Im Zusammenhang mit der Messerattacke auf zwei Touristen in Dresden vor zweieinhalb Wochen ist ein Syrer als Tatverdächtiger festgenommen worden. Der 20-Jährige ist ein radikaler Islamist, bereits vorbestraft und nun wegen Mordes und versuchten Mordes in Untersuchungshaft.
Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwoch die Ermittlungen übernommen. Sie geht davon aus, dass die Tat am 4. Oktober, die einer der angegriffenen Männer nicht überlebte, einen radikal-islamistischen Hintergrund hatte, wie ein Sprecher der Behörde der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe sagte.
"Der islamistische Terror ist eine andauernde große Bedrohung für unsere Gesellschaft, gegen die wir mit aller Konsequenz vorgehen müssen", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). "Wir brauchen höchste Wachsamkeit und entschiedenes Vorgehen von Polizei, Sicherheitsbehörden und Justiz." Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte: "Der tödliche Angriff auf zwei Touristen in Dresden vor knapp drei Wochen hatte offenbar einen radikal-islamistischen Hintergrund." Die Tat führe erneut die Gefährlichkeit islamistischer Gewalt vor Augen.
Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft in Dresden lebt der Syrer seit 2015 in Deutschland, hat eine Duldung und ist erheblich vorbestraft. Er war erst seit dem 29. September nach Verbüßung einer Jugendstrafe wieder auf freiem Fuß und stand unter Führungsaufsicht.
Der Mann ist dringend verdächtig, am Abend des 4. Oktober die Männer aus Nordrhein-Westfalen nahe des Residenzschlosses "unvermittelt mit einem Messer" angegriffen und schwer verletzt zu haben. Ein 55-Jähriger aus Krefeld starb später im Krankenhaus, ein 53-Jähriger aus Köln überlebte, er konnte die Klinik inzwischen wieder verlassen.
Motiv und Hintergründe der Bluttat waren zunächst unklar - und der Täter war entkommen. Die Polizei hatte eine Sonderkommission gebildet unter dem Namen "Schloßstraße", in Anlehnung an den Ort, wo Passanten die beiden Schwerverletzten gefunden hatten. Die 29 Beamten suchten mit Hochdruck nach Täter und Motiven. Bei der Auswertung der Spuren vom Tatort, wo auch ein Messer sichergestellt worden war, stießen sie schließlich auf den aktenkundigen Syrer. Nach einer gezielten Fahndung klickten am Dienstagabend die Handschellen - mitten in der Innenstadt und unweit des Tatorts.
Kurz vor der Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch zunächst die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft Fall übernommen. Schon da hieß es, es stehe eine islamistisch motivierte Tat im Raum. Der Beschuldigte hat beim Haftrichter keine Angaben zu der Tat gemacht.
Der Generalbundesanwalt ist zuständig für die Verfolgung terroristischer Vereinigungen im In- und Ausland. Daneben kann er die Ermittlungen zu anderen staatsschutzrelevanten Straftaten übernehmen, wenn die innere Sicherheit der Bundesrepublik oder ihre Verfassungsgrundsätze gefährdet sind.
Der Beschuldigte war im November 2018 vom Oberlandesgericht Dresden wegen Werbens um Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Suche nach einer Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, Körperverletzung und Bedrohung verurteilt worden. Wegen Angriffs auf Beamte in der Haft verhängte das Leipziger Amtsgericht Leipzig im Dezember 2019 dann eine Gesamtstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gegen ihn.
Der OLG-Senat hatte 2018 auf Basis eines Expertengutachtens festgestellt, dass sich der damals noch minderjährige Syrer 2017 als IS-Anhänger sah und über ein Attentat nachdachte. Im Prozess habe sich der Angeklagte vor allem zu einem "von ihm im Sommer 2017 in groben Umrissen angedachten Anschlag" geäußert - in Dresden.
Als Islamisten auf dem Schirm hatten die Behörden den jungen Mann schon seit August 2017. Da hatte ihn nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur das Landeskriminalamt Sachsen als "Gefährder" eingestuft. So nennt man bei der Polizei Extremisten, denen man eine schwere Gewalttat bis hin zu Terroranschlägen zutraut.
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