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Bürgerschaftswahl Hamburg: Olaf Scholz – der Anti-Gabriel

Bürgerschaftswahl Hamburg

Olaf Scholz – der Anti-Gabriel

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    Olaf Scholz hat die Wahl gewonnen. Der Sozialdemokrat und seine Frau Britta Ernst hatten am Sonntag allen Grund zur Freude. Scholz bleibt Erster Bürgermeister Hamburgs.
    Olaf Scholz hat die Wahl gewonnen. Der Sozialdemokrat und seine Frau Britta Ernst hatten am Sonntag allen Grund zur Freude. Scholz bleibt Erster Bürgermeister Hamburgs. Foto: Jörn Pollex, dpa

    An einem grauen Novembertag im Jahr 2003 blickt Olaf Scholz in den politischen Abgrund. Obwohl er keinen Gegenkandidaten hat, wird er beim Parteitag der SPD in Bochum nur mit blamablen 52,6 Prozent der Stimmen als Generalsekretär bestätigt. Damals ist er der Watschenmann für Bundeskanzler Gerhard Schröder, der viele Genossen mit seinen Sozialreformen verärgert hat. Er gehört zu dessen loyalsten Mitstreitern und bekommt nun die Schläge ab, die eigentlich einem ganz anderen gelten. Scholz ist das perfekte Opfer. Undenkbar, dass ein derart Gedemütigter wie er einmal als potenzieller Kanzlerkandidat gehandelt werden könnte. Nicht nach diesem Denkzettel! In seiner Partei nennen sie ihn wegen seiner gestanzten, floskelhaften Art zu reden schon spöttisch den Scholzomaten.

    Olaf Scholz - die heimliche Nummer 2 der SPD

    Heute ist eben jener Scholz der erfolgreichste Sozialdemokrat der Republik – und mit Wahlergebnissen in Sichtweite der 50 Prozent, wie man sie sonst nur von der CSU kennt, auch so etwas wie die heimliche Nummer zwei hinter Parteichef Sigmar Gabriel. Ein Pragmatiker, kein Polarisierer und vermutlich vor allem deshalb so erfolgreich in einer Stadt, die deutlich konservativer tickt, als es die jüngsten Wahlergebnisse der SPD suggerieren.

    Zwei von drei Hamburgern halten den in Osnabrück geborenen 56-Jährigen für den richtigen Bürgermeister, weil der sich für die weitere Vertiefung der Elbe und die örtlichen Unternehmen genauso starkmacht wie für den Ausbau von Ganztagsschulen oder den Bau neuer Wohnungen. Selbst bei eher konservativen Themen wie der Wirtschaftspolitik oder der Inneren Sicherheit lagen die SPD und er vor der Wahl deutlich vor der Union und ihrem Spitzenkandidaten Dietrich Wersich. Spekulationen, er werde angesichts solcher Erfolge 2017 als Kanzlerkandidat in Berlin gebraucht, weist der älteste Sohn einer eher linksliberal gesonnenen Unternehmerfamilie allerdings beharrlich zurück. „Ich bin da verzichtbar“, sagt Scholz dann in seinem trockenen norddeutschen Duktus. Und dass es sein Traum sei, als Bürgermeister die Olympischen Spiele 2024 in Hamburg zu eröffnen: „Das Rentenalter hätte ich dann noch nicht erreicht.“

    Dass die Dinge im Sport wie in der Politik häufig eine gewisse Eigendynamik entwickeln, weiß natürlich auch der frühere Bundesminister für Arbeit und Soziales, der sich aus der Bundespolitik nie ganz zurückgezogen hat und unter anderem mit Finanzminister Wolfgang Schäuble über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen verhandelt. Was Hannelore Kraft, die Frau mit dem mächtigsten Landesverband im Rücken, häufig als lästige Pflicht empfindet, nämlich das Präsentsein in Berlin, nutzt der Taktiker Scholz auch, um über Hamburg hinaus im Gespräch zu bleiben.

    In der SPD gehört der gelernte Jurist, dessen Frau Britta Ernst seit einigen Monaten Schulministerin in Schleswig-Holstein ist, zwar zu den eher Leiseren. Als Innensenator in Hamburg aber hat er 2001 auch gezeigt, wie hart und unerbittlich er sein kann. Damals ließ er Drogendealern, die ihre Ware vor einer Leibesvisitation verschluckt hatten, Brechmittel verabreichen, um die Beweisstücke zu sichern. Selbst nach dem Tod eines Dealers hielt er noch an dieser Praxis fest, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte später als menschenrechtswidrig verurteilte. Er selbst dagegen beschreibt sich als eher sachlichen Typen. „Und so will ich das auch weitermachen.“

    Eine Zeitung nennt ihn „Kahl den Großen“

    Als Bürgermeister in Hamburg ist der aus Berlin heimgekehrte Scholz so etwas wie der Anti-Gabriel. Ein stiller, fast schon scheuer Regent, klein und schmal, der kaum auffällt, wenn er einen Saal betritt, der aber sehr genau weiß, was er will, und von sich sagt: „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ Eine örtliche Zeitung hat ihm unter Anspielung auf sein ziemlich schütter gewordenes Haupthaar deshalb den durchaus anerkennenden Spitznamen „Kahl der Große“ verpasst.

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