht ganz klar positiv aus.“ Kreuter verweist auf die neuesten Zahlen. Danach sind aktuell rund 7000 Verträge unterschrieben. Mit einem weiteren Schub rechnet der 46-Jährige, wenn die Universitäten demnächst nicht wenige studierwillige Abiturienten auf spätere Semester vertrösten.

    Klagen der Sozialverbände, dass nach dem Wegfall des Zivildienstes die Funktionsfähigkeit vieler sozialer Einrichtungen gefährdet sei, teilt Kreuter nicht. Ihm sei „keine Einrichtung in ganz Deutschland bekannt, die jetzt dramatische operative Probleme“ habe. Mancher Träger habe es schlicht versäumt, sich auf die völlig neue Situation einzustellen: „Der Zivildienst war ein Pflichtdienst, nun haben wir einen veritablen Freiwilligendienst. Das bedeutet de facto: Die Träger müssen um die potenziellen Freiwilligen aktiv werben. Sei es durch Werbung, in den Schulen oder auch mit Ständen auf dem Dorffest.“ Gleichzeitig müssten auch die Stellen attraktiver werden.

    Eine Umstellung, die auch beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) nicht jedem leicht fiel, wie der Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk einräumt. Doch Besserung ist in Sicht: „Mithilfe von unkonventionellen Werbemethoden haben wir jetzt 261 ,Bufdis‘ unter Vertrag, wir benötigen jedoch 600 bis 700.“ Personell knapper wird es auf jeden Fall, schließlich verfügte das BRK in früheren Jahren über bis zu 1700 temporäre junge Mitarbeiter. Doch die Zivis kommen nicht wieder. „Unterm Strich fehlen helfende Hände. Die Lücken müssen wir zum Teil mit geringfügig Beschäftigten schließen. Viele kleinere Träger trifft es noch härter.“ Nicht glücklich ist Stärk über die politische Vorbereitung für den BFD: „Die Konditionen waren viel zu lange unklar. Da ist es kein Wunder, dass viele Jugendliche das bewährte FSJ bevorzugen.“ Doch auch Stärk erwartet, dass sich das einpendelt. Denn: „80 Prozent ist Mund-zu-Mund-Propaganda.“

    Mit Spannung beobachtet Kreuter, wie sich „die Bereitschaft, sich sozial zu engagieren, bei Frauen und Männern entwickelt“. Seine Neugierde gilt dabei insbesondere den jungen Männern, denen er den BFD ans Herz legt: „Nehmen wir den beruflichen Überflieger, der vorher mal in einer Behinderteneinrichtung gearbeitet hat. Ich bin mir sicher, dass er selbst, aber letztlich auch die Gesellschaft von dieser Erfahrung enorm profitiert.“

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